Geliebter Schmerz

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Es waren mehrere Monate vergangen. Die letzte Zeit war ziemlich ruhig und ohne Probleme vergangen. Jedenfalls fast, ein Problem hatte doch mal wieder an der Backe. Oder besser gesagt es hing nicht an der Backe, ein bisschen tiefer lag es dann schon. Und genau deshalb streifte ich jetzt durch die Wälder meinen Blick stets am Boden. Ich war schon seit Stunden unterwegs aber ich fand es nicht. Warum musste dieses verdammte Zeug auch so verflucht selten sein. Alles andere hatte ich doch auch schon zusammen nur dieses eine dumme Ding fehlte noch und zu allem Überfluss war es auch noch die wichtigste Zutat. Und kaufen konnte ich es auch nicht weil das was das Ding bewirkte strengstens verboten war. Je nachdem in welcher Gegend man sich befand konnte einen auch die Todesstrafe erwarten. Die Todesstrafe, Vogelfrei zu sein. Der Gedanke daran zauberte mir ein Grinsen auf die Lippen. Ich war es schon so lange, von allen verfolgt, verächtet, zum sterben verurteilt. Ich war mir sicher irgendwann würde mir meine Vogelfreiheit den Tod bedeuten. Aber es war mir egal. Irgendwann war nicht jetzt und bis dieses irgendwann kam würde ich meinen Spaß haben.

Weitere Stunden vergingen, das erste rot des Sonnenuntergangs war bereits zu sehen als ich mich noch ein letztes Mal bückte um eine kleine Pflanze vom Boden zu pflücken. So langsam müsste ich genug haben, es wird Zeit das ich das Zeug fertig mache. Ich suchte mir noch etwas trockenes Holz zusammen um ein kleines Feuer zu machen. Darauf stellte ich einen kleinen Topf den ich mit etwas Wasser aus einem naheliegenden Fluss füllte. Während ich wartete bis das Wasser kochte breitete ich die verschiedenen Zutaten vor mir aus. Kräuter, Beeren, Pilze zum Teil hoch giftig und bei falscher Anwendung sofort tödlich. Ich wusste nicht einmal die Namen der Pflanzen aber das war auch egal. Ich wusste wo man sie fand, wie sie aussahen, was sie bewirkten und am wichtigsten, wie man diese Wirkung nutzen konnte.
Ich begann die Zutaten vorzubereiten, trennte Blätter und Blüten von Stielen und sortierte die wirksamsten Bestandteile heraus. Als ich nach einem Zweig mit roten Beeren griff kam ich ins stocken. Von diesen Beeren brauchte ich die Kerne, die ich zermahlen musste. Ich betrachtete die Beeren sorgfältig. Das sah nicht gut aus, die Beeren waren aufgeplatzt und der Saft mitsamt den Kernen herausgelaufen. Es war kaum noch etwas von ihnen übrig. Ein breites Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Diese Zutat würde wohl fehlen aber das machte nichts. Diese Beeren hatten nur eine Wirkung, sie waren das Schmerzmittel. Das Grinsen auf meinem Gesicht verbreiterte sich. Ohne diesem Schmerzmittel würde es mir nur noch mehr Spaß machen. Ich wusste, dass man an Schmerzen sterben konnte und ich wusste das das Mittel das ich zusammenmixte Schmerzen hervorrief die einen bis zur Todesgrenze bringen konnten. Aber es war mir egal. Den Spaß dieser Schmerzen war mir das Risiko des Todes wert.

