Auf dem Parkplatz angekommen, stelle ich den Wagen ab. Ich krame meine Sachen zusammen, steige aus dem Auto und werde vom munteren Treiben der Schüler endlich wachgerüttelt.
Ich sollte nicht so viel darüber nachdenken, schließlich bringt mich das auch nicht weiter. Ich weiss ja noch nicht einmal, wieso sie mich überhaupt verfolgt haben. Sollen sie mich nur überwachen ? Oder wollen sie mir etwas antun ? Wer hat sie angeheuert ?
Es schwirren einfach viel zu viele Fragen in meinem Kopf herum, die mich verrückt machen.
Aber was soll ich schon machen, wenn ich noch nicht einmal ihr Motiv für ihr Handeln kenne ?
Alles was ich vorerst tun kann, ist vorsichtig zu sein und mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Nachdem ich meinen kleinen Wagen verschlossen habe, laufe ich auf den Haupteingang zu und wage einen Blick auf die Uhr. Kurz nach Sieben. Ich atme noch einmal tief durch und trete in das Gebäude ein. Wo war gleich nochmal das Lehrerzimmer für Geschichtslehrer ? Für mich ist das alles hier immer noch ein bisschen wie ein verwirrendes Labyrinth. Zu meinem Glück finde ich es am Ende doch, im 2. Stock am äußeren Flügel. Da ich noch keinen Schlüssel besitze um die Tür zu öffnen, klopfe ich an und warte ab. Nur wenige Augenblicke später öffnet sich bereits die Tür einen Spalt breit und eine um die dreißig wirkende Frau lächelt mir freundlich entgegen. “Oh, sie müssen Herr Smith sein! Kommen sie doch rein!”, sagt sie mit einer einladenden Geste und bedeutet mir einzutreten. Ich nicke ihr dankbar zu und betrete das Zimmer. Mehrere zusammengeschobene Tische, Ablagen für Arbeitsmaterialien, eine Kaffeemaschine und ein weiterer Lehrer befinden sich hinter der Tür in dem gelb gestrichenen Zimmer. “Hier ist ihr Schreibtisch. Die beiden Ablagen gehören ihnen, und hier ist ihr eigener Schlüssel.” Sie streckt mir ihre Hand entgegen, von der ein etwas mickrig wirkender Schlüssel baumelt und lächelt mich weiterhin breit an. Ich greife danach und bedanke mich bei ihr. “Ich bin übrigens Frau Schmidt und der nette Herr da drüben ist Herr Grießmann.” Der etwas ältere Mann mit dem grauen Haarkranz nickt mir anerkennend zu. Zögerlich erwidere ich die Geste, als ich ihn das erste Mal genauer betrachte. Komplett unvorbereitet trifft mich sein Anblick wie ein Blitz. Sein graues schütteres Haar und sein Gesicht. Seine vom Alter getrübten Augen. Seine stark ausgeprägten Sorgen- und Lachfalten.
Er sieht genauso aus wie er.
Ein beklemmendes, nahezu erstickendes Gefühl, breitet sich langsam wie ein Gift in meinem Körper aus. Wieder schwirren Erinnerungen in meinem Kopf herum und ziehen mich in ihren Bann. Die leblosen, starren Augen. Das schmerzverzerrte Gesicht. Das Blut. Der Gestank. Mit einem Schlag kommt alles wieder, alles, was ich die ganze Zeit versucht habe zu verdrängen.
“Ich hoffe, dass wir uns gut verstehen werden und dass sie sich schnell bei uns einarbeiten.”
Ich blinzle. Als ich dem betagten Mann erneut ins Gesicht sehe, lächelt mir dieser gutherzig entgegen. Endlich verschwinden die grauenhaften Bilder wieder aus meinem Kopf. Jegliche Ähnlichkeit ist ihm aus seinem Gesicht gewichen. Was ist nur los mit mir ? Wieso kommen diese ganzen Errinerungsbruchstücke ausgerechnet jetzt wieder hoch ?
Als Antwort auf die Aussage des Mannes versuche ich nur dankbar zu lächeln, was mir aber nur mehr oder weniger gut gelingt. Ich breite die Arbeitsmaterialien auf meinem Schreibtisch aus und bereite mich weiter auf den Unterricht vor. Kurz vor Stundenbeginn, mache ich mich auf dem Weg zum Zimmer 211. Dort habe ich nun mit der 11c Unterricht. Auf diesen einen Moment, habe ich Jahre lang hingearbeitet. Endlich darf ich Schüler unterrichten. Ich öffne die Tür und trete ein. Die Klasse wird plötzlich leiser. Nur noch ein leises Murmeln und einige Zwischenrufe sind hier und da zu hören. Alle machen sich zurück an ihre Plätze und packen ihre Materialien für den Geschichtsunterricht mit mir aus. Als ich vorne stehe und ihre Gesichter genauer mustere, kommen mir einige bereits bekannt vor. Die meisten von ihnen sind mir schon auf dem Schulhof begegnet. Als mein Blick auf die 3. Reihe fällt, muss ich ein Lächeln unterdrücken. Das kleine Mädchen von gestern ist auch hier! Aber ist sie wirklich eine 11. Klässlerin ? Dabei ist sie doch mindestens 2 Köpfe kleiner als ich… Sie dreht sich nach hinten um und redet mit einem anderen blondhaarigen Mädchen, als ihre Banknachbarin ihr plötzlich einen Stoß mit den Ellenbogen in die Rippen versetzt. Das Mädchen guckt verwirrt ihre Banknachbarin an, woraufhin diese ihr etwas ins Ohr flüstert. Daraufhin richtet sie ihren Blick nach vorn und versteift sich. Sie scheint wohl bemerkt zu haben das ich sie beobachte. Sie schenkt mir einen erwartungsvollen Blick und bekommt leicht rötliche Wangen. Wieder muss ich ein Lachen unterdrücken und setze stattdessen mein ernstes Gesicht auf. Ich richte mich auf und stelle mich vor die Klasse. Schlagartig wird es ruhig und alle erheben sich mit einem lauten Knarzen von den Stühlen. “Guten Morgen.” “Guten Morgen!” “Setzen.” Erneutes Knarzen, dann Stille. “Hallo, ich bin Herr Smith und werde euch ab heute in Geschichte und Sport unterrichten.” Ich nehme mir ein Stück Kreide und schreibe meinen Namen in die obere Ecke der Tafel. “Was ist denn mit Frau Kirschbaum passiert ?”, fragt mich ein Junge mit braunen, in einen Dutt gefassten Haaren aus der ersten Reihe. “Frau Kirschbaum hat Schwangerschaftsurlaub. Bei mir wird sich übrigens im Unterricht gemeldet, Hannes.” Der Junge sieht mich etwas überrascht an, als ich ihm beim Namen nenne und das Gemurmel beginnt wieder den Raum einzunehmen. “Gibt es noch irgendwelche Fragen ?”, bringe ich die Klasse wieder unter Kontrolle. Der Junge aus der ersten Reihe meldet sich. Mit einem Kopfnicken bedeute ich ihm, dass er reden darf. “Woher wissen Sie meinen Namen ?” “Nun ja, es wäre schon wunderlich ihn nicht zu kennen, nachdem dein Klassenkamerad deinen Namen durch das ganze Klassenzimmer gebrüllt hat.” Ich muss mich wirklich zusammenreißen, als ich den Gesichtsausdruck von Hannes sehe. Deuten kann ich ihn nicht wirklich, aber man kann erkennen, dass es ihm zumindest ein bisschen unangenehm ist. Die Blicke der Schüler sind nun alle auf einen Jungen aus der 3. Reihe gerichtet. Der Junge der vorher noch lauthals rumgebrüllt hat wird knallrot bis zu den Ohren und gibt ein nervöses Lachen von sich. Dumme Kommentare fliegen hier und da durch den Raum und der Lärmpegel steigt vernehmlich. Langsam beruhigt sich die Klasse wieder ein wenig, sodass ich die Gelegenheit nutze und fortfahre. “Weitere Fragen ? Nein ? Gut, dann fahre ich jetzt mit dem Unterricht fort. Mir wurde mitgeteilt, dass ihr bei….
~
Ein Läuten beendet die Stunde nach exakt 45 Minuten. Genau wie geplant habe ich alles geschafft, was ich diese Stunde vor hatte. Zufrieden gehe ich wieder zu dem Lehrerzimmer und setzte mich auf meinen Platz. Die nächste Stunde habe ich keinen Unterricht, dannach Geschichte mit einer 9. Klasse. Plötzlich wird die Tür zum Lehrerzimmer aufgerissen und Frau Schmidt kommt herein gestürmt. “Ich hab gehört Sie hatten Unterricht mit der 11c! Ich kann es nicht fassen, dass sie ausgerechnet diese Klasse als erstes erhalten! Dabei haben Sie doch gerade erst angefangen! Aber erzählen Sie erstmal! Wie war es ?” Verwirrt und leicht irritiert antworte ich ihr wahrheitsgemäß. “Es lief ganz gut, schätze ich.” “Wirklich ? Da haben mir Kollegen schon was ganz anderes berichtet… Natürlich gibt es noch schlimmere Klassen, aber wenn sich ein Lehrer bei ihnen unbeliebt macht, kann er sich auf was gefasst machen…” “Ich habe keine Ahnung, wer diese Kollegen sind oder was sie erlebt haben, aber auf mich macht die Klasse keinesfalls einen feindseligen Eindruck. Ganz im Gegenteil sogar.” Frau Schmidt sieht mich etwas verdattert an und gibt dann ein leises “Ist das so…” von sich.
Der Rest des Tages verläuft eher ruhig. Die Stunden vergingen ohne größere Vorfälle und in den Pausen habe ich mich gut mit Frau Schmidt und Herr Grießmann unterhalten können. Auch die anderen Lehrer die ich angetroffen habe, waren überaus freundlich zu mir und hießen mich herzlich willkommen.
Inzwischen ist es bereits nach 17 Uhr. Nicht mehr viele Lehrer befinden sich noch im Gebäude und noch weniger Schüler. Während die meisten sich bereits auf dem Weg nach Hause gemacht haben, wurde ich vom Direktor eingewiesen. Ich habe einen genauen Überblick über die Abläufe an dieser Schule erhalten und auch was die Schulregeln betrifft, habe ich einiges erfahren. Nun sitze ich an meinem Schreibtisch und gehe nochmal meine Notizen durch um zu kontrollieren ob ich auch wirklich nichts vergessen habe. Scheint noch alles da zu sein. Etwas erschöpft lehne ich mich zurück und massiere meine leicht verspannte Schulter. Das war es dann wohl für heute. Ich packe mein Zeug zusammen und mache mich auf dem Weg zum Haupteingang. Als ich die Tür öffne, weht mir eine angenehme kühle Brise entgegen und streichelt über mein Haar. Ich atme die frische kalte Luft mit einem tiefen Atemzug ein und finde mein Auto auf den bis auf ein paar weiteren Autos leeren Parkplatz. Als ich nur noch wenige Meter von meinem Auto entfernt bin, fällt mir ein schwarzer Mercedes ins Auge. DER schwarze Mercedes.
Sowohl der Fahrer, ein glatzköpfiger Mann mit hünenhafter Figur, als auch der Beifahrer mit schwarzem, glatt zurückgegeltem Haar und einer auffälligen Narbe an seiner rechten Augenbraue, steigen aus dem Wagen und öffnen einem dritten Mann die Tür. Der Dritte hat braunes, zurückgegeltes Haar und ein kantiges, strenges Gesicht. An seiner Hand sitzen 2 protzige Ringe, in der anderen hält er einen schwarzen Gehstock, mit dem Kopf eines goldenen Pumas, dessen Augen mit grünen Edelsteinen besetzt sind und einem eingebrannten Emblem, was ich nicht erkennen kann. Obwohl ich weiss, dass es nutzlos ist, verschnellere ich meine Schritte um es rechtzeitig zu meinem Wagen zu schaffen. Doch wie erwartet, vergebens. “Erwin Smith, der Sohn einer der Größten Bosse des Untergrunds rennt wie ein kleines Mädchen davon. Du bist eine Schande für deine Familie.” Ich erstarre und höre die immer näher kommenden Schritte in meinem Nacken. Langsam drehe ich mich zu ihnen um. “Was wollt ihr von mir ?”, frage ich grimmig und starre dem braunhaarigen Mann direkt in die Augen. “Jemand würde gern ein Schwätzchen mit dir halten, Erwin. Deshalb wollen wir dich nur ganz kurz ausborgen.”, sagt der braunhaarige Mann mit dem selben sarkastischen Ton wie vorher. “Und wer soll dieser “Jemand” sein ?” “Eduard.”
Mein Herz scheint für einen Moment stehen zu bleiben und mein Magen fühlt sich schwer an. “Ich will nichts damit zu tun haben.” Ich will mich gerade wieder zu meinem Auto umdrehen, als er mir seinen Stock in die Brust bohrt. “Das war keine Frage, Erwin. Außerdem wirst du deinem Sandkastenfreund doch wohl nichts abschlagen oder ?”
Das ist doch nicht möglich…
“John ?!”
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Hat wieder ziemlich lange gedauert es hochzuladen... ^^;
Tut mir Leid Denise >~<Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen! Viel Spaß noch auf WP! ;)
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The Path Behind Us
FanficErwin Smith wird an einem Gymnasium als Lehrer angenommen und kann endlich das machen, wovon er schon immer geträumt hatte. Alles scheint gut zu laufen, bis ihn schließlich seine dunkle Vergangenheit wieder einzuholen droht. Sein Vater wird ermordet...