Vier

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        Ich war irgendwann mal so betrunken, dass ich vergaß, nach dir zu sehen.

Du warst irgendwo in diesem großen Haus, vielleicht auch davor oder dahinter und ich saß auf schmutzigen Treppen. Immer wieder rempelten alkoholisierte Mädchen mich an, die auf die Toilette wollten, die die Treppe runter führte.

Jonas stand vor mir, trotzdem fühlte ich mich alleine und ich hatte keine Zigaretten mehr. Ich hatte mich drei Stunden vorher mit meinem Vater gestritten, es war also nichts Neues.

„A-Also hat er einfach angefangen mich anzuschreien", erzählte ich Jonas vom Streit zwischen meinem Vater und mir. Ich weinte nicht, aber irgendwie wollte ich es. Immerhin war ich betrunken. „E-Er sagt immer, ich sei dumm und manch-mal, da wird er so beleidigend, dass er vergisst, dass ich seine To-Tochter bin."

Jonas sah durch die Gegend. Ich wusste, er war keiner, mit dem man über seine Probleme reden konnte, denn das Einzige, worüber er sprechen wollte, war er selbst. Ich mochte ihn nie wirklich, trotzdem zählte er zu meinen engsten Freunden. Heute weiß, dass das echt bescheuert war.

„Weißt du", jammerte ich weiter und versuchte gerade zu sitzen, obwohl das schon längst nicht mehr möglich war. Ich sprach zu laut und sah zu beschissen aus. Viele starrten mich an. „Er denkt, er macht immer alles r-r-richtig! Aber ich bin doch auch manchmal richtig o-oder? Ich me-meine, warum h-hat er mich geboren, wenn er so ein ätzender V-Vater ist?"

Schließlich sah Jonas zu mir und ich weiß noch genau, dass ich sein Gesicht sehr unattraktiv fand, obwohl er immer viele Freundinnen hatte. Irgendetwas an ihm störte mich enorm. Vielleicht seine Arroganz. Trotzdem wusste ich, er mochte mich. Etwas mehr als normal. „Echt scheiße gelaufen mit deinem Vater", sagte er und es war eine typische Jonas-Antwort. Nichts, was mich in irgendeiner Weise aufmuntern könnte. „Willst du raus? Ich muss eine Rauchen."

Ich nickte, auch wenn mir ganz und gar nicht gut war. Ich wollte weiter sitzen und trauern und mich über meinen Vater aufregen, aber verstehen würde mich sowieso niemand. Niemand kannte meinen Vater, außer du.

„Bekomm ich eine?", fragte ich Jonas und wackelte von einem Fuß zum anderen, als wir vor dem Veranstaltungshaus standen. „Ich habe keine mehr, alle leer."

Jonas klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und verdrehte die Augen. „Schnorr doch woanders, ich hab selbst fast keine mehr."

Er war ein dreister Lügner, das war er immer. Zwar habe ich ihm dies erst Jahre später gesagt, aber ich wusste genau, wann er log. Und das geschah auch jetzt, als er – ohne mir den Inhalt seiner Zigarettenschachtel präsentieren zu wollen – das Päckchen in seine Hosentasche schob.

Ich wand mich seufzend von ihm ab und durch meine verschleierte Sicht, erkannte ich viele Freunde von mir.

Bis ich dann dich sah.

Du sahst auf einer Mauer, rittlings auf deinem Schoß Michelle, die dir ins Gesicht lachte.

Ich erinnere mich noch genau, dass es mir selten so wehgetan hatte, dich mit einem Mädchen zusammen zu sehen, als in diesem Moment. Es war außerdem auch das erste Mal, dass es mir wehtat. Nicht, dass ich dich vorher nie mit einem Mädchen gesehen hatte, aber es war mir bisher egal. Ich gönnte dir dein Glück, auch wenn ich deine Freundinnen immer schlecht redete.

„War ja klar, dass die beiden rummachen", sagte Jonas, an dem ich mich festhielt. Ich berührte ihn, weil ich dachte, ich würde sonst fallen, aber eigentlich wollte ich, dass du siehst, dass ich Jonas berühre. „Michelle ist so eine Schlampe. Und er lässt sich sowieso auf jede ein."

„S-Sag das nicht", säuselte ich und genau in dem Moment, blicktest du zu mir. „Er is' nich' so."

Dein Lächeln verschwand sofort, als du sahst, dass ich euch beobachtete. In dieser Nacht hatten wir viel darüber geredet. Weißt du noch?

What I'd never tell youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt