Objekt 242

Drei

Niall Horan erwachte an diesem Morgen so müde, dass er sich am liebsten umgedreht und einfach weitergeschlafen hätte. Doch das ging nicht. Es war schließlich Samstag. Die meisten Menschen konnten heute ausschlafen, aber nicht er. Nicht jemand, der, wie in seinem Fall, ein gut gehendes Restaurant führte. Niall war von Beruf ursprünglich ein Einzelhandelskaufmann und daher ein Quereinsteiger. Nichtsdestotrotz kam sein Konzept sehr gut bei den Kunden an, vor allem bei denjenigen, die etwas mehr Geld in der Tasche hatten. Deshalb musste er jetzt auch raus aus den Federn und in die Großmarkthalle, sonst waren die besten Zutaten ausverkauft. Das konnte er sich nicht leisten, hatte für heute Abend doch eine große Runde wichtiger Herrschaften einen Tisch reserviert.

Nicht ganz so motiviert wie sonst, schwang er die Decke zurück und seine Beine aus dem Bett. Sein erster Gang führte ihn zur Toilette, bevor er sich in der Küche eine große Schale aus dem Schrank nahm und sie mit Müsli füllte. Seit das Thema Ernährung sein Lebensinhalt geworden war, achtete er selbst enorm darauf. So aß er sein Müsli in aller Ruhe und trank dazu einen grünen Tee. Anschließend packte er seine Sporttasche mit der Absicht, nach dem Einkauf ins Fitnessstudio zu fahren. Eigentlich war er ein Läufer, der sich gut und gerne damit zufrieden gab, seine Runden im Park zu drehen. Doch vor einigen Wochen hatte sein Kumpel und Geschäftspartner Darragh ihn darauf hingewiesen, dass er etwas schlaksig war und sich eventuell ein paar Muskeln antrainieren sollte. Gezogen hatte der Spruch erst mit dem Beisatz, dass er dann bei Frauen sicher mehr Erfolg hätte. Diesbezüglich sah es bei Niall nämlich meist mau aus. Erstens interessierten sich wenig Frauen für ihn, vor allem, wenn sie erst einmal den großen und durchtrainierten Darragh zu Gesicht bekommen hatten. Und zweitens war Niall schrecklich wählerisch. Aber dies war eine andere Geschichte.

So kam es, dass er nach dem Frühstück und einer Katzenwäsche die Sporttasche in seinen Range Rover lud und sich auf den Weg zur nächstgelegenen Fischzucht machte.

Das Konzept seines Restaurants war einfach, aber originell und auf Regionalität ausgelegt. Die Kunden zahlten einen Festpreis für das Essen, die Getränke berechnete er extra. Sie konnten wählen zwischen einem Drei-Gänge-Menü und einem Fünf-Gänge-Menü. Für jeden Gang gab es drei Auswahlmöglichkeiten. Eine mit Fleisch, eine mit Fisch und eine Vegetarische. So konnten sich die Kunden ihr Menü selbst zusammenstellen und Niall bot sich die Möglichkeit, regionale Bauernhöfe und dergleichen zu unterstützen.

Außerdem gelang es ihm, seine teilweise nicht so günstigen Gänge zu einem deutlich niedrigeren Preis anzubieten, als die Konkurrenz das tat. Er kaufte den Bauern mit Vorliebe das Gemüse ab, das sie sonst zu Viehfutter verarbeitet hätten, weil es dem EU-Standard nicht entsprach. Der mit Abstand beliebteste Gang war vegetarisch. Selbstgemachte Ravioli mit Trüffelfüllung und Steinpilz-Sahnesoße. Nichts, was Niall selbst oft aß, Sahne stand nicht auf seinem Muskeln orientierten Plan für die nächsten Monate.

Und eins galt es noch zu erwähnen: Nialls Restaurant war auch deshalb bekannt, weil Darragh und er das Essen, das übrig blieb, nicht wegwarfen, sondern es kostenlos an Bedürftige verteilten. Preislich gesehen konnten sie es sich leisten und ihrem Image gab das einen gehörigen Putsch in die richtige Richtung. Viele Zeitungen hatten deshalb über das Restaurant berichtet, wodurch der Name an Bekanntheit gewonnen hatte. Schließlich lag es etwas außerhalb der Innenstadt, wo nicht Hunderte Menschen Tag für Tag vorbei liefen.

Bei der Fischzucht angekommen wurde Niall freundlich und mit seinem Vornamen begrüßt. Er war mit den Eigentümern per Du, was ihm ebenfalls noch einmal einen Rabatt einbrachte. Doch der Fisch hier war stets den vollen Preis wert. Das stellte er fest, als er seine bestellte Ware in Augenschein nahm. Zwanzig Kilo frisch geräucherte Forelle. Allein beim Anblick lief einem das Wasser im Mund zusammen.