Pov Yoongi
Still saß ich da, betrachtete meinen Arm und den hochgekrämpelten Ärmel. Auf der blassen Haut zeichnete sich nun ein unebener Schnitt ab, drumherum schimmerte es rot. Ich konnte meine Augen nicht von diesem Anblick abwenden, sah immer wieder Jimins Schmerzen darin. Davon brannte es noch mehr. Meine Tränen waren versiegt, meine mittlerweile trockenen Wangen brannten dennoch. Und trotzdessen fühlte ich mich leer, eher taub. Es war, als wäre ich von all meinem Leid befreit und doch ließ mich der Schmerz nicht los. Meine Krankheit war geheilt und doch litt ich unter den bleibenden Schäden. Die Stimme in meinem Kopf war verschwunden und doch erinnerte ich mich an ihre Worte. Und so würde es immer mit dieser Wunde sein. Sie würde verheilen und doch würde mich die Narbe immer wieder daran erinnern.
Jimin betrat das Zimmer, dennoch sah ich nicht auf. Die Luft im Raum füllte sich mit einem mal mit Spannung. Aber ich würde nichts sagen, nichts tun, ihn nicht ansehen, dafür war mein Respekt und mein Schuldgefühl ihm gegenüber zu groß.
"Starr es nicht so an, davon werden die Gedanken schlimmer." Sprach er in einem starken Tonfall. Ich schluckte und sah an meinem Arm vorbei, starrte ins Leere, diesmal Richtung Boden. Es schmerzte, dass er aus Erfahrung sprechen konnte. Und wieder wollte ich mich erhängen, dafür, dass ich sein Leid nie bemerkt hatte. Wieder stellte ich mir die Frage, wie ein Kampf so schweigend ausgetragen werden konnte und ein Krieg keine offensichtlichen Anzeichen zeigte. Schlicht und ergreifend fragte ich mich, wie man schweigen konnte, wenn in einem selbst der Teufel wütete, wenn es Tag ein Tag aus ums Aufgeben oder Starkbleiben ging. Wie war dies möglich?
Ich saß an Jungkooks Bettkante, wir schliefen heute hier. Jimin kam mit wenigen Schritten auf mich zu, bis seine schwarzen Socken in meinem Blickfeld auftauchten. Ich traute mich nicht, zu ihm aufzusehen und das war das erste mal. Ich fühlte mich für alles schuldig, hätte mich umbringen können für die Tatsache, dass seine Wunde von mir stammte. Und nicht, dass ich daran schuld war, sondern ganz einfach der Punkt, dass ich ihn verletzt hatte, dass er wegen mir blutete, dass er Schmerzen ertragen musste. Ich wusste nicht, ob sein Vertrauen das gleiche wie zuvor war, denn selbst ich würde mich in diesem Moment verlassen, würde ich es können.
"Schlag zu." Gab ich krächzend von mir.
"Huh?"
"Schlag mich, ich habe es verdient." Mein Kopf sank tiefer, meine Gestalt sank weiter in sich zusammen. Ich war bereit, Jimins Schmerzen auf mich zu nehmen, sollten sich meine verdoppeln und seine reduzieren, ich wollte ihn nicht leiden sehen.
"Glaubst du, ein Kratzer dieser Art lässt mich wieder an mir zweifeln? Glaubst du, er tut so sehr weh, dass ich mich vor Schmerzen krümme? Oder willst du nur dein schlechtes Gewissen stillen?" Seine Stimme tat noch nie so weh. Sie versetzte mir Stiche auf so viele Weisen, weil ich jeder seiner Fragen zustimmen konnte. Alles konnte ein Auslöser sein, sein vor Schmerz verzerrtes Gesicht würde ich nie wieder vergessen und dieses schlechte Gewissen würde sich auch nie mildern."Du hast allen Grund, sauer zu sein." Hauchte ich.
"Ich bin nicht sauer, ich bin enttäuscht." Konterte er binnen Sekunden.
"Es tut mir so sehr leid." Ich spürte wieder das beißende Gefühle aufkommender Tränen und schniefte. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so viel geweint, wie an diesem einen Tag.
"Entschuldigung angenommen. Sag mal, auf welcher Seite möchtest du schlafen?" Auf einmal klang seine Stimme wieder fröhlich und optimistisch, beschließend und liebevoll. Bereuend schwieg ich, bis er mir näher kam, sich zwischen meine Beine stellte und ich gezwungen war, meinen Kopf etwas zu bewegen, sodass mein Gesicht nicht an sein Shirt gepresst wurde. Also schaute ich zur Seite.Doch anders als erwartet, fuhren seine Arme um meinen Kopf, um mich an sich zu drücken. Er hielt einen Arm um mich, mit dem anderen durchfuhr er die dunklen Strähnen meines Haares und versuchte, das Zerzauste zu bändigen. Er tat dies mit einer endlosen Ruhe, als hätte er nie etwas von Leid mitbekommen.
Dieser Moment, diese Pose bewies, dass ich vollkommen ihm gehörte. Andere würde ich wegstoßen, niemand durfte mich halten oder mich in seinem Griff gefangen halten. Nur bei ihm fühlte es sich nicht wie ein Gefängnis, sondern ein Zuhause an.
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「 angel 」 - yoonmin
Fanfiction[GER] ᴛʀɪɢɢᴇʀ ᴡᴀʀɴɪɴɢ ❝ An angel can't fly if the devil is the one to hold its hand ❞ -Auszug- "Was hält dich am Leben, Jimin?", fagte ich leise. Meine Stimme so rau wie sonst, meine Lippen kalt und einsam. Er legte den Kopf schief. "Sag es mir, u...