Der erste Eindruck

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Mit dem Auto fuhren wir gerade den Berg hoch, auf dem das Internat lag. Als wir noch am Fuße des Berges waren, befanden wir uns mitten in einer Stadt. Doch umso weiter wir den Berg hoch fuhren, desto "ländlicher" wurde es. Überall standen luxuriöse Einfamilienhäuser, umsäumt von unzähligen Bäumen. Oben angekommen fuhren wir sogar an einem großen Feld vorbei.

Dann sahen wir das Internat und es war gar nicht luxuriös. Es bestand aus mehreren Gebäudekomplexen und wirkte bis auf ein altes Herrenhaus eher wie eine stinknormale Siedlung mit halbhohen Wohnhäusern. Ein Gebäude war für die Zimmer der Jungen vorgesehen. Dort würde auch Malte übernachten. In einem weiteren Haus hatten die Mädchen ihre Zimmer. Hier wohnten Lea und ich während unseres Besuches. Dann gab es zwei Schulgebäude, eine Turnhalle und das Herrenhaus. Später fanden wir heraus, dass dort zwei mal in der Woche Abendandachten statt fanden, zu deren Teilnahme die Internatsschüler verpflichtet waren. Das Internat war also christlich geprägt. Das fand ich irgendwie ansprechend.

Als Lea und ich in das Wohnheim der Mädchen eintraten, kam uns ein Geruch von altem, abgestandenen Teppich entgegen. Das roch sehr gewöhnubgsbedürftig. Im Büro des Mädcheninternats wurden wir schon von einer der vier Pädagoginnen, die sich um die Mädchen kümmerten, erwartet. Sie begrüßte uns freundlich und führte uns dann zuerst einmal durch das Gebäude. Es war in fünf Stockwerke eingeteilt. Die Etagen ganz unten im Keller und direkt unter dem Dach waren jedoch unbewohnt. Im ganzen Haus gab es insgesamt zwei Aufenthaltsräume mit Fernseher und Sofas. Sogar ein Klavier stand dort drin. Darüber freuten wir uns sehr, denn Lea und ich spielten leidenschaftlich gerne Klavier. Auf jeder Etage befanden sich zwei Waschräume mit Duschen und Toiletten und es gab sogar eine Küche, in der sich die Mädchen regelmäßig treffen konnten, um gemeinsam zu kochen. An der Wand hingen bis unters Dach lauter Bilder von Internatsschülern. Ab und zu blieb ich interessiert stehen und betrachtete die Personen auf den Bildern. Ob die Jugendlichen hier wohl nett waren?

Am Ende der Führung zeigte uns die Leiterin des Mädcheninternats unser Zimmer. Wir teilten uns eins im dritten Stock. Das Zimmer war nur spärlich eingerichtet und insgesamt sehr einfach gehalten. An der Wand stand ein schlichter, weißer Tisch mit einem alten Holzstuhl davor. Dann gab es zwei große weiße Einbauschränke, die genauso ernüchternd langweilig aussahen, wie der Tisch. Neben den Einbauschränken standen zwei Metallbetten, die wirkten wie Lazarettbetten, Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg. Alles in allem ziemlich enttäuschend. Einen Moment lang wäre ich am liebsten wieder nach Hause gefahren.

Da klopfte es an der Tür. Lea rief: "Ja?", da schaute auch schon eine blonde Löwenmähne zur Tür herein. Das Gesicht, dass von der Mähne umfangen wurde, grinste uns schelmisch an: "Hi, darf ich kurz rein kommen?" "Klar!", sagten Lea und ich einstimmig. "Hi, ich bin Tabea. Ich habe die Aufgabe bekommen, euch während der Woche als Ansprechpartner zur Seite zu stehen. Hier habe ich eure Stundenpläne für diese Woche. Sarah wird in die 11a gehen. Lea geht in die 10c. Wer von euch ist wer?" "Das ist Lea und ich bin Sarah", sagte ich und zeigte mit dem Finger erst auf meine Freundin und dann auf mich.
"Um halb acht fängt die Schule morgens an. Das heißt ihr müsst früh genug aufstehen, um euch schulfertig zu machen und noch in der Mensa frühstücken zu können. Ach, apropro Mensa. Hier habt ihr Ausweise, wenn ihr die vorzeigt, könnt ihr kostenlos in der Mensa essen. Geht auf's Haus!" "Ähm, wo ist denn die Mensa?", fragte Lea zaghaft. Dieses Gebäude hatten wir noch nicht gesehen. "Oh, die ist unterhalb der Verwaltung. Wartet morgen früh um 7 einfach unten vor der Tür auf mich. Ich nehm euch dann mit und zeig euch die Mensa!", bot Tabea an. Lea lächelte und sagte dann dankbar: "Cool, danke!" " So, das war's erstmal von mir. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, irgendeinen Kummer oder Sorgen: Ich wohne in Zimmer 33. Ihr könnt jederzeit vorbei kommen." Mit diesen Worten ließ Tabea uns wieder allein.

"Die is nett!", sagte ich, während ich immer noch auf die Tür sah, hinter der Tabea gerade verschwunden war. ,,Joa, stimmt!", grinste Lea, ,, bin mal gespannt wie die anderen hier so sind... besonders die Jungs!" Da musste ich grinsen. Oh ja, das war interessant und aufregend. "Wir können ja mal gleich rüber ins Jungeninternat gehen und uns nach Malte erkundigen. Nebenbei schauen wir uns mal ein bisschen um, wen es da noch so alles gibt, was hälst du davon?" " Klar, das machen wir!", bestätigte Lea mein Vorhaben. Beide waren wir sehr gespannt auf die neuen Bekanntschaften, die wir hier machen würden.

Die Liebe hat Geduld und es ist nicht die Zeit, die Wunden heilt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt