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When you're through with life and all hope is lost, hold out your hand 'cos friends will be friends – right till the end.

Als ich vor der Türe zu Leos Wohnung stand, zögerte ich, auf die Klingel zu drücken. Es war so einfach. Ich brauchte nur meine Hand auf Schulterhöhe zu heben und mit meinem ausgestreckten Zeigefinger den Knopf zu drücken. Dann würde mir Leo oder Jim die Türe öffnen, mich hereinbeten, ich würde meine Schuhe ausziehen und den Mietvertrag für ihre WG unterschreiben. Alles war ganz einfach.

Und doch war da im hintersten Teil meines Kopfes diese Stimme. Diese Stimme, die mir leise Zweifel einredete. Leise und unbemerkt, aber doch laut genug, dass die sich nun in meinem Kopf einnisteten.

War es wirklich das richtige, zu zwei wildfremden, jungen Männern zu ziehen? Denn machen wir uns nichts vor, im Grunde genommen kannte ich weder Leo noch Jim gut genug, um ihre Persönlichkeiten einzuschätzen. Ich konnte mich also nur auf mein Gefühl verlassen. Herz oder Kopf? Gefühl oder Verstand? Risiko oder Sicherheit? Spaß, Glück und Freude oder Traurigkeit und Unglück? Oder doch Untergang oder Überleben?

Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als Jim die Türe öffnete, ohne nach vorne zu schauen rausstürmte und mich somit fast über den Haufen rannte.

„Hey“, sagte ich nur und er schaute mich verwirrt an.

„Warte, Lucia? Was machst du denn hier? Und wo bitte warst du diese Nacht? Nicht dass ich mir Sorgen machen würde, im Gegenteil, ich wäre ganz froh, wenn du nicht vor meiner Türe stehen würdest, aber ich kann ja leider auch nichts daran ändern. Also, unterschreibst du den Vertrag heute oder willst du uns nur freundlicherweise doch absagen und mir die größte Freude des Tages bescheren?“, fragte er mit einem zynischen Lächeln auf seinen hübschen Lippen.

Stop. Hübsche Lippen? Louise, du bist doch nicht mehr ganz sauber im Kopf!

Jetzt erst raffte ich, was dieser Idiot da vor mir gerade zu mir gesagt hat. Entgeistert starrte ich ihn an. Wie konnte man nur so gemein zu jemandem sein, den man kaum kannte? Wie war sowas möglich?

Genervt schob er mich zur Seite und drückte sich an mir vorbei.

„Bis irgendwann mal, Lucy!“

„He, ich heiße Louise!“, schaffte ich gerade noch ihm hinterher zu rufen, dann verschwand er auch schon im Aufzug und die Türen schlossen sich hinter ihm.

Die Türe stand immer noch offen.

Ich atmete einmal tief durch und trat dann über die Schwelle. Jetzt gab es kein zurück mehr. Zaghaft rief ich nach Leo und fand ihn schließlich in der Küche mit einem Kaffee sitzen.

„Lou!“, begrüßte er mich stürmisch, „Wo warst du gestern Abend plötzlich? Und wo hast du die Nacht verbracht? Du warst doch hoffentlich nicht bei diesem Kotzbrocken von Exfreund? Ich habe mir tierische Sorgen gemacht! Du hättest mir doch wenigstens Bescheid geben können.“

Zerknirscht blickte ich ihn an und erwiderte dann:

„Hör zu Leo, es tut mir echt leid. Ich war heute Nacht bei einem, sagen wir mal, Freund. Ich hätte dir ja Bescheid gesagt, nur ich habe deine Handynummer nicht und das letzte, an das ich mich noch erinnern kann ist, dass du irgendein Mädchen aufgerissen hast, nachdem du und Jim mich alleine an der Bar stehen lassen habt. Nachdem es eine unschöne Konfrontation mit meinem Ex gab. Danach weiß ich nur noch von jeder Menge Alkohol, was offensichtlich auch der Grund für meine Gedächtnislücke ist. Es tut mir echt leid, wenn du dir Sorgen gemacht hast. Aber jetzt bin ich ja hier.“

Er nickte nur, legte seinen Kopf schief, während er mich von oben bis unten musterte, und fragte mich dann mit einiger Bewunderung in seiner Stimme:

The Club 27Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt