#38

647 61 19
                                    

Namjoon

Tief atmete ich durch, ehe ich meinen Blick vom Boden zu Eun-Mi verwirrtes Gesicht wandte. Ich war feige gewesen, hatte geschwänzt und mir die erste komplette Vorlesung Worte zurechtgelegt, was genau ich ihr sagen wollte. Doch jetzt stand ich wirklich ihr gegenüber und mein Kopf war wie leer gefegt. Aber ich musste es machen; für Jin und mich. Wieso stellte ich mich überhaupt so an?

"Schatz, was ist denn jetzt?", holte mich die sanfte Stimme meiner Freundin aus meinen Gedanken. " Wir müssen reden." Angespannt räusperte ich mich. "Wo soll ich anfangen..." Eun-Mis Gesicht verlor ihr Lächeln und wurde eher misstrauisch. Sie ahnte es. "Das mit uns passt nicht mehr so ganz und wir sollten es vielleicht lieber beenden." So, kurz und schmerzlos. Naja, kurz auf alle Fälle. Aber schmerzlos?

"Du... Du willst Schluss machen?" Ihre Stimme wurde hoch und hysterisch, als würde sie gleich hyperventilieren. Überfordert hob ich meine Hand, um über ihre Schulter zu streichen, die sie aber sofort schmerzhaft wegschlug. "Fass mich nicht an!" Ihre Augen wurden glasig und die ersten Tränen begannen, über ihre Wangen zu laufen. Wann war ich nur so weich geworden? Früher hätte es mich nicht einmal im geringsten interessiert, dass ich gerade jemanden das Herz gebrochen habe. Ich wurde weich, und zwar so richtig. Aber lieber war ich so, als ein Arschloch, denn sonst wäre ich niemals mit Seokjin zusammengekommen.

Eun-Mi stand vor mir, weinend, während ich mir ein Lächeln verkneifen musste, immer wenn ich an Jin dachte, konnte ich nicht anders, als zu lächeln. Gott war das kitschig. Aber wieder zum Ernst der Sache; ich hatte endlich Schluss gemacht. Nun müssten wir unsere Beziehung nicht verstecken...

"Du kannst doch nicht einfach Schluss machen! Wie hast du dir das denn vorgestellt? Wir waren doch glücklich und das alles willst du jetzt wegschmeißen?" Zögerlich nickte ich, eigentlich hatte sie die Situation gerade sehr gut getroffen.

"Und was wird aus dem Baby?"

Die Zeit schien still zu stehen, doch Eun-Mis Lippen bewegten sich immer noch. Was sagte sie? Ich wusste es nicht, es war, als würde ich alles nur durch Watte mitbekommen. Baby. Sie war schwanger. Von mir, vermutlich. Ich wurde Vater. Nein. Nein, nein, nein! Was war mit Jin? Meine Eltern; sie würden durchdrehen. Sie würden von mir wollen, dass ich Eun-Mi heiraten würde, uneheliche Kinder waren in unserer Familie ein großes Tabu. Nein, nein, nein!

Auf einen Schlag konnte ich wieder die anderen Studenten hören, die sich über belangloses Zeug unterhielten und nahm Eun-Mi wieder ganz klar wahr. Sie hatte eine ihrer zierlichen Hände auf ihren Mund geschlagen, um nicht loszuschluchzen. Wie gebrochen und fertig sie auf einmal aussah. Und das nur wegen mir... Mitleid und Schuldgefühle überkamen mich und dass ich sagen wollte, dass ich nun mit Jin zusammen war, schob ich kurz in den Hintergrund. Morgen war auch noch ein Tag.

Zögerlich nahm ich sie in meine Arme und strich ihr über den Rücken, wie ich es schon so oft getan hatte. "Wir... Wir schaffen das schon irgendwie.." "Wie denn? Ich als alleinerziehende Mutter?" Wieder schluchzte sie. Natürlich war mir klar, dass das was ich tat falsch war. Jin gehörte mein Herz, doch Eun-Mi alleine und schwanger zurück lassen, könnte ich auch nicht.

Ich wollte nicht Vater werden! Irgendwann schon, aber mit einer Person, die ich von ganzen Herzen liebte. Und nicht mir ihr. Von nun an würde sich alles ändern; verdammt scheiße ich wurde Vater! Ich musste mit meinen Eltern reden. Sofort.

Immer noch geschockt löste ich mich aus der Umarmung. "Das muss ich erst einmal verdauen", stammelte ich leise und entfernte mich von ihr. Jin.
Wo war er? Ich brauchte ihn, damit er mir immer wieder zuflüstert, dass alles gut werden würde. Eine halbe Ewigkeit suchte ich nach ihm, erfolglos.

Da das alles keinen Sinn hatte, beschloss ich, gleich den ganzen Tag zu Schwänzen. Verzweifelt saß ich in meinem Auto und schlug auf das Lenkrad ein. "Verdammt, verdammt, verdammt-" Erst als ich mich abgeregt hatte, fuhr ich mit zitternden Händen los, in Richtung des Firmengeländes meiner Eltern.

"Namjoon? Was ist denn los?" Besorgt sprang Eomma von ihrem Schreibtisch auf und kam auf mich zu, um meine Hand zu nehmen. "Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen. Setz dich erst einmal- Hoseok, kannst du ihm einen Kakao machen?" Wartet, Hoseok? Verwirrt blinzelte ich den Älteren an, der mich genauso ansah. Schneller als ich fasste er sich wieder und nickte Eomma zu, ehe er aus ihrem Büro Schritt. "Mein Praktikant", klärte sie mich aufgrund meines verwirrten Blicks auf. Nervös setzte ich mich neben sie auf das Sofa, welches mittig in dem Büro stand.

"Jetzt sag schon- was ist los?" Neugierig sah sie mich an. "Eun-Mi ist schwanger", kam mir fast tonlos über die Lippen. Eommas Mimik wurde von Neugierig zu Freudig. "Aber das ist doch schön? Aber bevor das Baby kommt, müsst ihr heiraten-" "Eomma", unterbrach ich sie in ihrem Wortschwall schwach. "Ich will sie nicht heiraten. Ich will auch kein Baby von ihr! Ich wollte mich doch gerade von ihr trennen..." Genau in diesem Moment stellte Hoseok die Tasse vor mir ab, super, jetzt wüsste er auch schon von den wunderbaren Neuigkeiten.

"Kim Namjoon, so haben wir dich nicht erzogen! Kinder sind die schönsten Geschenke, die man nur bekommen kann! Vielleicht bist du noch ein bisschen zu jung, aber mit der Zeit wird alles einfacher werden. Und jetzt geh und biegen das mit ihr wieder gerade!" Ich wollte aber Eun-Mi und das Etwas in ihrem Bauch nicht. Ich wollte Jin, verdammt nochmal!

I hate you, I love you × NamjinWhere stories live. Discover now