5.

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,,Äh", er sieht auf den ersten Moment durcheinander aus. ,,sicher“

,,Und du bist mir sicher nicht böse oder?“ , frage ich scheinheilig und trete einen Schritt auf ihn zu.

,,Böse wegen was?“ Er zieht die Augenbrauen zusammen und sieht jetzt vollkommen verwirrt aus.

,,Dafür", noch ehe er zurück weichen kann leere ich ihm den ganzen Eimer voll mit kaltem Wasser über den Kopf. Ihm entkommt ein entsetzter Schrei als das kalte Nass ihm über das Haar hinunter ins Gesicht und schließlich in die Klamotten fließt.

Sämtliche Passanten haben für einen Moment vergessen was sie machen wollten und bleiben erstarrt stehen. Jap, Rache ist süß Fynn.

Ich sehe ihn mit klimpernden Wimpern an. ,,Jetzt pass mal auf du Arschloch, nur, weil du vielleicht ein schlechtes Gewissen hast, und denkst es mit einer Endschuldigung zu begleichen, heißt das noch lange nicht, dass ich dir verzeihe."

Er sieht mich wütend an und tritt ein Schritt näher auf mich zu. So nah, dass sein Atem auf meinem Gesicht abprallt, ich muss mein Kopf in den Nacken legen um in seine Augen sehen zu können. ,,Jetzt pass du mal auf Miss Oberdramaqueen." Er sticht sein Zeigefinger über meine Brust und lässt mich ein Stück nach hinten taummeln. ,,Ich wollte einmal nett zu dir sein, weil es mir wirklich leid tut. Aber nur, weil du mal wieder jeden der ein Schwanz hat von dir wegstoßen musst und einen auf 'Ich bin was besseres wie alle anderen, ich verzeihe niemandem so schnell' machst, heißt das noch lange nicht, dass es sich für dich lohnen würde auf Knie zu fallen und dich an zu betteln.“ Er wischt sich durch sein Gesicht. ,,Ich bin fertig mit dir", er dreht sich um und bemerkt die Zuschauer die wir mittlerweile bekommen haben. ,,Was? Keine eigenen Probleme?", zischt er sie an und bannt sich den Weg durch die Menge hindurch.

,,Ich bin auch fertig mit dir", rufe ich hinterher, doch bin mir sicher, dass er mich schon gar nicht mehr hören kann. Die Menge löst sich langsam auf und ich bleibe auf meinem Punkt stehen bis seine Jacke dass letzte ist was ich von ihm zu Gesicht bekomme.

Ich greife nach dem Eimer den ich anscheinend los gelassen habe und laufe zitternd wegen der Kälte ins Cafè zurück. Lukas und Lucy haben wohl nichts von dem Spektakel draußen mitbekommen, meine Chefin dagegen schon.

,,Es tut mir leid", sage ich nur als sie mich mit einem bösen Blick ansieht während sie einen Kunden bedient.

Ich stelle den Eimer und den Lappen in den hinteren Raum und helfe ihr beim Bedienen.

...

Nachdem meine Schicht zuende ist, laufe ich mit Lucy und Lukas in Richtung Nachhause. Lucy muss aber schon vor uns beiden abbiegen. So laufe ich mit Lukas alleine durch die dunklen Gassen von Friedrichshafen. Um ehrlich zu sein, bin ich ganz froh, dass noch ein Junge dabei ist, so fühle ich mich nicht all zu allein und drehe mich nicht wegen jedem Geräusch panisch in alle Richtungen.

,,Weißt du Fynn ist eigentlich gar nicht so schlimm", sagt er und wirft mir einen warmen Blick zu.

Hat er mich etwa doch mit Fynn draußen gesehen?

Ich zucke mit den Schultern. ,,Vielleicht kommt er mit allen gut klar, nur es liegt einfach an mir, an uns beiden, an der ganzen Situation, wir beide kommen einfach nicht klar", ich kicke einen Stein zur Seite. ,,und wenn du mir jetzt sagen willst, dass Fynn auch einen weichen Kern hat und er eine schwere Vergangenheit hat dann glaube ich dir das." Kurz bleibe ich stehen, lege ihm eine Hand auf die Schulter und bringe Lukas damit zum stehen. ,,Aber ich möchte mir einfach nicht die Mühe machen, Fynn besser kennenzulernen. Das klingt vielleicht hart und ich bin jetzt bestimmt minus Zehn auf deiner Skala gesunken aber so ist es, ich kann nichts dagegen machen."

,,Schon okay", er läuft weiter, die Hände hat er tief in seine Hosentaschen gesteckt, und die Ipad Tasche hängt ihm um die Schulter. ,,Das mag ich an dir, du sagst was du denkst", ich grinse. Ja, eine Eigenschaft an mir die manchmal auch von Nachteil sein kann, am ehesten wenn ich besser die Klappe halten sollte.

,,Magst du Lucy?" Frage ich ihn plötzlich.

,,Ja. Ja ich mag sie. Sehr sogar", antwortet er mir und strahlt dabei. Ich seufze in mich hinein, warum hat Lucy so viel Glück? Er ist wirklich der Richtige für sie. Er hat den selben verliebten Blick drauf wie sie. Ich habe noch nie soviel Ehrlichkeit aus einem Satz gehört.

,,Sie mag dich auch, weißt du", ich werfe ihm einen Blick von der Seite zu, er beißt sich so wie Lucy wenn wir über ihn reden auf die Lippen um ein Lächeln zu unterdrücken. ,,Vielleicht solltet ihr einfach mal etwas zu zweit machen, ohne mich und Fynn, mich beschwirrt das unangenehme Gefühl dass wir es immer versauen", grinse ich.

,,Ja, vielleicht werde ich sie mal fragen", er schaut Gedanken verloren vor uns auf den Gehweg bis er stehen bleibt. ,,Hier muss ich jetzt rein", er nickt mit dem Kopf in die Straße. ,,Also, dann bis bald", er lächelt mich zum Abschied an.

,,Bis bald", ich winke ihm noch zu und laufe dann weiter zu mir.

...

Die Woche vergeht wie im Flug. Kein Fynn weit und breit. Es fühlt sich seltsam an, mal nicht ständig genervt zu werden oder dumme Kommentare zu hören, aber es ist auch erholsam und nicht so Nerven auftreibenden. Letzte Arbeiten werden geschrieben damit den Lehrern in den Ferien auch nicht langweilig wird, der erste Schnee ist gefallen und Merle ist mehr als begeistert mir dabei zu helfen einen Schneemann zu bauen. Weihnachten kommt näher und ich bin noch nicht in Weihnachtsstimmung. Gut, in drei Tagen ist Weihnachten, aber anstatt schon in Vorbereitungsstress zu sein sowie Mum es jedes Jahr ist wenn Oma und Opa kommen, sitzt sie mit einer Tasse Tee und Wollsocken auf der Couch vor dem Ofen, blättert in einem butinette Katalog herum und wirft ab und zu ein Auge auf Merle die vergnügt mit ihrer Puppe spielt.

Ich beobachte das ganze schon misstrauisch, Mum ist die Ruhe in Person.

,,Emma Schatz, hast du Lust eine Runde Mühle gegen deine alte Mutter zu spielen?" Mama senkt den Katalog, stellt die Tee Tasse auf dem Couchtisch ab und sieht mich fragend an. ,,Du stehst so seltsam an der Tür, ist alles in Ordnung?"

,,Sicher doch", ich rühre mich von meiner Stelle und hole aus dem Schrank das Spiel. Während ich das Spiel aufbaue küsst Mum Merles Stirn und steht auf um sich mir gegenüber zu setzen.

,,Kommt Oma und Opa dieses Jahr zu Weihnachten?" frage ich und setze mein Steinchen auf das Spielfeld.

,,Nein, wir feiern dieses Jahr kein Weihnachten", ich erstarre. Kein Weihnachten? Seit wann denn das? ,,Jedenfalls nicht Zuhause", fügt sie als sie meinen Blick bemerkt hinzu.

Erleichtert atme ich aus. Puh, ich dachte schon.

Wir spielen voller Konzentration weiter. Bis Mama tief Luft holt und mich ansieht während ich meinen nächsten Zug strategisch über denke.

,,Wir werden einen Winterurlaub machen, du, ich, dein Vater und Merle, vier Tage", platzt es aus ihr heraus. Mein Blick fällt von dem Spielfeld auf sie. Ihre Wangen sind rosafarben und ihre Augen strahlen nur so vor Freude. ,,Ist das nicht toll?"

,,Ähm ja", gebe ich ein wenig skeptisch als Antwort. ,,Wohin solls denn gehen?"

,,Sölden, ein wunderschönes Skigebiet in Österreich, es wird dir gefallen." Mum hatte mittlerweile eine Zwickmühle gemacht und ich war so gut wie aufgeschmissen. Diese Runde würde ich wohl verlieren.

Ich freue mich wirklich auf diesen Urlaub, ein Skiurlaub hatten wir bis jetzt noch nie gemacht, meistens bekam Dad oder Mum zu dieser Zeit nicht frei weswegen wir dann immer in den Sommerferien für drei Wochen wegfuhren.

Meine Ski-Fahr Künste waren zwar noch bei den Grundlagen, aber das kann ich ja jetzt verbessern, ich bin mir sicher dass es der unvergesslichste Urlaub meines Lebens wird.

Ich sollte Recht behalten, es wird der unvergesslichste Urlaub...

Vielleicht mag ich dich ja morgen? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt