“Herr Smith!”, bringt Denise verblüfft hervor. Sie starrt mich mit großen Augen an. “Wieso-”, versucht sie zu sprechen, doch bricht dann wieder ab. “Was-” Wieder schafft sie es nicht einen Satz herauszubekommen. In ihren Augen steht Verwirrung und Erleichterung geschrieben.
Das hatte ich ja komplett vergessen.
“Lass uns erstmal zum Unterricht gehen, sonst kommen wir beide noch zu spät.”, wechsle ich schnell das Thema, weil ich nicht weiss wie ich es ihr erklären sollte. Ich kann ihr schließlich schlecht die Wahrheit sagen, oder ? Ich berühre sie leicht an ihrer Schulter und lenke sie anfangs Richtung Klassenzimmer, bevor sie nach dem Schock endlich wieder fähig ist, sich von selbst zu bewegen. An der Tür angekommen öffne ich sie und lasse Denise zuerst eintreten, bevor ich ihr ins Zimmer folge. Die Klasse wird still und sieht uns beide leicht verwundert an. Denise setzt sich auf ihren Platz, während ich nach vorne zum Lehrertisch gehe. Wie gewohnt halte ich meinen Unterricht. Die Klasse verhält sich ruhig und alles scheint normal, bis auf Denise, welche mich die ganze Zeit über neugierig mustert. Als ich der Klasse Aufgaben im Buch gebe, machen sie sich scheinbar alle sofort an die Arbeit. Nurnoch das leise Kratzen der Stifte auf dem Papier ist zu hören. Ich beschäftige mich zunächst mit einigen Materialien, bevor sich ein Schüler meldet um eine Frage zu stellen. Als ich zu seinem Platz gegangen bin und sie beantwortet habe, laufe ich weiter durch den Raum und beobachte die Schüler beim Arbeiten. Dann setzte ich mich wieder vorne hin und lasse meinen Blick aus dem Fenster gleiten.
“Das ist immer noch falsch.”, ermahnte der Mann mit dem schütteren Haar den kleinen Jungen. “Ich verstehe es einfach nicht…” Der Junge schenkte den Aufgaben keine weitere Beachtung und starrte lieber aus dem Fenster auf die riesige Grünfläche. “Erwin, versuch dich zu konzentrieren.” Der Junge seufzte sehnsüchtig und wand seinen Blick zurück auf das Blatt. Er stütze seinen Kopf auf seinen Handflächen ab und schnaufte verächtlich.
“Das ist so langweilig…”, murmelte er leise vor sich hin und schmollte. Der Mann mit dem schütteren Haar lächelte und schüttelte seinen Kopf. Er beugte sich zu seiner Tasche, kramte ein altes, dickes Buch hervor und knallte es auf den Tisch. “Was ist das ?”, fragte der Kleine neugierig. Sein Interesse war endlich geweckt worden. “Geschichte. Ich dachte mir, dass es vielleicht interessanter ist, als dieser trockene, langweilige Kram den man vorgeschrieben bekommt.” Der Junge klappte den Deckel auf. Es war ein Tagebuch eines Abenteurers. “Wow, woher hast du das ?”, fragte der Kleine mit glitzernden Augen. Der Mann begann zu Grinsen.“Das darf ich nicht sagen.” “Och man, ich sag es auch nicht weiter! Versprochen!” “Ganz bestimmt ?” “Ja!” Der Mann begann herzlich zu lachen. “Das bleibt aber unser kleines Geheimnis, ja ?” Der Kleine nickte eifrig, seine Augen strahlten vor Begeisterung. “Also gut…”
Die schöne Erinnerung lässt mein Herz schwer werden. Ich habe das Alles hier nur Arthur zu verdanken. Ich schweife mit meinem Blick durch den Raum und bleibe prompt an Denise' neugierigen Augen hängen. Schnell wendet sie sich wieder ihrem Blatt zu, in der Hoffnung, dass ich ihr durchbohrendes Starren nicht bemerkt habe. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sie Ruhe geben wird, ehe ich ihr nicht die Wahrheit sage. Schließlich sieht man nicht alle Tage einen Lehrer, der mit einer Waffe bedroht wird und das Ganze auch noch scheinbar unbeschadet überlebt. Aber was soll ich ihr sagen ? Dass ich der Sohn eines Mafiabosses und nun, nach seinem Tod, sein rechtmäßiger Nachfolger bin ? Dass ich von einem Freund aus meiner Kindheit bedroht wurde, nur um zu meinem Elternhaus zurückzukehren, welches ich vor 13 Jahren gezwungenermaßen den Rücken kehren musste, um es persönlich zu erfahren ? Klingt nicht sehr plausibel. Ich atme leise und schwer aus und reibe mir etwas verzweifelt die Stirn.
Wieso musste das Ganze ausgerechnet jetzt passieren ?
Es klingelt. Ich beende den Unterricht und mache mich schnell auf den Weg zum Lehrerzimmer, wo ich schließlich die folgenden Stunden in denen ich keinen Unterricht halten muss, verbringe. Später laufe ich dann zur Sporthalle. Heute werde ich das erste Mal Sport unterrichten. Da Frau Kirschbaum auch die Klasse 11c in Sport unterrichtete, übernehme ich jetzt ihre Rolle als Sportlehrer. Ich betrete die Turnhalle und laufe zu den Lehrerumkleiden. Die Sporthalle sieht zwar von außen ziemlich heruntergekommen aus, dafür ist sie von innen sogar ziemlich modern. Als ich mit umziehen fertig bin, betrete ich die Halle. Die Schüler warten bereits auf mich, unterhalten sich miteinander oder jagen sich gegenseitig quer durch die Halle. Ich pfeife einmal, um die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Sofort sind alle still und ihre Augen auf mich gerichtet. “5 Minuten einlaufen. Los gehts.” Die Klasse beginnt sofort wie angesagt mit dem Einlaufen. Ich habe echt keine Ahnung warum Frau Schmidt so ein Aufstand gemacht hat, als sie erfuhr, dass ich diese Klasse unterrichten werde. Das war vollkommen unberechtigt. 5 Minuten später, stehen sie wieder vor mir und sehen mich erwartend an. Die restliche Stunde lasse ich sie größtenteils Spiele spielen, da es unsere erste gemeinsame Sportstunde ist. Natürlich wünschen sie sich Fußball. Als ich zustimme, kann ich deutlich das glückliche Strahlen in Denise’ Augen sehen.
Genauso ging es mir auch, als ich noch kleiner war.
So wie ich erwartet hatte, spielt Denise toll, was wahrscheinlich daran liegt, dass sie so oft übt. Es ist schön ihr dabei zuzusehen. Denise legt einen weiteren Sprint ein und schnappt einem Jungen mit blondem Haar den Ball direkt vor der Nase weg. Sie ist extrem schnell, doch auf dem Weg zum Tor luchst ihr ein anderer Junge den Ball ab, wobei sie bei dem Versuch ihn bei sich zu behalten, falsch mit ihrem Fuß aufkommt. Während die Anderen einfach weiter nach vorne stürmen, stoppt sie abrupt und humpelt einen Moment später langsam hinterher. Sofort renne ich auf sie zu während ich die Anderen weiterspielen lasse.
“Denise, ist alles in Ordnung ? Hast du dich verletzt ?” Sie dreht sich zu mir um und quält sich ein schwaches Lächeln auf die Lippen, welches jedoch bereits einen Augenblick später wieder zerbricht, als sie mit ihrem Fuß auftritt. Beinahe hätte sie ihr Gleichgewicht verloren, hätte ich sie nicht im letzten Moment mit einem Arm aufgehalten. Sie zieht scharf die Luft ein vor Schmerz. Die Ersten drehen sich schon nach uns um und beginnen zu starren, weshalb ich ihnen ein “Spielt weiter!” zurufe und Denise langsam an den Rand bringe. “Tut dein Knöchel weh ?” Als Antwort auf meine Frage gibt sie nur ein stummes Nicken von sich und setzt sich auf eine der Bänke. Ich kniee mich vor ihr hin. “Der hier ?”, frage ich sie und nehme behutsam ihren Rechten Fuß in die Hand. Wieder zieht sie scharf die Luft ein und verzieht ihr Gesicht. “Und wenn ich hier drücke ? Tut das weh ?” “Es geht…” “Ich hole dir jetzt etwas zum Kühlen. Lege den Fuß am besten ein bisschen hoch. Ich bin gleich wieder da, ok ?” Sie bestätigt mit einem Nicken und ich kehre einen Augenblick später wieder zurück. Nachdem ich ihr einen Kompressionsverband angelegt habe, um ein starkes Anschwellen des Gelenks zu vermeiden, lege ich ihr das Kühlpack an den Knöchel um ihre Schmerzen zu lindern.
Denise geht es eine Weile später etwas besser, doch weiterspielen kann sie nicht. Am Ende der Stunde, als sich alle auf den Weg zu den Umkleiden machen, fange ich sie nocheinmal ab. “Denise, du solltest am besten einen Arzt aufsuchen, um sicher gehen zu können, dass es nichts Ernstes ist.” “Ok.” “Wie kommst du nach Hause ? Wirst du gefahren ?” “Nein, ich fahre eigentlich mit dem Bus, aber wegen der Umleitung muss ich halt ein paar Stationen laufen.” “Soll ich dich mitnehmen ? Ich kann dich auch gleich beim Arzt vorbeifahren.” “N-nein, nein, ist schon okay.”, antwortet sie hastig und wird etwas verlegen. “Willst du wirklich das ganze Stück laufen ? Das ist ziemlich weit.” “Naja…” “Du solltest dein Gelenk wirklich nicht überanstrengen, sonst könnte es schlimmer werden. Vorallem wenn es sich um einen Bänderriss handelt.” Sie ist einen kurzen Moment lang still, um nachzudenken bevor sie mir schließlich antwortet. “I-ist das denn wirklich okay ?” “Natürlich. Ich warte am Ausgang auf dich.” “Okay.”
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Hallo >~<
Hab es nach langer Zeit wieder geschafft. Ich hoffe es gefällt euch ^^LG - DeadlyCross666 <3
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The Path Behind Us
FanfictionErwin Smith wird an einem Gymnasium als Lehrer angenommen und kann endlich das machen, wovon er schon immer geträumt hatte. Alles scheint gut zu laufen, bis ihn schließlich seine dunkle Vergangenheit wieder einzuholen droht. Sein Vater wird ermordet...