Kapitel 21 - Meine Existenz

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Sherlock starrte auf die Bäume und Büsche, die neben den Gräbern standen. Hier waren verschiedene Namen aufgelistet. Die meisten hatte er noch nie zuvor gesehen. John lief neben ihm und hielt seine Hand feste. Sie sagten kein Wort zueinander. Sherlock befürchtete, John wieder zu verletzen, deshalb beließ er es beim Schweigen.

Jetzt kamen sie an dem schwarzen Grab vorbei. Sherlock erstarrte. Er hatte sein eigenes Grab niemals ganz betrachtet. Aber es sah so dunkel aus. Gruselig. Doch was ihm besonders auffiel, waren die Blumen, die vor ihm hingelegt worden waren. Er wollte fragen, ob John das gewesen war. Doch etwas hielt ihn zurück. Wahrscheinlich war es schlechtes Gewissen. Sherlock hasste Gewissen.

Jetzt kamen sie an ein helleres Grab mit der Aufschrift "Mary Watson". John hatte diesen Namen gewählt, nicht Marys echten Namen. Ob John Marys Namen jemals gekannt hatte?

Neben dem hellgrauen Stein war ein bunter Stein. "Anna Watson".
Sherlock und John blieben stehen und Sherlock spürte, dass Johns Hand zitterte. Er näherte sich etwas und hoffte inständig, dass John ihn nicht wegdrücken würde. Dieser tat es nicht, im Gegenteil, er kuschelte sich ebenfalls an Sherlock.

"John, du darfst weinen", sagte Sherlock. Er hatte gesehen, wie John stark versucht hatte, Tränen zurückzuhalten. Als John seine Worte hörte, erstarrte er kurz, dann wandte er sich Sherlock zu.

"Ich...ich...", begann er mit zittriger Stimme. Dann vergrub er seinen Kopf in Sherlocks Mantel. Sherlock legte seinen Arm um ihn. "Sie wäre heute vier Jahre alt", flüsterte John. Sherlock nickte nur.

"Es tut mir leid", sagte er. John schüttelte den Kopf.

"Du bist nicht-"

"Es tut mir so unendlich leid, John", sagte Sherlock. Er war so wütend auf sich selbst. "Für alles, was ich dir angetan habe. Drei Gräber dieses Friedhofes wären ohne mich nicht hier. Mary wäre ohne mich noch am Leben und Anna auch. Ich weiß, du machst mir keine Vorwürfe, aber das solltest du!", sagte Sherlock laut. John starrte ihn entsetzt an, während Sherlock fortfuhr. "Ich wette mit dir, würde ich nicht existieren, dann-"

"-wäre mein ganzes Leben eine Qual", unterbrach John ihn. Sherlock starrte ihn überrascht an. "Ich hätte ein langweiliges Leben, keine Liebe, kein Abenteuer, ich wäre wahrscheinlich ein langweiliger Mensch mit einem langweiligen Job. Aber das bin ich nicht. Ich bin ein Army-Doctor mit einer Sucht zu Gefahr. Ich könnte jeden Augenblick von einem gewissen Jim Moriarty, dem Mörder meiner Frau und meiner Tochter gefangen genommen werden. Aber das werde ich nicht. Weißt du warum? Weil ich diesen Mann bei mir habe, Sherlock Holmes nennt er sich, weltweit erster Consulting Detectiv, ein hochfunktionaler Soziopath und mein Freund. Und ich weiß, was immer auch passiert, er wird bei mir sein, er wird durch die Hölle gehen, um mich zu finden. Das hat er bereits. Und ich liebe ihn dafür. Der mich selbst an dem Geburtstag meiner verstorbenen Tochter nicht im Stich lässt, obwohl er krank war. Und ohne ihn wäre ich nicht der, der ich heute bin. Und das wird er verdammt noch mal akzeptieren!", rief John so laut, dass Sherlock zusammenzuckte.

Der starrte ihn lange an, mit sowohl Überraschung in der Augen als auch einem schwachen Lächeln. Dann umarmte er John feste. Dieser umarmte ihn zurück und atmete einmal tief durch.

"Du meine Güte. Hätte nicht gedacht, dass ich mal so viel Wahrheit auf einmal sagen könnte", sagte er.

Sherlock kicherte nur kurz, dann löste er die Umarmung und presste seine Lippen auf die von John, welcher ihn mit großem Enthusiasmus zurückküsste. Hier durften sie es. Niemand überwachte den Friedhof.

"Ich liebe dich, John Watson", flüsterte Sherlock.

"Ich liebe dich auch, Sherlock Holmes", antwortete John ihm.

Johnlock-Consulting Detectivs lieben ÄrzteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt