Ich bin bei dir ...

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  Die Geräte piepten schrill im Takt des Herzschlags meines Lebensgefährten, der an einigen Schläuchen hing. Mir lief eine Träne nach der anderen über die Wange. Ich hielt seine linke Hand, an dem ich den Ring geschoben hatte und legte sie in meine. Wenn er nicht an die Geräte geschlossen war, würde man meinen, dass er einfach nur friedlich sich schlief. Meine Augen brannten und ich wusste nicht wie oft ich ein leises „Entschuldigung" geflüstert. Er lag inzwischen seit zwei Wochen im künstlichen Tiefschlaf. Ich hatte seine Mutter im Scheidungsverfahren vertreten und sie lebte nun mit Ren und einem herzensguten Lebensgefährten in einer Wohnung.

Ich besuchte das Krankenhaus täglich. Die Schuldgefühle waren fast untragbar für mich. Ich saß stundenlang neben ihn und hoffte, dass er jede Minute seine Augen aufschlug. Jedoch schien die Hoffnung jede Minute mehr zu verkümmern.

Ich stand kurz davor einzuschlafen als ich das Zucken seines kleinen Fingers bemerkte. Hoffnungsvoll richtete ich den Blick auf. „Souta...?" Mir blieb fast die Stimme im Hals stecken. Jetzt bewegten sich seine Augenlider und ich schöpfte Hoffnung. Seine rissige Unterlippe zitterte. Plötzlich machte er ganz langsam seine Augen auf. Gott sei Dank! Ich fiel ihm um den Hals. Mit meinem Gesicht an seiner Schulter schluchzte ich sicher tausendmal seinen Namen. „Takumi...", brachte er brüchig hervor und ich spürte wie er einen Arm um mich legte. „Ich hatte solche Angst um dich, dass ich kaum noch schlafen konnte. Ich hab mich nach deiner Nähe gesehnt", schniefte ich und drückte ihn näher an mich. Er schwieg. „Dem Himmel sei Dank!" Es kam ein Arzt hereingelaufen und ich ließ von ihm ab damit sie ihn untersuchen konnten. Während sich das Krankenhauspersonal um ihn kümmerte, verständigte ich Mine und überbrachte ihr die erfreuliche Nachricht. Als mich die Ärztin wieder hereinließ, fiel ich ihm gleich wieder um den Hals. „Ich lasse dich nie wieder gehen!" Er schwieg einfach nur. „Souta?", ich löste mich und wollte ihm die Hand an die Wange legen als er plötzlich entsetzt sein Gesicht verbarg. Was war los? Hatte er etwa Angst vor mir? Angst davor, dass mir wieder die Hand ausrutschte? Traurig zog ich die Hand zurück. „Es tut mir leid", flüsterte ich leise und stand auf um das Zimmer zu verlassen. Der Arzt teilte mir mit, ich könne ihn heute Abend schon wieder mitnehmen und er drückte mir eine Cremedose in die Hand, von der ich von morgen an jeden Tag etwas auf seinem zerschundenen Rücken schmieren sollte.

Die ganze Autofahrt über schwiegen wir vor uns hin. Ich bemerkte sofort, dass Souta sich so weit wie möglich von mir weg setzte. „Du musst keine Angst vor mir haben. Ich werde dich nicht anfassen, bis du es von mir verlangst." Natürlich wollte ich ihn berühren, aber ich wollte Rücksichtnehmen. Er sah mich zögerlich an. Ich kam mir fast wie ein Monster vor. „Ist es okay, wenn ich für dich das Einschmieren übernehme?" Ich hielt ihm die Dose hin. „Du kommst wahrscheinlich schlecht dran." Er nickte und sah aus dem Fenster.

Es war inzwischen halb acht als ich die Wohnung aufsperrte und die Jungs fielen Souta geradezu in die Arme. „Wir haben dich soo vermisst!", schluchzten sie synchron und bargen ihre Gesichter in seinem Hemd. „Ich euch auch." Er hatte also nur Angst vor mir. Diese Tatsache traf mich zutiefst. Leise verabschiedete ich mich und ging zu Bett. Nach einiger Zeit ging die Tür auf und Souta trat in unser gemeinsames Schlafzimmer. Ich schrak auf, schnappte mir die Bettwäsche und wollte an ihm vorbei gehen. „Ich schlafe dann mal auf dem Sofa." Plötzlich spürte ich die Hand, die mich am Ärmel zupfte. Stumm sah ich in sein flehendes Gesicht. Ich blieb regungslos stehen und plötzlich trat er auf mich zu. „Bitte... Ich schaffe das nicht allein. Ich brauche jemand, der mich im Arm hält." Mein Herz raste beim Anblick seines süßen Gesichts. Ich nickte, ließ mich wieder auf meine Seite nieder und blieb wie erstarrt liegen. Im nächsten Moment spürte ich wieder ein Zupfen an meinem Ärmel. „Bitte nicht sie abgewandt! Ich möchte in deinen Armen einschlafen!" Er hatte also Angst vor meinen Berührungen und gleichzeitig sehnte er sich? Wie gewünscht wandte ich mich um und legte vorsichtig meine Arme um ihn. Durch das T-Shirt konnte ich die tiefen Wunden spüren. Seine Haare dufteten unglaublich gut und seinen Atem an meinem Hals zu spüren machte mich total nervös. „Ich werde dich nie wieder schlagen. Nie wieder", wimmerte ich und streichelte ihm über den Rücken. Langsam spürte ich wie sich mein Hemd mit meinen Tränen vollsaugte. „Wir lassen es ganz langsam angehen! Schritt für Schritt." „Danke." Überglücklich, dass ich ihn wieder bei mir hatte, schloss ich meine Augen.

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