Kapitel 7

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Ich trete zurück und springe auf einen Fels. Dort lasse ich mich nieder. Der Reporter steht mit offenem Mund da und guckt den Hasen geschockt an. Auf der gegenüberliegenden Seite öffnet sich die schwere Eisentür und Ash kommt herein. In der Hand hält er einen schwarzen Eimer. Verwirrt guckt er mich an. Könnte daran liegen, dass ich woanders liege. Von hier aus kann ich ihn viel leichter angreifen. Das hat er wohl auch kapiert, denn er bleibt stehen. Sein Blick fällt auf den Reporter. „Hey, Sie da, können Sie nicht lesen? Der Löwe darf nicht fotografiert werden!", brüllt Ash ihn an. Der packt schnell seine Sachen ein und haut ab.

Ash guckt den Hasen und mich an. Er schaut zwischen uns hin und her. Ich denke, er wundert sich, dass der Hase noch lebt. Ash geht dorthin, wo er mein Fressen immer hingeht und kippt den Inhalt aus. Ein saftiger Brocken Fleisch. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen. Ich richte mich auf und bin mit einem Satz beim Fleisch. Es riecht viel besser als das, welches ich sonst bekomme. Vielleicht hat es ja doch etwas gebracht, dass Ash und der Junge sich gestern gestritten haben. Ich bemerke, dass Ash irgendwelche Grünblätter und Möhren neben mein Fleisch legt. Soll ich unter die Vegetarier wandern? Aber es ist wohl nicht für mich, denn mein hoppelnder Mitbewohner stürzt sich mit Heißhunger aufs Grüne.

Als ich fertig bin, lege ich mich auf den Boden und schaue dem Hasen beim Essen zu. Er isst ziemlich langsam. Ash lässt sich im Schneidersitz neben mich fallen und legt mir eine Hand auf den Rücken. Das hat er früher auch manchmal gemacht. In der Zeit, wo ich noch nicht in diesem Zoo war. Ich vermisse diese Zeiten. So etwas vergisst man nicht so leicht. Er war wie mein bester Freund, doch hat sich von mir entfernt, weil ich zu aggressiv war, als ich hierher kam. Doch meine Aggressivität habe ich schon lange abgelegt, weil ich weiß, dass es nichts bringt.

Zusammen schauen wir Hoppel beim futtern zu. Vorhin habe ich gehört, wie Ash den Hasen so nannte. Deshalb kann ich den Hasen ab jetzt auch mit Namen ansprechen. Obwohl ich noch nicht mit ihm geredet habe. Werde ich auch nicht. Ich bin nicht sonderlich dran interessiert mit einem Hasen zu sprechen. Es wäre ein zu großes Risiko, dass ich über etwas rede, worüber ich kein Wort verlieren darf. Und ich möchte nichts riskieren. Trotzdem wäre ich gerne wieder dort, wo ich herkomme. Doch das geht nicht, nie wieder. Ich bin verdammt dazu ein Löwe zu sein. Und das nicht einmal freiwillig. Ich kann mich kaum an das Leben vor dem hier erinnern. Vielleicht hätte ich meine Leute so ja schon längst gesehen, doch ich trage dieses Wissen nicht mehr in mir. Immer mehr verschwindet. Und jetzt sitze ich hier neben Ash und gucke einem Hasen beim Essen zu. Von draußen höre ich irgendwen fluchen. Der Junge. Er steht vor dem Käfig, aufgehalten vom Absperrband. Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn an. Er guckt leicht geschockt. Liegt vielleicht daran, dass Ash neben mir sitzt. Ruhig und friedlich. Ich tue ihm nichts. Der Junge guckt uns eine Zeit lang schweigend an und geht dann.


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