Ein Neuanfang

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-----Souta----

Und schon wieder zersprang eine Glasflasche an der weißen Mörtelwand in tausende von Splitter. Zitternd versteckte sich mein kleiner Bruder hinter mir und lugte ängstlich in das wütende Gesicht meines Vaters, der wieder einmal zu tief ins Glas geschaut hatte. „Komm her, du verdammtes Balg!", lallte er. Meine Mutter stand regungslos im Türrahmen der Küche. Sie hatte schon längst den Mut verloren etwas zu sagen und flehte nur: „Keisuke, beruhige dich doch, bitte." Und schon hatte er die nächste Flasche gegen die Wand geworfen. Meine Mutter zuckte erschrocken zusammen. „Nein! Werde ich nicht!", knurrte er. Er stank so gewaltig nach Alkohol, dass ich mir einen Würgereiz unterdrücken musste. Sobald dieser Bastard eingeschlafen war, würde ich Ren mitnehmen und an einen sicheren Ort flüchten. Wie oft war er dem Alkohol verfallen und hatte seine Wut an uns ausgelassen? Die blauen Flecken hatte ich aufgehört zu zählen. Wie oft hatter er uns versprochen die Finger von jeglichen Spirituosen zu lassen? „Los, komm her!", forderte er und streckte seine Hand aus. Ich schlug ihm die Hand weg. „Was mischt du dich ein!", brüllte er. Jetzt hatte ich genug. „Du bist erbärmlich", meinte ich mit angeekeltem Blick. „Du kleiner..!" Ich hatte Ren in meinem Arm und ergriff früher als ich geplant hatte die Flucht. „Onii-chan! Hasst Papa mich jetzt?", fragte er weinerlich. „Nein!" Wie sollte ich ihm erklären, dass er nur wieder mal betrunken war? Ich legte ihm eine Jacke um und stürmte aus der Tür, bevor er: „Bleib hier, du kleiner Bastard!" rufen konnte. Während ich mit meinem Bruder auf dem Arm lief, wählte ich die Nummer meiner Tante Mine. „Souta? Warum rufst du noch so spät an?" „Papa ist wieder mal..." Ich vermied das Wort, den Ren schaute mich wieder mit seinen großen Kulleraugen an. „Betrunken?", vollendete sie den Satz. „Ja. Können wir bei dir bleiben? Es ist auch nur für ein paar Tage." „Natürlich! Ich hole euch ab!" Tante Mine lebte eine Stunde Autofahrt von hier. „Wir warten im Park!" „Gut, Ich beeile mich. Bis dann!" Sie hatte aufgelegt.

Inzwischen hatte es begonnen zu regnen und zusammen mit meinem Bruder hatte ich unter der Rutsche Schutz gefunden. Er hatte angefangen zu weinen und drückte sein Gesicht an meine Brust. Ich wusste, wie verstörend es ist von seinem Vater so angeschrien zu werden. Auch ich hatte
das miterlebt. „Du musst nicht weinen. Ich bin da und wir fahren jetzt zu Tante Mine. Da bist du doch immer so gern." Er sah zu mir auf. „Auch zu Kazuma und Ryu?" Ich hoffte, dass seine Cousins ihn ablenken würden. „Ja", sagte ich und lächelte ihn sanft an.

Endlich saß ich auf dem Beifahrersitz des kleinen Golfs. Dank der langen Wartezeit schlummerte Ren nun seelenruhig in meinen Armen. „Dein Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte", sagte Mine mit einem kurzen Blick zu mir. Mine war 28 und eine junge, wunderschöne Frau, die ich meine Tante nennen durfte. Sie arbeitete in einer Anwaltskanzlei, war verheiratet und hatte zwei Söhne. „Danke", sagte ich leise und streichelte Ren durchs zerzauste Haar. Ich drückte ihn an mich, si als wollte man ihn mir jede Sekunde wegnehmen. „Kein Problem", sagte sie und lächelte sanft. Wir waren durchnässt und heil froh einen sicheren Platz für wenigstes eine Nacht ohne Gewalt zu haben.

Sie öffnete die Tür und lief geradewegs in die Küche. „Ich mache euch etwas zu essen", sagte sie. „Yuuta! Richte doch bitte das Gästezimmer, ja?", rief sie ihrem Ehemann zu, der im nächsten Moment in die Küche kam. „Ach, hallo Jungs!", lachte er freundlich. „Soll ich unseren Jungs Bescheid geben?" „Die habe ich vorhin zu Bett gebracht." „Okay", meinte er küsste sie und verschwand wieder. „Während ich das Abendessen mache könnt ihr ruhig ein Bad nehmen." „Danke." Ich zog meinen Bruder aus und wickelte ihn in eine Decke um ihn dann auf das Sofa zu legen. Ich wollte ihn nicht wecken.

Seufzend ließ ich mich in die Wanne nieder. Es war auch schon bei mir so. Er hatte mich damals auch schon wegen jeder Kleinigkeit geschlagen. Mein Blick wanderte im Raum herum. Von den Badeutensilien bis zu den Schminkprodukten. Ich hatte nie das schöne Familienleben, das ich mir gewünscht hatte. Und das Schlimmste war, dass er auch noch dabei war Ren zu verderben. Ich hievte mich aus dem Wasser und trocknete mich ab. Meine Tante hatte mir einen blauen Pyjama bereit gelegt. Fertig angezogen ging ich ins Wohnzimmer, in dem Ren immer noch seelenruhig schlief. Der Anblick zauberte mir ein Lächeln auf. Mit einem Handtuch trocknete ich mir meine rabenschwarzen Haare und betrat die Küche. „Wo ist Ren?" „Der schläft." Sie stellte mir einen Teller mit Geschnetzeltem vor die Nase, auf das ich mich geradezu stürzte. Zuhause wäre ich wahrscheinlich ohne Abendessen zu Bett gegangen. „Was hast du vor?" Ich sah auf. „Ich werde mir eine Wohnung suchen und das Jugendamt informieren." Ihr Blick wurde verwunderlich. „Schließlich bin ich achtzehn und Ren werde ich mitnehmen, damit er eine schöne Kindheit hat." „Meine Unterstützung hast du. Jedoch wird dein missratener Vater das wahrscheinlich nicht gefallen lassen. Übrigens ihr könnt so lange hier bleiben wie ihr möchtet." „Vielen Dank, Oba-san, Für alles." Sie lächelte und verließ mit einem „Schlaft gut" die Küche. Ich lächelte und als ich fertig war, nahm ich Ren mit mir ins Gästezimmer. Morgen würde ich mich nach einer Wohnung und einem gut bezahltem Job umschauen. Vorsichtig legte ich mich neben meinen Bruder und streichelte seinen Kopf. „Dich wird nie wieder jemand schlagen", dachte ich und schlief voller Entschlossenheit ein. Woher hätte ich wissen sollen, dass mir bald das Beste wortwörtlich vor der Tür stehen würde?

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