Die letzten Sonnenstrahlen verblassten gerade als ich meine Mixtur noch ein letztes mal umrührte. Das Wasser im Topf hatte eine grünlich braune, giftig aussehende Farbe angenommen und kleine Teile der Zutaten trieben noch immer darin umher. Ein bestialischer Gestank ging von dem Topf aus und ich spürte wie mir die Dämpfe des Gebräus Tränen in die Augen trieben. Ich hatte wieder mein Grinsen im Gesicht. Es roch noch schlimmer als sonst, aber das hieß im Normalfall auch, dass es besser wirkte. Ich hielt meine Nase über den Topf und verzog angewidert das Gesicht. Dieses Mal würde es ganz sicher schon beim ersten Versuch funktionieren und das war auch gut so. Es machte mir zwar Spaß, aber öfter als unbedingt notwendig sollte man das Zeug wirklich nicht trinken.
Ich stellte den Topf von der Feuerstelle und erstickte den Rest der Glut indem ich Erde darüber verteilte. Mein Gebräu musste noch ein wenig abkühlen, so heiß wie es war konnte man es noch nicht trinken. Ich nutzte also den Moment und kletterte auf einen großen Baum in der Nähe. Dort legte ich jede einzelne meiner Waffen ab und achtete darauf, dass sie auch nicht herunterfallen konnten wenn man gegen den Baum stieß. Nachdem ich mich versichert hatte, dass ich auch wirklich keine Klinge mehr bei mir trug kletterte ich wieder vom Baum herunter und sammelte alle Äste, scharfkantigen Steine und sonstige Sachen ein an denen man sich verletzen könnte. Ich durfte kein Risiko eingehen. Unter zu großen Schmerzen kamen Menschen dummerweise immer wieder auf Suizidgedanken. Deshalb musste ich alle gefährlichen Gegenstände in einem gewissen Umkreis verschwinden lassen. Oder wie meine Waffen in eine für einen sich vor Schmerzen windenden Körper unerreichbare Höhe bringen.
Als ich nach getaner Arbeit zu meinem Topf zurückkehrte war er weit genug abgekühlt. Ich setzte mich davor hin und nahm ihn in beide Hände. Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Lippen als ich das stinkende Gebräu zu meinem Mund führte. Nun denn, möge der Spaß beginnen. Ich setzte den Topf an meine Lippen an und nahm einen groß Schluck der Mixtur. Angewidert verzog ich das Gesicht als die bittere, giftig schmeckende Flüssigkeit meinen Mund füllte. Übelkeit überkam meinen Körper. Er versuchte mit allen Mitteln dieses ekelhafte Zeug loszuwerden, aber ich ließ es nicht zu. Mit aller Kraft unterdrückte ich meinen Würgreflex und schlucke das Zeug herunter. Erleichtert atmete ich auf als der Großteil dieses widerwärtigen Geschmacks meinen Mund verließ. Aber es war noch nicht genug, ich nahm weitere Schlücke des Gebräus, unterdrückte weitere Male meine aufkommende Übelkeit.

Minutenlang saß ich einfach nur da. Schweigend und bewegungslos, ich wartete. Wartete darauf, dass es begann. Ein zufriedenes Lächeln lag auf meinen Lippen als ich in den Dunklen Wald starrte, einzig erhellt durch den strahlenden Halbmond und die abertausenden Sterne über mir. Ich wartete, wartete weiter bis plötzlich eine schmerzhafte Verkrampfung durch meinen Bauchraum zuckte. Augenblicklich schlang ich reflexartig meine Arme um meinen Körper. Mein Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen, meine Augen waren weit aufgerissen, reiner Wahnsinn lag in ihnen. Ein dumpfes Lachen drang aus meiner Kehle, hallte in den dunklen Schatten des Waldes wieder. Es hatte begonnen, der Spaß hatte endlich angefangen. Ein weiterer Krampf durchzuckte meinen Körper, deutlich stärker als der letzte und ich schrie unter Schmerzen auf. Ein breites Grinsen lag auf meinen Lippen. Diese Schmerzen. Mein schrilles Lachen halte in den Bäumen wieder. DIESE HERRLICHEN GELIEBTEN SCHMERZEN. Weitere krampfhafte schmerzwellen folgten, mein schrilles Lachen wurde von schmerzerfüllten Schreien unterbrochen. Dieser Schmerz. DIESER HERRLICHE SCHMERZ.

Erste Regentropfen begannen über dem nächtlichen Wald zu fallen. Die Nässe überdeckte den metallischen Geruch der von der in Blut liegenden, winzigen, menschlich wirkenden Gestalt ausging. Meine zitternde Hand streckte sich nach der toten Gestalt aus, meine scharfen Fingernägel bohrten sich in ihren Körper. Mit einem von Wahnsinn verzerrten Gesicht starrte ich das Wesen an. "Hallo mein Kind, wie schön das ich dich endlich los bin." Ein weiterer schmerzhafter Schrei ertönte als der nächste Krampf meinen Körper durchzuckte.
Der Regen prasselte in Strömen auf das Blätterdach nieder, gepaart mit meinen schmerzerfüllten Schreien die durch den nächtlichen Wald drangen.

Das Mädchen ohne SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt