Irgendwo zwischen Menschenmassen und Gelächter sitze ich und beobachte sie. Sie alle. Unter anderem auch die Schuldigen. Die, die daran Schuld sind, dass ich hier eingesperrt bin. Hinter Gittern. Zwischen Fels, Baum und Wand. Und jeder kann mich sehen, jederzeit. Ich habe keinen Freiraum. Keine Privatsphäre. Daran hat niemand gedacht, dass ein Löwe Bedürfnisse hat. Noch dazu die Attraktion des Zoos.
Viele kommen angereist von weit her, nur um mich, den schwarzen Löwen, zu sehen. Jeder weitere Besucher fügt mir Schaden hinzu. Sie klopfen an die Glasscheibe vor den Gittern. Sie schreien und brüllen, weil sie Angst haben. Angst, dass ich ihnen etwas tue. Doch wie könnte ich? Ich bin eingesperrt. Für immer. Hier komme ich nicht mehr raus. Nie wieder. Am Anfang habe ich es versucht. Raus zu kommen. Doch ohne Erfolg. Sie haben es so gut abgesperrt. Es ist zwecklos. Einmal drin und nie wieder raus. So lautet das Motto hier. Es hat sich nie geändert und wird sich niemals ändern.
Eines Tages haben sich dann Menschenmassen vor meinem Käfig aufgestellt und haben zugeschaut wie ich mein trockenes Fleischfressen vertilgt habe. Und es werden immer mehr. Bei jedem Mittagsmahl versammeln sie sich und starren mich ungeniert an. Nicht einmal dort habe ich Ruhe. Ich dachte, dass ich wenigstens beim essen Ruhe haben darf. Aber so ist es wohl nicht. Mit jedem Tag habe ich weniger Lust auf irgendetwas. Tagsüber liege ich nur faul in einer Ecke herum und starre die Besucher feindselig an. Manche gehen dann einfach gelangweilt weiter, was ich damit ja auch bezwecke. Doch manche drücken ihre Gesichter am Glas platt und glubschen mich aus ihren großen Augen an. Dann gibt es noch diese Menschen die drei tausend Fotos von mir machen, nur um später eins zu behalten. Die schlimmsten jedoch sind die, die sofort rum brüllen, wenn ich auch nur mein Ohr bewege. Ich warte immer noch auf diese Person, die einfach nur da steht und nichts tut. Nichts sagt, sondern mich einfach nur anguckt. Vielleicht guckt sie mir ja mal in die Augen, dann wäre diese Person die erste.
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Hinter Gittern
FantasyIrgendwo zwischen Menschenmassen und Gelächter sitze ich und beobachte sie. Sie alle. Unter anderem auch die Schuldigen. Die, die daran Schuld sind, dass ich hier eingesperrt bin.