Kapitel 10 Tag 10

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Finja wartete vor dem Schulhof auf ihn, sie lehnte gegen die alte Eiche, unter der er seinen ersten Kuss gehabt hatte. In seiner Erinnerung war das schon lange her. An den Namen des Mädchens konnte er sich nicht mehr erinnern. Sie war älter gewesen als er.

 Die Freundin seines Vaters kam nach Hause, als er gerade Mittagessen kochte. Sie hatte seinen kleinen Bruder am Arm und er hob ihn hoch und wirbelte ihn einmal durch die Luft. Er gluckste fröhlich. 

"Essen ist fertig", er balancierte die Teller nach draußen, wo er für sich und Finja gedeckt hatte. 

Sie folgte ihm in den kleinen Hinterhof, den die angrenzenden Bewohner zu einer Art Garten umgestaltet hatten.

Er spürte, dass Finja sich hier wohl fühlte und wahrscheinlich war das der Grund, warum all seine Anspannung auf einmal abfiel. Er gähnte, auch diese Nacht hatte er nicht gut geschlafen. 

Sie erzählte ihm von dem Auftritt, den sie an diesem Abend im Veranstaltungszentrum der Stadt hatte. Wie  gerne würde er sie wieder einmal spielen hören. 

"Hier", sie kramte in ihrem Portmonnaie nach etwas, "Vielleicht hast du ja Zeit" 

Sie drückte ihm eine zerknitterte Eintrittskarte in die Hand. Ein Foto, das neben ihrem Namen prangte, ihre Dreadlocks waren kunstvoll aufgetürmt. Das Datum darunter, heute Abend.

"Ich schaue vorbei, versprochen", er verdrängte den Test, den er am nächsten Tag hatte. 

Wenig später zeigte er ihr sein Zimmer. Der Kellerraum, indem er nicht mehr wirklich aufgeräumt hatte, seitdem er dort eingezogen war. Sie machte es sich auf seinem Bett bequem und zog sich ihre Jacke aus.

 "Das soll jetzt keine Anmache sein oder so", sie lächelte verlegen.

"Ist es aber", er zog sie näher an sich heran. 

Jeder Zentimeter Platz zwischen ihnen war zu viel.

 Viel zu viel.

 Irgendwann brachte sie das Gespräch auf seine zahlreichen Exfreundinnen und darüber, wie er sich eine Beziehung vorstellte. 

"Ich bin kein Arschloch. Nur irgendwie verliere ich immer das Interesse an einem Mädchen, wenn ich weiß, dass ich sie haben kann", es war ein gutes Gefühl das auszusprechen.  

"Und bei mir?", fragte sie zögerlich. 

Bei ihr. Bei ihr. Es war alles so gottverdammt anders. 

"Keine Ahnung", es war die falsche Antwort.

 "Du bist nicht irgendein Mädchen, das man sich auf einer Party klärt" 

"Das hoffe ich doch", sie lachte. 

Wie schön sie aussah, wenn sie lachte. 

"Ich liebe dich" 

War es zu früh, das zu sagen? 

Wusste er überhaupt, was es bedeutete? 

Gegen neun stand er vor dem Verantstaltungszentrum und atmete tief durch. Es fühlte sich so unwirklich an, was im Moment mit ihm und seinem Leben passierte. Selbst als er längst seinem Platz saß und Finja die Bühne betrat, konnte er noch immer nicht glauben, was im Moment mit seinem Leben passierte. Finja war ganz in schwarz gekleidet, stärker geschminkt als er es von ihr kannte.

Als sie zu spielen begann vergaß er die Welt um sich herum.

 Es gab nur mehr ihn und die Musik.

 Die Musik.

Finja.

FinjaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt