Es war ein bitterkalter Wintermorgen, ich fröstelte als ich im Wald auf meine kleine Schwester wartete. Die eiskalten Schneekristalle tanzten mit dem Winde zusammen. Ich schaute mich um, um dieses Spektakel genauer zu beobachten, doch als ich darauf zu laufen wollte, wurde ich sofort am Handgelenk gepackt. Ich vergaß völlig, dass einer der Schwarzblüter neben mir stand und darauf aufpasste, dass ich nicht floh. Es war zwar nur einer, dennoch kam er mir vor, wie ein riesiger bedrohlicher Löwe der seiner Beute auflauerte, bis sie nur einen Fehler machte.
Geduldig wartete ich also bis meine Schwester mit ihrer Wache aufkreuzte.
Doch es vergingen Stunden und mittlerweile wurde mir so kalt, dass selbst an meinen Wimpern sich Eiskristalle absetzten. Ich versuchte mich irgendwie zu wärmen, rieb mich an den Armen und überlegte ob ich mich hinsetzen sollte um auch meine Beine von der Kälte aufzutauen. Als ich mich jedoch setzen wollte, bemerkte dies der Aufseher sofort und packte mich am Arm, sodass er mich urplötzlich hochziehen konnte.„Ich wollte mich bloß aufwärmen!", meckerte ich und rollte meine Augen. Schmollend sah ich wieder in den Wald hinein, ich wünschte mir in diesem Moment nichts weiter, als das meine Schwester endlich auftauchen würde. Denn sobald sie hier wäre, würden wir zurück in die Festung laufen und uns am angenehmen Feuer des Kamins wärmen. Natürlich nur heimlich, denn wenn wir am Kamin erwischt werden, dürften wir wieder stundenlang draußen irgendwelche Arbeit verrichten. Wir wurden behandelt wie Straßenköter oder irgendetwas Erbärmlicheres. Wenn meine Schwester irgendein Unfug verursachte wurde ich dafür bestraft, daher versuchte sie immer das artigste Mädchen der Welt zu sein, das bedeutete allerdings, wenn wir beide Fehler machten, wurde ich doppelt so hart bestraft.
Mein Blick hielt ich starr in den Wald hinein, ab und zu sah ich einen Hasen, eine Maus und ganz selten eine Katze. Der Gedanke an das pelzige Fell dieser Tierchen erwärmte mich irgendwie, wahrscheinlich war das einfach nur so ein Psychotrick mit dem man sein Gehirn austricksen konnte. Doch mit der Zeit fing ich wieder an zu frieren, ich nießte und hustete, wahrscheinlich hatte ich mir schon eine Erkältung eingefangen. „Geben sie mir doch einfach ein Stück ab? Sie tragen wahrscheinlich fünf Pelze, oder?" ich sah den Kerl an, der direkt neben mir stand, doch er erwiderte nur „Scheiß Adelskind!" Um mich zu verteidigen, ich war kein Kind mehr, ich war nun schon stolze siebzehn Jahre alt und sah auch überhaupt nicht mehr aus wie ein Mädchen, sondern wie eine Frau- also nichts da mit Kind.
„Dann eben nicht", murmelte ich leise und versuchte mich wieder zu wärmen, auch wenn das Erfolgslos für mich war. Meinen Blick richtete ich wieder starr zwischen den vielen Bäumen durch. Was sollte ich nur tun? Langsam hatte ich das Gefühl bald zu erfrieren. Alissa sollte sich langsam beeilen. „Renn weg!", hörte ich aus dem Wald. Es klang so, als hätte ich es mir eingebildet, so leise war diese Stimme. Nun bilde ich mir auch schon die Stimme von ihr ein, bin ich wirklich so nahe vor meinem Tod?
Ich vergrub verzweifelt mein Gesicht in meine Hände. „Renn doch!" Der Aufseher neben mir zückte plötzlich sein Schwert, also habe ich es mir doch nicht eingebildet? Doch wenn es wirklich Alissa war, sie wusste doch was die Konsequenzen waren. Abhauen? Einfach so? Wie oft hatten wir das schon versucht... Oft genug! Und immer wieder dasselbe geschah, immer wieder wurden wir eingefangen und ich bekam die Strafen in der Folterkammer. Mein ganzer Oberkörper, auch meine Beine, meine Arme, alles war voller Narben, nur mein Gesicht ließen sie in Ruhe mit der Behauptung, so ein schönes Gesicht kann man nicht verunstalten.
„Reiß dich zusammen!" sofort spürte ich ihre Stimme direkt in meinem Herzen, es fühlte sich für einen kurzen Moment ganz schwer an und danach sofort wieder normal. „Was habt ihr wieder vor!" es war keine Frage- nein, es war eine Aufforderung, dass ich meiner Wache sofort übermittel was das alles sollte. Doch um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Wenn ich diese Worte jedoch über meine Lippen bringe, dann würde ich dafür geschlagen werden, dabei war es die Wahrheit.
„Sie ist nur wieder verrückt geworden", meinte ich lächelnd mit einem Achselzucken, doch wie erwartet, glaubte er mir diese Lüge nicht. Er holte mit seinem Schwert aus, wahrscheinlich wollte er mir einen Hieb verpassen, der für einen Sterblichen wahrscheinlich tödlich wäre, doch für einen Vampiren? Für eine Adlige? Ich würde zwar leben, doch es würde genauso weh tun.
Sein Schwert kam mir immer näher, doch ich verkniff keines meiner Augen oder zuckte zusammen- nein, ich war nun schon daran gewöhnt. Es waren schließlich schon zehn Jahre vergangen, in denen ich mein ganzes Leid ertragen musste. „Ein Stich und du stirbst wie dieser!" Plötzlich kullerte der Kopf des Aufsehers meiner Schwester vor unsere Füße. Ich blickte sofort nach vorne um meine Schwester ausfindig zu machen, doch ich hatte keinen Erfolg.
„Wo bist du! Miststück!" er hatte sein Ziel, welches ich gewesen war, abgelegt um sein neues zu finden, Alissa. Während ich für einen kurzen Moment in den Wald hineinspähte sah ich nur ein lilafarbenes Licht, welches mit einigen anderen kleinen Farbtönen zusammen harmonierte. Doch dieses Licht verschwand für eine Sekunde und erschrak plötzlich in einem grellen Strahl, welcher auf uns gerichtet war. Es kam immer und immer näher. Ich schluckte. Wollte Alissa mich jetzt auch töten? Sodass ihre Flucht dadurch leichter wird, da sie kein Klotz am Bein mehr hatte. „Alissa", flüsterte ich trostlos und kniete mich zu Boden. Meine Hände vergrub ich in die weißen silbernen glänzenden Schneekristalle. Ich nahm nur noch einen grellen ächzenden Schrei wahr, doch... es war nicht meiner!
Ich erhob meinen Kopf und sah zu meinem Wächter, seine ganze Haut ätzte von dem Strahl weg, doch dies geschah so schnell, sodass ich nur noch sein stehendes Skelett wahrnehmen konnte, doch auch dieses zerfiel sofort zu staub. „Was war das?!", schrie ich auf, doch dann erblickte ich nur noch eine angebotene Hand die ich vorsichtig annahm. Sofort half sie mir auf und entgegnete mir mit einem strahlenden Lächeln. Ihre Haare waren kein goldblond mehr, es war ein Aschblond.
„Meine Kraft ist endlich da! Wir können fliehen! Mit der Macht des weißen Blutes", kündigte sie freudig an doch da bemerkte ich endlich, an ihren Lippen hingen Spuren vom schwarzen Blut. „Du hast es den Prozess verkürzt, in dem du das Blut von ihm getrunken hast?" Mir blieb der Mund offen, wie konnte sie dieses Risiko nur eingehen? Wie? Sie wusste doch was passieren würde, sobald eine Adelige das Blut der Schändungen zu sich nahm. Warum... Warum tat sie das?
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White Blood (Wird überarbeitet)
Vampire||CreativityAward Gewinner|| Das weiße Blut prägt sie. Viktorias Welt der Vampire ist voller Gefahren, Angst, Schrecken, Brutalität. Sie findet keine Zuflucht, keine Sicherheit, sie findet sie erst, wenn sie bei ihrem Adelshaus angekommen ist. Denn...