Kapitel VI

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Als ich beim Flügel ankam, spielte  Lucifer die ersten Töne einer langsamen, ruhigen Melodie.
Geschmeidig und geschickt ließ er Finger über die Tasten gleiten.
Ich kannte das Lied. Es war 'Für Elise' von Ludwig van Beethoven.

Ich selbst hatte 10 Jahre Klavierunterricht, doch dann hatte ich keine Lust mehr.
Ich stellte das Glas auf dem Flügel ab und schaute Lucifer einige Zeit zu.
"Willst du mal?" fragte er irgendwann.
"Ein andern Mal gern, aber danke für das Angebot."
Lucifer hörte auf zu spielen, stand auf und betrachtete mich.
"Du siehst Gut aus. Maze hatte einen wahrlich guten Geschmack."
"Lucifer...." begann ich.
"Nenn mich ruhig Dad." unterbrach mich Lucifer.
"DAD, du wolltest mir doch noch zeigen wie du das mit der Frau im Rathaus gemacht hast."
Lucifer schmunzelte. 
"Da hast du recht. Aber doch nicht hier, vor so vielen Menschen. Wenn du willst, kannst du auf dein Zimmer gehen. Ich werde nachkommen."

Lucifer setzte sich wieder an den Flügel und spielte wieder leise eine Melodie, die ich dieses mal nicht erkannte.
Ich trank ein paar Schlucke aus dem Glas und lauschte der Musik.
Plötzlich traf mich die Sehnsucht wieder eine Melodie zu spielen.
Ich betrachtete die flinken Hände Lucifers, und am liebsten hätte ich mich dazu gesetzt.

"Dir steht der Flügel immer zur Verfügung, wenn du willst."
"Scheiße man, kannst du Gedanken lesen oder was!?"
"Nein aber Menschen erzählen mir einfach gern ihre tiefsten Sehnsüchte."

Darauf sagte ich nichts, stellte mein leeres Glas ab und wollte zum Fahrstuhl, um nach oben in mein 'Zimmer' zu fahren.
Erst jetzt merkte ich, dass die Musik aus war, denn nun dröhnte wieder der Bass in meinen Ohren. Oben angekommen kramte ich meine Kreuzkette aus der Hosentache und hängte sie mir wieder um.
Ich ging auf den riesigen Balkon und schaute abwechselnd in den dunklen Nachthimmel und auf mein Kreuz.

"Was habe ich nur getan?" murmelte ich immer wieder.
Schließlich seufzte ich tief und begann mit Gott zu reden, was mir das erste mal ziemlich dämlich vorkam.
"Vater im Himmel, ich weiß, dass meine Familie bei dir im Himmel sind, uns das es ihnen gut geht. Es tut mir wirklich sehr leid, was ich getan habe.  Aber...Was sollte ich sonst tun? Ich kann ja nicht ins Waisenhaus. Eltern würden das nicht wollen. Und...Wenn Lucifer wirklich der Herr der Hölle ist, dann wüsste ich nicht, wie ich reagieren würde.
Ich vermisse meine Familie sehr weißt du? Vor allem Luc, mein Bruder. Ich vermisse seine ständigen Kommentare und auch die Zeit, in der wir zusammen gelacht und rumgealbert haben. Ich...Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt eigentlich genau machen soll. Was meine Berufung ist...Aber ich werde den weg gehen, den du für mich vorgesehen hast."

"Du redest mit meinem Vater?" sagte eine sanfte Stimme direkt hinter mir.
Ich zuckte zusammen und drehte mich um.

Fortsetzung folgt...

Ana Morningstar Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt