S A D

83 14 12
                                    

21/9/2000

Ruth ist religiös, weil ihre Mutter religiös ist.
Ruth hasst Gott.
Catrina ist religiös, weil ihre Familie religiös ist.
Catrina liebt Gott.
Steve war religiös, weil - warum eigentlich?
Nein, Steve wollte religiös sein.
Alle waren gläubig.
Alle waren gläubig, außer Ruth.
Ruth war nicht mehr gläubig.
Ruth war depressiv.
Ruth war kein Vorzeigekind.
Steve wurde immer religiöser.
Ruth dachte nach.
Ruth sah immer wieder auf ihre Armbanduhr.
Es war dunkel, Ruth saß da und beobachtete den immer leerer werdenden Busbahnhof.
Die Trauer war schlimmer als jeder Schmerz.
Die Trauer nahm sie ein.
War es wirklich Trauer?
Es war wirklich keine Trauer, die Trauer um Steve war reine Fiktion. Die Wut und die Rebellion gegen Altes nahmen sie ein.
Sie erinnerte sich an all die schlimmen Dinge.
Sie musste den Schmerz einfach betäuben.
Der Schmerz der nicht selbstinduziert war.
Sie sah ihn schon von weitem, den zwielichtigen Mann der immer nur da war wenn niemand da war.
Er gab es ihr.
Sie gab es ihm.
Sie ging raus.
Ein Tauschhandel mit dem Leben.
Sie zweifelte an ihrer Entscheidung, jedoch brauchte sie es.
Es war bereits das zweite Mal.
Das zweite Mal das sie etwas tat was gegen ihre eigenen Prinzipien verstoß. Oder das dritte, nein, das fünfzehnte? Sie hatte seitlangem den Überblick veroren.
So wie Steve, genauso wie er.
Ruth machte die Tür auf.
Das öffentliche Bahnhofs-WC stank.
Es war Absturz und seelischer Schmerz in einem.
Ruth war Teil von dem was sie Abschaum nannte.
Aber es interessierte sie nicht, sie war schon lange Abschaum und die Meinung anderer reizte sie nichtmehr was dies anbelang.
Sie saß.
Wie ging es nochmal?
Pulver.
Löffel.
Flamme.
Spritze.
Vene.
Schuss.

WE ARE NOT DONE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt