Kapitel 2

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Am nächsten Morgen lief ich durch die verlassenen Gänge meiner Schule. Wie immer war ich spät dran und raste zu meinem Klassenzimmer. Völlig außer Atem hielt ich an der bereits geschlossenen Tür, richtete meine zerzausten Haare soweit es ging und klopfte.

"Herein?", trällerte meine scheinheilige Lehrerin Miss Watson. Ich öffnete langsam die Tür und trat ein. Ich sah schon wie Lilian über mich her lästerte. "Ach Miss Gold schön, dass sie uns die Ehre erweisen sich auch mal hier blicken zu lassen", erwiderte Miss Watson kühl.

Ich setzte mich neben Lucie und wollte sie gerade begrüßen als Miss Watson losschrie: " Zuerst kommen sie zu spät und jetzt stören sie auch noch meinen Unterricht!" Ich wollte etwas erwidern, doch sie zeigte nur auf die Tür und ich wusste sofort was das hieß. AB ZUM DIREKTOR!! Ich schlurfte zur Tür und bekam nur das Gekicher der anderen mit.

***

Ich klopfte an die Tür zum Direktorat. "Ja bitte?", hörte ich Mona, die Sekretärin, welche ich von meinen zahlreichen Besuchen schon kannte. "Hallo Alex", grüßte sie mich, "schon wieder die W ?", fragte sie. Ich nickte bloß stumm und ging weiter. Ich klopfte an der Tür von unserem Direktor Mr. Shane und wartete nicht mal auf ein Herein.

Er hob nur kurz den Kopf um gleich darauf wieder in seiner "Lektüre" zu lesen. Es war MEINE SCHÜLERAKTE. Er schlug die Mappe zu und deutete auf den Stuhl vor mir.

"Setz dich." Ich setzte mich schnell und versuchte den Blick von meiner Akte fern zu halten. "Alexandra, das ist das dritte Mal diese Woche dass du hier sitzt und es ist erst Donnerstag. Du bist doch sonst eine so gute Schülerin und kommst mit allen Lehrern super klar, nur mit Mrs. Watson nicht. Woran liegt das?" Ich zuckte nur mit den Schultern. "Das Schlimme ist ja, dass Mrs. Watson mich schon mehrere Male gebeten hat dich der Schule zu verweisen."

Ich schaute auf. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm sei. Er redete weiter: "Da ich aber noch Hoffnung habe, habe ich mir überlegt, da du eh unterfordert bist und gute Noten hast, dich eine Klasse hoch zu stufen."

Ich riss vor Erstaunen die Augen auf. Was? Ich? Eine Klasse überspringen? "Ich dachte mir das so: Miss Watson geht nächstes Jahr in Rente und darf nicht mehr unterrichten und deshalb gehst du in die höhere Klassenstufe und bist sie - böse ausgedrückt - endlich los. Na? Wie klingt das?", fragte er. "Wenn meine Eltern nichts dagegen haben, gerne.", antwortete ich, bemüht meine Fassung zu bewahren.

***

Am Nachmittag ging ich, ausnahmsweise mal fröhlich, zu mir nach Hause. Ich blieb nicht lange sondern schmiss nur schnell meine Schultasche in eine meiner Zimmerecken und holte meinen Sportbeutel, wo meine Powerbank, meine Kopfhörer und eine Flasche Wasser drinnen waren.

Anschließend machte ich mich gleich auf den Weg zu meiner Mutter. Sie lebt nur ein paar Kilometer weiter weg. Mit der U-Bahn brauchte ich meistens nur 10 Minuten. Bei meiner Mom angekommen, klingelte ich und hoffte, meine kleine Schwester Susan würde aufmachen. Sie ist erst 6 Jahre alt und ein ganz schöner Wirbelwind.

Das Lachen und Kreischen eines kleinen Mädchens ertönte und ein Schmunzeln umspielte meine Lippen. "Alex", kreischte mich meine Schwester vor Freude an. "He mein kleines Monster, na wie geht's?". "Supie. Du warst lange nicht mehr da!", sagte sie traurig zu mir. "Entschuldigung aber du weißt es ist gerade nicht einfach.", antwortete ich nur.

Ich ging durch den Flur, zog meine Schuhe aus und schlenderte zu meiner Mutter aufs Sofa. Ich schlang die Arme um sie und drückte sie zur Begrüßung. "Hey Mom ich muss dir was sagen." "Was denn Alex", fragte sie besorgt. "Du kennst doch noch Miss Watson oder?", fing ich an. "Es gab wieder Streit, ich musste zum Direktor und der hat mir ein Angebot gemacht." "Und das wäre?" "Da ich eh unterfordert bin soll ich eine Klasse überspringen..."

Ich wartete auf eine Reaktion meiner Mutter. "Das...das ist doch super aber du kommst doch jetzt schon nicht wirklich mit den Leuten aus deiner Klasse aus und meinst du es wäre jetzt so klug die Klasse zu überspringen wo du dann niemanden hast, denn gerade hast du schließlich noch Lucie." "Ach Mom", meckert ich, " das ist die Chance Miss Watson los zu werden. Du weißt hoffentlich noch wie sie mich tyrannisiert. Bitte sag ja, ich kann auch eine Probezeit machen um zu schauen wies mir liegt."

"Okay ich erlaube es.", antwortete sie mir. "Danke, danke, danke", rief ich aufgeregt. "Ich ruf Mr. Shane gleich an und sag Bescheid." Als ich mit telefonieren fertig war fiel ich meiner Mom sofort um den Hals. "Am Montag geht's los."

Wir redeten noch ein wenig. Natürlich hatte ich die gleichen Bedenken wie meine Mutter, aber die einzige Freude an der ganzen Sache war, dass ich endlich die Watson loswerde, aber das wollte ich meiner Mom nicht sagen.

Um 20:00 Uhr machte ich mich auch wieder auf den Weg zu meiner WG. Als ich dort ankam, löcherte mich Lucie erst mal mit Fragen, wo ich den ganzen Tag war, wieso ich nicht Bescheid gesagt habe, was überhaupt Los sei. "Ich werde hochgestuft.", sagte ich schließlich mit einem traurigen Gesichtsausdruck. Bis jetzt hatte ich noch nicht an Lucie gedacht. "Was?! Und was soll aus mir werden, ohne meine beste Freundin die mir zur Seite steht?", fragte sie ganz aufgewühlt.

"Hey, komm du verlierst mich doch nicht ganz. Ich bin immer noch deine beste Freundin, ich werde dir immer zur Seite stehen, dich trösten und dir zuhören. Wir können uns in den Pausen treffen und wir sehen uns eh immer am Nachmittag." Ich hoffte sie etwas beruhigt zu haben und nahm sie erst mal fest in den Arm. Sie erwiderte die Umarmung nach einem kurzen Zögern.

Als ich schließlich um 22:00 Uhr ins Bett ging, dachte ich noch lange über Montag nach. Irgendwann fielen mir die Augen zu und schlief ein.


Why you can't see itWo Geschichten leben. Entdecke jetzt