Kapitel 8

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Ich finde wieder etwas Spaß daran, dass ich durch mein Rumturnen den Menschen da draußen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Jeden Tag bekomme ich saftiges Fleisch, welches ich mit Freude verschlinge. Es versammeln sich keine Menschenmassen mehr vor den Gittern.

Klar, da sind immer noch die Leute, die mich angucken und Fotos machen, aber es ist ruhiger geworden. Das alles verdanke ich dem Jungen, der allerdings nicht mehr aufgetaucht ist. Seit dem Tag an dem Ash das erste Mal nach langer Zeit zu mir gekommen ist. Seit dem Tag ist der Junge verschwunden.

Jeden Abend kommt Ash zu mir und wir spielen und kuscheln miteinander. Ein paar Schaulustige bleiben immer stehen und gucken uns zu, weil sie uns so süß zusammen finden. Wäre ich Mensch, würde ich wahrscheinlich das selbe denken. Die Leute sehen ja nur einen jungen Mann mit einem Löwen herumtoben. Und genau das ist es was schmerzt. Sie wissen nicht, dass ich alles verstehe, was sie sagen. Jedes einzelne Wort. Sie wissen nicht, dass ich früher unter ihnen geweilt habe, dass ich einer der ihren war. Es tut so verdammt weh daran zu denken, dass ich es nicht rückgängig machen kann.

An diesem Abend höre ich schon die vertrauten herannahenden Schritte von Ash. Vor der schweren Eisentür bleibt er stehen. Ich nehme wahr, wie er die unzähligen Verriegelungen löst. Er öffnet die Tür und ich laufe erfreut in seine Richtung. „Ash, kommst du bitte mal hierher?" Irgendwer hat ihn angesprochen. Er wirft mir kurz einen entschuldigenden Blick zu und schlägt die Tür vor meiner Schnauze zu. Ich setzte mich hin und warte ungeduldig. Die Stimme redet weiter. „Das hier ist kein Streichelzoo, Ash! Dieser Löwe ist ein gefährliches Raubtier, egal wie nett sie dir gegenüber ist. Sie könnte dich jederzeit angreifen und dich in Stücke reißen. Du hältst dich da bitte raus. Außerdem wollen die Leute da draußen ein Raubtier sehen und keine verschmuste Stubenkatze. Und das geht nicht, solange du ständig um sie herumwurstelst.", meinte der fremde Mann. Mehr höre ich nicht, denn Schritte entfernen sich und die Stimme wird leiser.

Die ganze Nacht lang warte ich auf Ash. Doch er kommt nicht. Auch nicht am Tag darauf. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Die ganzen nächsten Tage lässt er sich nicht blicken und ich bleibe träge in der Ecke liegen. Mein Fleisch fresse ich lustlos. Der Hase hoppelt lustlos durch das Gehege. Alles kommt mir langsam und gelangweilt vor. Sogar die Menschen haben ihren Reiz verloren. Und dann kommt der Tag an dem ich verstehe. Ash wird nicht wiederkommen. Er hat mich verlassen. Hat mich hier allein gelassen. Ich raste total aus.


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