Zehn

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"Glaubst du sind sie weg?"

Vorsichtig ging ich auf die Tür zu und lehnte mein Ohr dagegen um lauschen zu können.

Kein Mucks war von draußen zu hören, es war vollkommen still.

"Ich glaube schon. Aber warten wir zur Sicherheit noch etwas bevor wir den Raum verlassen."

Zustimmend nickte Kyra und kam zu mir her.

"Wenn ich draußen bin und du hierbleibst, dann wird er dich finden und dann wird er dir weh tun. Komm mit mir mit bitte."

Flehend sah sie mich an, aber ich konnte bloß meinen Kopf schütteln.

Ich musste hierbleiben, das war meine Pflicht, ich konnte als Thronfolgerin nicht einfach so meiner Pflicht entgehen. Das ging nicht.

Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen, würde ich meinem Volk den Rücken zukehren und flüchten.

"Du weißt das das nicht geht."

Mit diesen Worten öffnete ich die Tür und ging in den Gang.

Kyra folgte mir, wie immer.

Wir waren bloß noch einen Gang und eine Tür vom Wehrturm entfernt.

Innerlich wägte ich ab wie wahrscheinlich es war, das sie sich noch nicht genau in der Burg umgesehen hatten und deshalb niemand im, oder in der Nähe, des Wehrturms war.

Mit schnellen Schritten gingen wir den Gang entlang um dann vor einer braunen Tür stehen zu bleiben.

Betend das die Tür nicht verschlossen war, drückte ich die Türklinke hinunter.

Erleichtert atmete ich auf als sich die Türe öffnete und wir in den Wehrturm hineinkonnten.

Ein muffiger Geruch kam mir entgegen und setzte sich in meiner Nase fest.

Mein Blick wanderte durch den Raum, ich war längere Zeit nicht mehr hier gewesen.

Wir befanden uns im Treppenhaus. Eine Wendeltreppe aus Sein führte nach oben, zu einem kleinen Raum. Er war ziemlich ähnlich aufgebaut wie der Turm, in dem Kyra und ich früher immer übernachtet haben.

Meine Füße bewegten sich die Treppe hinauf, bis sie kurz vor dem Ende wieder stehen blieben.

Vor mir war eine kleine Luken ähnliche Öffnung, die durch ein braunes Holzbrett verriegelt war.

Meine Finger umschlossen das Holzbrett und versuchten es von der Öffnung zu reißen, was mir leider nicht gelang. Mit all meiner Kraft versuchte ich immer wieder die Öffnung freizubekommen, es gelang mir aber kein einziges Mal.

Schweißperlen rannen über meine Stirn als ich noch einmal all meine Kraft verwendete, um dieses Mal endlich, das Holzbrett herunter zu reißen.

Mit einem lauten Knarren brach das Holz ab und fiel in zwei Stücken zu Boden. Erleichtert wischte ich mir die Schweißperlen von der Stirn und schaute durch die Öffnung.  Man hatte eine gute Aussicht auf den Garten sowie den Hof. Außerdem war das die Öffnung nur ein kleines Stückchen unter der Burgmauer, die wir so erklimmen konnten.

Im Hof saßen ein paar Männer von Myron die auf einem kleinen Tisch zusammensaßen und ein Spiel spielten. Andere Männer bewachten die Tür und patrouillierten das Burgtor sowie den Garten.

Mein Blick wanderte von unten weiter zur Mauer, auf der zwei Männer standen und redeten, während sie die Umgebung beobachteten.

Mist, an diesen zwei Männer mussten wir vorbei, damit ich Kyra in Sicherheit bringen konnte.

Vielleicht war das ganze doch eine dumme Idee gewesen, Kyra so überstürzt und unüberlegt aus der Burg bringen zu wollen. Ich hätte mir mehr Zeit lassen und richtig darüber nachdenken sollen.

„Wie kommen wir an ihnen vorbei?"

Kyras Stimme war dicht hinter meinem Ohr.

Meine Hand griff zu meiner Hüfte, aber anders als gewohnt, spürte ich dieses Mal nicht das kalte Metall meines Dolches. Verzweifelt atmete ich aus, als ich mich daran erinnerte wie Myron mir gestern all meine Waffen weggenommen hatte.

Ein furchtbarerer Hass machte sich in mir auf den jungen, gefährlichen König breit. Er hatte mein Leben zerstört und hinderte mich jetzt vielleicht sogar daran Kyra in Sicherheit zu bringen.

Ich würde ihn umbringen, als Rache für meinen Vater und all die anderen die durch ihn sterben mussten.

Ein weiteres Mal überkamen mich diese Gedanken nun. Ich war verwundert über mich selbst. Vor gestern hatte ich noch nie solche Gedanken und jetzt kamen sie schon zum zweiten Mal.

Innerlich tobte in mir ein Sturm von Verzweiflung, Angst und Sorge. Ich musste schnell eine Lösung für die zwei Soldaten finden und nicht über Mord nachdenken.

Ein paar Sekunden überlegte ich, wägte verschiedene Vorgehensweisen ab, bis ich mich entschlossen umsah, durch die Öffnung kletterte und meine Arme an der Burgmauer abstütze.

Angestrengt zog ich mich daran hoch und kletterte über die eine Seite der Mauer. Eilig sprang ich auf den Boden und drückte mich so eng es ging gegen die Mauer. Die Mauer war etwas tiefer gelegt. Das bedeutete das man sich so verstecken konnte, dass man von außen nicht gesehen wurde.

Das einzige was uns jetzt noch hinderte waren die zwei Soldaten, die etwa zwanzig Meter von mir entfernt standen. Würden sie sich in meine Richtung drehen, würden sie mich innerhalb weniger Sekunden entdecken.

„Komm her Kyra."

Kyra stand noch immer im Wehrturm, vor der Öffnung.

Ängstlich schüttelte sie ihren Kopf und blickte mir entschuldigend in die Augen.

„Ich kann das nicht, ich könnte hinunterfallen, oder entdeckt werden."

„Kyra" antwortete ich zischend.

„Jetzt dreh bitte nicht durch, das ist doch überhaupt nicht so schlimm, du musst dich bloß auf die Öffnung stellen, herübergreifen und dich dann hochziehen und dabei nicht gesehen werden. Ich helfe dir sogar dich hochzuziehen. Okay?"

Zögerlich nickte sie und kletterte ungeschickt auf durch die Öffnung. Ängstlich sah sie sich um und atmete tief ein bevor sie ihre Arme gegen die Burg stütze und versuchte sich hochzuziehen.

„Beeil dich, sie könnten die jeden Moment entdecken."

Mit diesen Worten umgriff ich ihre Hände und half ihr hoch. Schnaufend ließ sie sich neben mich fallen und keine Sekunde später sah ein Mann in unsere Richtung.

Misstrauisch starrte er kurze Zeit in unsere Richtung bevor er sich kopfschüttelnd wieder seinem Spiel zuwendete.

„Das war knapp"

Ich erlaubte Kyra ein kurze durchschnaufpause, in dieser ich die zwei Männer auf der Mauer nicht aus den Augen ließ.

„Wir müssen weiter, folge mir."

Auf allen vieren krabbelten wir die Mauer entlang. Etwa drei Meter von den zwei Männern entfernt, machte die Mauer eine kleine Biegung nach links, hinter der wir uns versecken konnten.

„Was hast du jetzt vor? Da vorne stehen zwei Männer von Myron."

Ein Grinsen legte sich auf mein Gesicht und ich legte meinen Kopf leicht schief.

„Lass das mal meine Sorge sein."

He's called King MyronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt