Der Anruf

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Alle Schüler haben bereits die Halle verlassen, als Denise langsam die Treppe hinunter humpelt. Ich laufe ihr entgegen und stütze sie, um ihr dabei zu helfen. Sie murmelt ein leises „Danke“ und wird dabei leicht rot im Gesicht. Auch als sie sich die Stiefel anziehen will, helfe ich ihr dabei, wobei ich ihren anfänglichen Protest einfach ignoriere. Nachdem wir die Halle verlassen haben, schließe ich sie schnell ab und wir laufen gemeinsam zu meinem verlassenen Auto. Ich öffne ihr die Beifahrertür und setze mich dann, nachdem sie eingestiegen ist, auf den Fahrersitz. Das Auto startet und nur einen kurzen Augenblick später befinden wir uns bereits auf der Straße. „Geht es... Ihnen gut ?“, fragt Denise nach einem Moment der Stille plötzlich aus heiterem Himmel. Ich wage einen kurzen verwirrten Blick zur Seite und sehe wie sie mich prüfend ansieht.

„Warum sollte es mir nicht gut gehen ?“, will ich der Frage schnell ausweichen, doch sie lässt nicht locker. „Ich hab doch gesehen was passiert ist. Außerdem sehen Sie müde aus.“ „Das bin ich auch.“ Es ist eine Zeit lang still bevor sie vorsichtig weiter fragt. „Wollen Sie mir… denn gar nicht sagen was passiert ist ?“ „Du kannst die Formalitäten weglassen. Nenn mich einfach Erwin.“ „Dann… Willst du mir also nicht sagen was passiert ist ?“ „Ja, es ist das Beste für dich so wenig wie möglich zu wissen. Ich will dich nicht noch weiter mit da hineinziehen.“ Sie schweigt. Man kann ihr deutlich ansehen, dass sie noch lange nicht mit fragen fertig ist und nahezu platzt vor Neugier. Einige Zeit später kommen wir beim Arzt an. Offenbar handelt es sich um nichts Ernstes, worüber sowohl Denise als auch ich sehr erleichtert sind. Der Arzt kümmert sich um ihren Fuß und gibt ihr eine Sportbefreiung, worüber sie nicht sonderlich erfreut zu sein scheint. „Wo wohnst du eigentlich ?“, frage ich sie, als wir wieder auf dem Weg zu meinem Wagen sind. „In der Nähe vom Förster.“ “So weit weg ? Wie lange fährst du da immer mit dem Bus ?” “Es geht eigentlich… 45 Minuten oder so.” “45 Minuten ?” “Ja, so ungefähr…” Wir beide steigen wieder ins Auto und fahren los.

Plötzlich klingelt mein Handy. Ich will es erst einfach ignorieren, doch es hört einfach nicht auf. Als wir schließlich an einer roten Ampel stehen hebe ich ab. „Hallo ?“ Zunächst ist nur ein schweres Hecheln auf der anderen Seite zu hören, bis sich eine schwächelnde Stimme erhebt. „Hey... Erwin…“ „John ?“, frage ich etwas verwirrt als ich seine Stimme erkenne. Denise blickt mich interessiert an. „Ja… ich bin es. Bist du… gerade in der Schule ?“ Seine Stimme klingt brüchig und versagt mehrmals. Man kann hören wie er immer wieder scharf Luft einzieht. „Nicht ganz, ich bin schon unterwegs. Ist was passiert ?“

„Kannst du... mich vielleicht... abholen ? Ich bin bei dieser... komischen Eisdiele… die mit der Eisfigur… die so eine hässliche Fratze hat… am anderen Ende der Stadt...“ „Die in der Nähe des Schrottplatzes ?“ „Ja… “ „Ich muss aber vorher noch-“ „Bitte… beeil dich.“ Ich überlege einen kurzen Moment, bevor ich ihm antworte. „Ok, ich bin gleich da. Bis gleich.“ Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Das kann nichts Gutes bedeuten. „Denise, ist es ok wenn wir einen kleinen Abstecher machen ? Ich muss noch jemanden abholen.“ „Kein Problem.“, gibt sie nur kurz von sich, woraufhin ich schnell rechts abbiege und mich auf den Weg zu der Eisdiele mache. Den Fakt, dass dieser Teil der Stadt nicht gerade für seine Familien- und Menschenfreundlichkeit bekannt ist, beruhigt mein Gewissen nicht gerade. Auch nicht die Tatsache, dass dort in der Nähe der Anschlag war.

Der, der meinen Vater in den Tod riss.

„Wer war das ?“, fragt sie leicht zögerlich. Ich denke kurz nach, ob ich es ihr wirklich sagen sollte, ehe ich ihr schließlich antworte. „Kannst du dich noch an den Mann mit den braunen zurückgegelten Haaren erinnern, der dich angeschrien hat ?“ Ich wage einen kurzen Blick zur Seite und kann Denise entsetzten Gesichtsausdruck sehen. „Ihn holen wir ab.“ „Aber, hat er nicht zu den Typen gehört, die dich mit einer Waffe bedroht haben ?!“, entgegnet sie fassungslos und scheint nicht mehr ruhig sitzen bleiben zu können. „Ja, hat er.“ Denise schweigt kurz, sichtlich aufgewühlt. „Wieso machst du das dann ?“
Ich halte kurz inne und wende kurz meinen Blick von der Fahrbahn um ihn auf sie zu richten. Ich sehe sie einen Moment lang an, ehe ich mich wieder abwende und meinen Blick wieder nach vorn lenke. „Ich weiß es nicht.“

Einige Minuten später kommen wir an. Die Straßen sind leer, die Häuser scheinen verlassen. Es wirkt nahezu so, als wären wir in einer Geisterstadt. Langsam fahre ich vor, bis ich schließlich seinen schwarzen Porsche Turbo entdecke. Ich parke mein Auto und verharre kurz, um die Umgebung auf irgendwelche lauernden Gefahren zu mustern. „Bleib im Wagen.“, befehle ich Denise, bevor ich aus meinem Auto steige und die Fahrertür hinter mir schließe. Auf dem Weg zu John's Porsche sehe ich mich immer wieder um, um hundertprozentig sicher zu gehen, dass mir keine Falle gestellt wird. Als ich endlich beim Wagen ankomme, erstarre ich.

Es sind sowohl in der Scheibe, als auch in der Fahrertür Einschusslöcher zu sehen und auf dem Boden ist Blut.

Zunächst sind es nur ein paar Tropfen, doch als ich der Spur weiter mit meinen Augen folge, werden die Flecken immer größer. Schlechte Erinnerung wellen wieder in mir auf. Mein Bauchgefühl hatte also Recht. Erneut blicke ich mich um, ehe ich der Blutspur langsam in eine dunkle Gasse folge. Meine Hände sind zu Fäusten geballt, bereit zuzuschlagen wenn es nötig ist. Mein Körper ist angespannt. Es riecht fürchterlich. Der Geruch von Vergammeltem Essen und Verwesenden Kadavern lässt mich kaum atmen. Überall liegt Müll und tote Ratten. Zumindest vermute ich, dass es sich einmal um Ratten gehandelt hat. Als ich an ihnen vorbei tiefer hinein gehe, schrecke ich einen Schwarm Fliegen auf, welcher laut brummend an mir vorbei surrt. Plötzlich höre ich ein lautes, schmerzerfülltes Keuchen, tiefer im Dunklen verborgen. Sofort renne ich los, als ich ihn erblicke. „John!“ Er sitzt zusammengekrümmt am Boden und ist komplett bleich. Kalter Schweiß läuft ihm seine in Falten gelegte Stirn hinunter. Mit einem Arm hält er sich seinen Oberarm, während er sich mit dem anderen sein Bein hält. „Was ist passiert ?“, frage ich und beuge mich zu ihm runter. „Erzähle ich… dir später… Wieso… hat das… so lang gedauert ?“ „Ich habe noch eine Schülerin zum Arzt gebracht. Lass uns dich erstmal hier raus bringen.“ Erst als ich versuche ihm auf zu helfen, sehe ich wie schlimm es ist. Seine Ärmel und das linke Hosenbein sind vollkommen durchtränkt mit Blut. Auch sein sonst weißes Hemd hat sich in ein purpurrot verfärbt. Als ich versuche seinen Arm über meine Schulter zu legen ächzt er schmerzerfüllt. Er schafft es noch nicht einmal mehr sich auf die Beine zu bekommen. Ich hab absolut keine Ahnung wie ich es schaffen soll ihn alleine hier raus zu bekommen ohne ihn- „Erwin ?“ ertönt plötzlich Denise' Stimme aus dem Licht auf der anderen Seite der Gasse. “Hab ich dir nicht gesagt, dass du im Wagen bleiben sollst ?!”, zische ich ihr vorwurfsvoll entgegen. Langsam kommt sie in die Gasse gelaufen, wobei sie genau aufpasst wo sie hintritt. Den Ärmel ihres Pullis hält sie sich vor die Nase, um den Gestank besser ertragen zu können. “Du bist aber plötzlich in diese Gasse verschwunden und bist einfach nicht wieder gekommen. Und als ich nach dir sehen wollte, hab ich Blut bei dem Auto gesehen, also-”

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Haha, fieser Cut, ich weiß XP
Viel Spaß euch noch! \(*v*)/

The Path Behind UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt