7. „Danke."

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Vor Wut zitternd stand Hermine einige Meter von der berühmten Gaststube entfernt. Immer noch spürte sie das Brodeln des Adrenalins in sich. Nur langsam gelang es ihr sich wieder zu beruhigen und so dachte sie nach. Hatte sie dem jungen Malfoy tatsächlich ihr Butterbier über dem Kopf ausgeschüttet? Jedoch hatte er sie provoziert und ihren Wutausbruch regelrecht heraufbeschworen. Allerdings, wenn sie es aus einer anderen Sicht betrachtete, hatte er ja nicht wissen können, dass sie bereits einen schlechten Tag hinter sich hatte. Trotz allem war das keine Entschuldigung dafür, dass er sie ständig aufziehen musste oder sie gar beleidigte.

Wutschnaubend beobachtete sie die paar Zauberer und Hexen, die aus einer Wirtschaft kamen oder erst eine betraten. Es war ein Treiben, was sicherlich täglich so ablief. Sie versuchte sich auszumalen, wie die Leben dieser Menschen bereits verlaufen waren, doch auf keinem der Gesichter konnte sie einen solchen Schmerz ablesen, wie sie ihn verspürte. Aber dann kam ihr so plötzlich ein Gedanke in den Sinn, dass sie ein leichtes Keuchen nicht unterdrücken konnte. Es war ein schrecklicher Gedanke und doch kam sie nicht umhin darüber nachzudenken. Wäre ihr Leben so viel besser verlaufen, wenn sie in einer reinblütigen Familie aufgewachsen wäre? Hastig schüttelte sie den Kopf. Sie liebte ihre Eltern und war ihnen dankbar für alles, was sie je für sie getan hatten. Ihr war bewusst, dass sie kein leichtes Kind gewesen war – woran das wohl liegen könne? – trotzdem hatten ihre Eltern es so gut wie möglich mit ihr gemeistert, obwohl sie noch dazu Vollzeit arbeiteten. Sie wollte nicht über so etwas nachdenken, doch ihre Gedanken waren nun offensichtlich selbstständig geworden. Immer mehr Bilder, wie ihr Leben hätte sein können, traten in ihr Blickfeld und so angestrengt sie auch versuchte, sie aus ihrem Kopf zu verbannen, gelang es ihr nicht.

»Stopp!«, schrie sie. »Ich will das nicht! Nein! Ich kann das nicht mehr!«

Vereinzelte Tränen bahnten sich den Weg nach außen, bis sie ihr schließlich hemmungslos über die Wangen liefen. Schluchzend sank sie zu Boden, während sie immer wieder heftig den Kopf schüttelte. Sie wollte, dass dieser Teufelskreis aufhörte, dass sie es vergessen und damit abschließen konnte.

Ihre Kraft war am Ende, um noch auf irgendeine Art weiter zu kämpfen. Sie wollte aufgeben, doch, wenn sie das tat, dann würden ihre Freunde sie nicht mehr in Ruhe lassen – ihr endlose Fragen bezügliches ihres Wohlergehens stellen. Sie hätte versagt und genau dieses Gefühl hasste sie genauso sehr wie dieser Schmerz, der immer zu an ihr nagte.

Jemand, der gerade eben durch die Tür des Drei Besens getreten war und einmal wütend mit dem Fuß auf den Boden stampfte, hielt plötzlich in seiner Bewegung inne. Ein grauenerfülltes Schluchzen war zu hören, was ihm das Blut in den Adern gefror – und da sah er sie. Wie ein Häufchen Elend saß sie auf dem Boden gegen eine Wand gelehnt, die Knie angewinkelt und ihre Arme um ihren Körper geschlungen, während sie ihren Kopf in ihrem Schoß vergraben hatte und zügellos weinte.

Er hätte einfach weitergehen können, doch das lag nicht in seiner Natur. Sein Vater hatte ihm vieles gelehrt, wobei er jetzt einiges als falsch interpretierte, doch er hatte ihm deutlich klargemacht, dass er eine Frau, die weinte, niemals alleine lassen sollte. Er konnte zwar nicht gut mit solchen Situationen umgehen, doch sie einfach am Straßenrand sitzen zu lassen, während sie in solch einer Verfassung war, empfand er als äußerst unhöflich.

So ging er zielsicher auf die andere Seite des Hauptpfads und blieb ungefähr einen halben Meter vor ihr stehen. Sie schien ihn nicht zu bemerken oder sie wollte ihn einfach nicht beachten. Doch er kümmerte sich nicht darum, sondern ging vor ihr in die Knie und strich ihr erstmals zögernd einige nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Diese Geste schien sie offenbar wach zu rütteln. Leicht hob sie ihren Kopf und als sie ihn offensichtlich erkannt hatte, weiteten sich ihre Augen vor Schreck und sie rückte ein Stück von ihm weg.

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