Teil 3 ~~ Jake

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"Hast du es bald? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!", brüllte Zed und sah sauer zu meinem Fenster hoch.
"Ja, ja ich komm ja gleich!" 
So langsam bin ich mir nicht ganz sicher ob ich wirklich gehen soll.
"Was ist denn los, Jakilein, kannst du dich nicht von Mama und Papa verabschieden?", rief Zed belustigt und fing danach an lauthals loszulachen, worauf die anderen auch es ihm gleich taten.

Genervt rannte ich die Treppe runter, doch bevor ich rausging warf ich noch einen schnellen Blick in den Spiegel neben der Tür. Meine braunen Haare waren noch ein bisschen nass, von der Haarwäsche gerade eben. Schnell nahm ich noch ein Brillenputztuch und säuberte die Gläser meiner schwarz umrandeten Brille, die gut zu meinen hellbauen Augen und hellroten Lippen passt.

Schließlich öffnete ich die Tür, nahm meinen Rucksack und ging zu meinen Freunden: Zed, Blake und Nick.
"Na, auch mal die Tür gefunden?" Nick lehnte am Auto seines Bruders und sah mich mit einem riesigen Lächeln an.
Nick kenne ich seit dem Kindergarten, Blake haben wir dann in der Volksschule kennengelernt, und Zed dann im Gymnasium. Es waren komische Zufälle, dass ich alle vier Jahre neue Freunde fand.  Während sich alle in das Auto setzte, half ich Nicks Bruder meinen Rucksack im Kofferraum zu verstauen. Schließlich setzte ich mich dann in die hintere Reihe neben Blake hin. Wir haben geplant 4 Tage allein im Wald zu campen. Es war eine ziemliche Überzeugungsarbeit bei unseren Eltern gewesen, besonders bei Blake und mir. Ich meine, wer würde denn freiwillig seine jugendlichen Kinder 4 Tage allein mit seinen gleichjährigen Freunden im Wald campen lassen. Dennoch hatten wir es geschafft! Nach fast 3 Monaten! In diesem Zeitraum und schon davor waren Zed und Nick schon mehrmals für nur eine Nacht campen. Wenn ich mich nicht täuschte, dann war Blake sogar zwei oder drei Mal dabei gewesen.

Schlussendlich kamen wir dann drei Stunden später im Wald an. Jeder nahm seine Sachen, und nachdem Nicks Bruder wegfuhr, sahen wir uns alle emotionslos an. Sekunden später warfen wir alle unsere Sachen in die Luft und feierten erst einmal die Eltern- und Geschwisterfreie Zone. Nach der Miniparty marschierten wir zu der kleinen Lichtung, auf der die Jungs bis jetzt immer übernachtet haben. Schnell schlugen wir unsere zwei Zelte auf und machten ein Feuer. Kurz darauf wurde es dunkel und für uns die perfekte Zeit, um Marshmallows zu grillen. Ich teilte mein Zelt zum Glück mit Nick, kaum vorzustellen was Zed mit mir in der Nacht angestellt hätte. Am Ende wache ich noch irgendwo im Matsch auf.

Unsere Themen wechselten ständig, sodass ich nicht einmal mehr mitzählen konnte. Doch inzwischen waren schon die ersten Sonnenstrahlen hervorgedrungen und erhellten den dunklen Himmel.
"Erzählt mal was! Wie ist es bei euch zu Hause?", fing Zed an.
"Wie soll es denn sein? Meine Eltern arbeiten fast den ganzen Tag, und mein Bruder kann auch schon bald in diese Kanzlei einziehen," Nick sprach während er einen Marshmallow brutal auf den Ast spießte.
"Ich hab gedacht ihm gefällt der Job als Anwaltsgehilfe?", hackte ich nach.
"So wie es aussieht, verbringt er lieber seine Zeit auf der Arbeit als mit mir", niedergeschlagen sah er in die Flammen.
"Ach komm schon, dafür hast du doch uns! Mit uns ist es hundert Mal witziger als mit dem!", steuerte Blake bei und schnitt eine Grimasse.
"Ja! Eben! Und Jungs, auf wundervolle 4 Tage Freiheit!" Ich hob meine Colaflasche und alle taten es mir nach. Zed rief laut 'Prost' und lehrte daraufhin die Flasche in einem Zug aus.

"Glaub mir Nick, du hast es noch ein bisschen besser als ich. Meine Eltern lassen mich kaum aus den Augen! Wisst ihr wie schrecklich das ist? Sie sind einfach zu übervorsichtig", Blake lehnte sich auf seinen Rucksack zurück, und hatte sich aus ein paar alten Holzästen und ein bisschen Schnur ein Gesell gebaut, das seinen Marshmallow-Ast hielt.
"Was meinst du mit übervorsichtig?", hackte Zed verwirrt nach.
"Naja. Bis zu meinen 10. Geburtstag musste ich immer einen Helm, Knie- und Ellbogenschützer tragen. Ununterbrochen."
"Das...das ist nicht dein Ernst?" Zed unterbrach den kurzen Satz oft, nur um Luft zu nehmen, weil er sonst am Lachen erstickt wäre.
"Nein, wirklich, ich kann mich noch ganz genau erinnern!", rief ich ihm zu, da ich mir nicht sicher war ob er mich hört.

"Und was ist mit dir, Zed?", fragte ihn Nick.
"Was soll bei mir sein?" Langsam schien er sich von seinem Lachanfall zu beruhigen.
"Wie ist es bei dir so in der Familie?", erklärte ich es ihm genauer.
"Ja, genau! Du hast nie irgendetwas erzählt!", steuerte Blake bei und sah ihn komisch an.
"Typische Patchworkfamilie eben. Jetzt hab ich drei jüngere und zwei ältere Geschwister." Er sprach in einem Tonfall, der die unglaubliche Aussage gang normal erschienen ließ.
"Warst du davor ein Einzelkind?", fragte ich ihn vorsichtig.
"Ja. Und wie siehts bei dir aus, Jakilein?" Zed sah mich mit einem eigenartigen Blick an, den ich nicht deuten kann, während er schnell die Aufmerksamkeit von sich lenkte.

"Naja, ich bin Einzelkind, da kann ich nicht viel klagen. Meine Eltern erlauben mir eigentlich eh fast alles. Also, ich glaube, ich führe ein gutes Leben."
"Ein sehr sehr gutes Leben, nicht wahr?" Mit einem vielsagendem Blick sah mich Nick an und hob amüsiert eine Augenbraue.
"Worauf willst du hinaus, Nick?" Zed sah ihn und dann mich misstrauisch an, als er sich aufsetzte. Ich wusste ganz genau wovon er redet.
"Ach komm schon, Erzähl es ihnen!", forderte Nick grinsend.
"Warte! Habt ihr etwa Geheimnisse?", rieft Blake aufgebracht.
"Von denen Blake und ich nichts wissen?", mischte sich Zed böse grinsend ein.
"I-ich weiß nicht,...wie ich es...erklären soll...", fing ich stotternd an.
"Er ist verliebt!", schrie Nick es heraus und nickte mir dankbar zu.
"Wie? Was? Wo? Wen?", rief Blake aufgeregt.
"Oh! Unser Jakilein hat sich verguckt! Wer ist die Glückliche?" Zed sah mich auffordernd an und erhoffte sich eine sofortige Antwort. Verdutzt sah ich alle an, das ging mir hier etwas zu schnell.
"Oder der Glückliche?", warf Blake ein und musterte mich amüsiert.
"Es ist ein Mädchen.", fing ich leise an.
"Na komm! Erzähl weiter! Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!", forderte Zed und auf einmal rutschten alle ein bisschen näher an mich heran, solange das wegen dem Feuer möglich war.
"Naja, ich weiß nicht wie sie heißt.", sprach ich weiter und suchte die richtigen Worte für eine plausible Erklärung.

"Aber was? Na komm sag schon. Beschreib sie ein bisschen, vielleicht kennen wir sie ja."
"Das bezweifle ich.", meinte ich mit fester Stimme und unsicherem Blick.
"Hä? Warum?", verwirrt setzte sich Blake auf und nahm vorsichtig seinen Marshmallow vom Ast.
"Da gibt es ein kleines Problem." Innerlich fragte ich mich, ob es die richtige Wahl war, überhaupt jemals wem davon erzählt zu haben.
"Was ist denn jetzt schon wieder? Sag es doch einfach. Junge, warum bist du so kompliziert?", schrie Zed sauer und legte sich erschöpft in das kalte Gras.
"Ich habe sie noch nie gesehen", gestand ich unsicher.
"Online Freundschaft?", fragte Blake, woraufhin sich Nick wieder in das Gespräch einschaltete und den Kopf schüttelte.
"Hast du sie dir ausgedacht? Oder ist sie dir in einem Traum vorgekommen?", ungläubig fing Blake an zu lachen.
"So ist es!", rief Nick bestätigend, während er in aller Seelenruhe seinen Marshmallow aß.
Schon waren vier große Augen auf mich gerichtet. Zeds und Blakes.
"Wie?", fragte mich Zed mit einem verwirrten Ausdruck, als ob ich ihm gerade ein mathematisches Problem erklären würde.

Plötzlich hörten wir ein paar Äste im Wald kaputt gehen. Angespannt setzten wir uns auf.
"Könnten das Tiere sein?", fragte ich in die Runde.
"Vielleicht nur Wölfe oder Eichhörnchen" meinte Nick schulterzuckend und beäugte den Wald.
"Eichhörnchen? Dein Ernst?", wandte sich Zed an Nick. "Eichhörnchen sind doch nicht so laut und schwer."
"Seid mal leise! Da sind Stimmen", zischte Blake.

"Oh Nein! Das kann nicht wahr sein!", rief auf einmal eine tiefe, männliche Stimme aus dem Wald. Wir hörten mehrere Schritte im Wald, die sich Wege durch das Laub und die Büsche bahnten. Weiter entfernt war etwas komisches zu hören, etwas was sich anhörte wie ein galoppierendes Pferd. 
"Vielleicht haben irgendwelche Reiter ihre Pferde verloren", versuchte Blake mit zittriger Stimme die Situation aufzuklären. 
Ein lautes Grölen ertönte und der Waldboden bebte auf. 
"Und wie erklärst du das?", fragte ich Blake ängstlich.
"Am besten gar nicht", antwortete Nick für ihn. 
"Bilde ich mir das ein, oder kommen die alle auf uns zu?", fragte Zed. Ich sah in seinen Augen zum ersten Mal so etwas wie Angst und das machte wiederum mir mehr Angst.

Die Schritte wurde lauter und schneller, genauso wie das Beben bei jedem Aufprall des galoppierenden Etwas auf dem Boden. Zed hatte recht. Sie kamen alle auf uns zu.

Der WaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt