09A

1.3K 22 3
                                    

Cintia rollt wieder in ihrem Bett umher. Nichts zu tun, nichts. Ein Kapitel am Tag reicht ihr, ein Kapitel ist mehr als genug. Immer noch Sonntag, immer noch nichts los. Langweilige Welt. Benachrichtigungen trudeln auf ihrem Mobilgerät ein, egal. Weitere Vibrationen, ignoriert. Die Decke ist kuschelig, der Harndrang hat nachgelassen. Es wird ein schöner Tag. Ganz sicher – später. Jetzt ist nachdösen angesagt. Nur ein bisschen, nur ein – ‹gähn›. Weg ist sie. Friedlich geht ihr Atem, das Handy zittert immer noch, unregelmäßig und doch so oft. Nachrichten. Später. Schlafen.

Es ist die Türklingel, die Cintia weckt. Wer – an einem Sonntag, so früh – wer? Verschlafen kuschelt sie sich in ihren Kimono und watschelt zur Tür. Erneutes klingeln, genervt stämpfelt Cintia zur Tür, drückt die Gegensprechanlage und murrt: «Jaaaaa?» «Lass mich schon rein!», motzt die blecherne Stimme von Tabea. Cintia verdreht die Augen, zieht eine Grimasse und lässt den Türöffner summen. Schnelle Schritte im Treppenhaus nähern sich, ‹plat,plat,plat›. Cintia entriegelt die Tür, zieht sie einen Spalt auf und schaut in das gerötete Gesicht von Tabea. «Ja?», fragt Cintia erneut. Tabea ringt immer noch nach Atem, zieht die Schuhe schon aus und drängt in die Wohnung. Cintia atmet tief durch, zählt innerlich mindestens bis zehn, zwanzig, eher hundert. Wie selbstverständlich holt sich Tabea ein Glas aus der Küche und bedient sich am Kühlschrank. Cintia schweigt - sie mag nicht diskutieren. Ihre Gedanken, ihr Hirn, alles liegt noch im Bett, eingekuschelt, am Dösen. Tabea geht mit dem Glas direkt in Cintias Zimmer, setzt sich auf das Bett und wartet ungeduldig wippend darauf, dass Cintia sich zu ihr gesellt.

«Also», beginnt Tabea das Gespräch, «dein Kapitel ist ja scheiße. Ein Kuss und schon haut er ab. Was ist das für ein Arsch?» Cintia will etwas erwiedern, doch Tabea fährt schon fort: «Also Aaron wäre da ganz anders! Gestern – da...»

-----

/// Kaum war Tabea aus der Wohnung von Cintia, schon eilte sie los. Aaron hat ihr eine Nachricht gesendet. Wie gut, hatte sie ihm noch den Zettel mit ihrer Nummer zustecken können. Er wollte sie treffen. Unbedingt. Er musste sie sehen. Wenn das keine Liebe war? Tabea schrieb ihm zurück, wurde ungeduldig mit jeder Sekunde, welche sie warten musste. Ihre Finger begannen zu zittern, als sie sah, dass er am schreiben war. Sie – es war – wie auch immer. Er hat ihr geschrieben, dass er sie sehen wollte. Allein, ohne die Jungs. Jetzt wusste Tabea ganz sicher, dass der Kuss kein Ausrutscher war. Kein – ich versuche es mal – der Kuss war der Anfang, der Beginn - bald werden sie - Nervosität überrollte Tabea. Wo wollte er sie treffen? Am Alt-Rhein – aber – da musste sie das Rad nehmen. Schnell eilte sie nach Hause, fluchteüber die platten Reifen und begann zu Pumpen. Ihr pinkes Rad, welches sonst, pumpen. Aber – sie musste sich auch noch, so konnte sie nicht raus. Schminken. Nur dezent, was sanftes, weiches. Ein bisschen Liedschatten, ein Tupfer Rouge, dunkelgrüner Liedschatten, Mascara. Ein Blick in den Spiegel, Tupfer raus, nachziehen, mit dem Pinsel noch Puder aufstäuben. Ganz natürlich, so wie Tabea jeden Morgen aussah, wenn sie aus dem Bett kommt. Die Wimperntusche schmiert, zu hektisch trug sie alles auf. Rasiert – Beine, Check, Arme, Check, Achseln, Check. Beruhigt atmete sie durch, ein Glas Wasser, die Linie nie vergessen, Zeitkontrolle – und sie rannte weiter. Der Kleiderschrank landete in einem großen Bogen verteilt auf dem Boden, Kleidchen nach links, Hosen nach rechts, Blusen in die Mitte und die Shirts aufs Bett. Es war warm, aber – was erwartete Aaron? Was mochte er? Schnell sprang Tabea wieder ins Bad, die Haare! Fast hätte sie dies vergessen, schnell, nochmals Glätten, die Spitzen sahen ganz ok aus - Spliss, egal. Nochmals nachgkämmt, mit einer Wolke Haarspray wurde alles fixiert. Zurück aufs Zimmer, schaute sie sich nochmals die Kleiderbergean. Fluchen, schreien wollte sie. Welche Schule im Leben hatte sie aufdas vorbereitet? Niemand. Alles war scheiße. Sie sah hässlich aus. Zum verzweifeln. So durfte Aaron sie nicht sehen, sie musste das Treffen – das Date, sie musste es unbedingt absagen. Aber – wie käme das bei ihm an. Verflixt. Sie zog das dritte Kleidchen an, sah darin zuckersüß unschuldig brav aus. Zu brav, fand sie, warf das Kleid wieder hin, zog das nächste aus dem Stapel. Mit den Kleiderstapeln schwand auch die Zeit. Endlich fand sie etwas, was nicht ganz schrecklich aussah, unpassend, aber besser als alles andere. Das zog sie an. Ein Kleid, trotz allem. Erneut blickte sie auf die Uhr, die Zeit zerrann. Ihre Tasche war schnell gepackt, sie rannte zu ihrem Rad, trat in die Pedale. Der Alt-Rhein, das waren noch ein paar Minuten – oder genauer gesagt bis zur Grill Hütte. Einige Bäume, ein halber Wald. Rein, der Radweg wäre gut, aber sie kannte eine Abkürzung, zwischendurch, holpriger.

Leicht zerzaust kam sie an, Aaron war nicht sichtbar, aber eine kleine Grillgemeinschaft hatte sich schon eingetroffen. Tabea verriegelte ihr Radschloss, packte ihre Tasche und schaute auf ihr Handy. Noch keine Nachricht.

Endlich schrieb ihr Aaron, er brauche noch ein paar Minuten. Tabea war zu früh, das wusste sie – und sie war froh, sie wollte nicht zu spät sein. Aber – jetzt auf ihn warten? Sie wollte gerade genervt schnauben, als sie angestupst wurde. Ein Quicken, Ausfallschritt und – Aaron stand da mit einem großen Grinsen. «Komm», sagte er zu ihr und packte sie an der Hand. Weg von den feiernden Menschen, hin zur roten Rutschbahn. Alles fühlte sich so leicht an. Seine Hand, die Wärme – Tabea flog, schwebte. Sie folgte ihm, an der Rutsche vorbei, hin zur Schaukel. Er setzte sich, sie sich auf seinen Schoss. Leicht baumelnd sassen sie da, seine Lippen an ihren. Vereint, schaukelnd im Wind. Der Mond folgt der Sonne, Grillen zirpten, Frösche quakten – ein Lidschlag wie eine Ewigkeit. Seine warmen Hände streichelten ihren Rücken – doch der Wecker ihres Handys holte sie zurück. Sie musst nach Hause – sonst – Mutter war da streng. Aaron küsste sie nochmals, fuhr neben ihr her, die Strahlen ihrer Lichter kreuzten sich immer wieder, bevor sie lachend fast zusammenprallten. Ein letzter Kuss, dann musste sie hoch, fliegen, ins Bett. ///

-----

Cintia schaut Tabea an, diese trinkt durstig nach dem Redeschwall, blickt dann wieder auf. Nickt. «Und?», fragt Cintia. «Was und?», kontert ihr Tabea. «Und geht es noch weiter?», will Cintia nun wissen. «Weiss noch nicht, das war gestern. Gestern haben wir uns geküsst. Wirklich.», ein Lächeln huscht über Tabeas Gesicht. 

SEX, BAD BOYS, GIER - Sehnen der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt