Der Inspektor führte ihn in einen spärlich eingerichteten Nebenraum. Außer der mickrigen Deckenlampe, einem Tisch mit dem üblichen Notizblock darauf und zwei Stühlen gab es hier nichts. Falls es in der Realität genauso war wie bei den vielen Krimi-Serien, die er regelmäßig über einen Streaming-Dienst sah, war dieser Raum verwanzt und hinter der vermeintlichen Wand stand das Team des Inspektors, angeführt von Antonia Carewell. Niall schauderte es noch immer bei dem kalten Blick in ihren Augen, als sie ihm die Handschellen angelegt hatte. Sie mochte freundlich aussehen und einen sympathischen Nachnamen tragen, doch sie war ein Profi. Genau wie ihr Vorgesetzter, der in der Zelle keine fünf Sekunden gebraucht hatte, um ihm die Handschellen wieder anzulegen.
„Bitte setzen", wies William Niall in diesem Moment an und nahm seinerseits auf der anderen Seite des Tisches Platz. Nachdem der Ire dieser Aufforderung nachgekommen war, fragte der Inspektor: „Nun, ich denke, Sie sollten anfangen, falls es etwas gibt, dass Sie zu unserem letzten Gespräch sagen möchten."
Gespräch ist wohl kaum der richtige Ausdruck, dachte Niall, doch er sprach es nicht aus. Seine Situation war verzwickt genug, er sollte absolut nichts tun, was den Inspektor weiter provozieren könnte. Stattdessen antwortete er also: „Ich kann nur wiederholen, dass hier ein Komplott gegen mich vorliegen muss. Weder war der Porsche in meinem Besitz noch kenne oder kannte ich Stuart Thompson. Ich habe auch nicht mit ihm telefoniert und ihn schon gar nicht ermordet."
William blinzelte einige Mal und ließ sich Zeit. Irgendwann wurde Niall die Stille unheimlich, jedenfalls fuhr er fort: „Gibt es eine Möglichkeit für mich, zu beantragen, dass auch in andere Richtungen ermittelt wird? Also, dass jemand dem Gedanken nachgeht, dass ich Opfer einer Intrige wurde?"
„Wir ermitteln in alle Richtungen, die uns sinnvoll erscheinen, Mr Horan", erwiderte William und stand abrupt auf. Er ging zur Tür und verschwand für einige Sekunden, bevor er mit einem Gefrierbeutel in der Hand wiederkam. Niall erkannte bei genauerem Hinsehen, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Gefrierbeutel handelte. Der Inspektor jedenfalls streifte sich ein paar Gummihandschuhe über und holte die mit Blut besprenkelte Rohrzange aus der Tüte.
„Dies ist Ihre, habe ich recht?", fragte er Niall und hielt ihm das Beweisstück unter die Augen.
Dieser schluckte. Verdammt, ja, das war seine Rohrzange! Er hatte sie erst vor ein paar Tagen benutzt, um den Anschluss für den Gartenschlauch in seinem Keller zu reparieren.
„Ja", stammelte er. „Ja, das ist meine."
„Nun, wie ist sie dann in die Erde am Bahnübergang gekommen?", wollte der Inspektor wissen und drehte das Werkzeug herum, sodass Niall die rötlich-braunen Flecken darauf sehen konnte. „Immerhin haben wir hier nebst Ihren Fingerabdrücken auch Blutspuren des Opfers."
„Keine Ahnung", sagte Niall, dem die Verzweiflung allmählich die Kehle zuschnürte. „Vielleicht habe ich sie draußen liegen lassen und irgendwer hat sie weg genommen, um den Verdacht auf mich zu lenken?"
„Schlechter Versuch, Mr Horan", kommentierte William seine Worte und steckte die Rohrzange wieder weg. „Aber lassen wir das mit der Zange so stehen. Ich habe da noch ein paar ganz andere Fragen an Sie. Sind Sie Single?"
„Äh", machte Niall irritiert. „Ja. Aber ich wüsste nicht, was das zu den Ermittlungen beiträgt."
„Gut. Sind Sie homo- oder heterosexuell?"
„Auch das ist, meiner Meinung nach, nicht von Belang", erklärte Niall schnippisch. Was dachte der Kerl sich eigentlich, ihn nach seiner sexuellen Gesinnung zu fragen? Durfte der das überhaupt? Vielleicht hätte er doch einen Anwalt anrufen sollen.
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Objekt 242
FanfictionEin eigenes Restaurant - das war schon immer Niall Horans großer Traum gewesen, den er sich mittlerweile sehr erfolgreich verwirklicht hat. Sein Lebensweg führt steil nach oben, zumindest bis zu dem Tag, an dem er unter Mordverdacht in seinem Büro v...