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Goldfischchen: Lindsay ist ein Mädchenname – oder?

xxxMyPony: Lindsey? Willst du mich – wer ist Lindsey?!?

Wordfick: Boah geil – LESBEN PORNOOOOOOOOOOO

launam: Ja, überrascht. Aber es gefällt mir, wie du die Geschichte so plötzlich änderst. Du führst einen an der Hand, nimmst mich mit und dann – Bumm – Ich reibe mir die Augen, muss den Satz nochmals lesen. Immer wieder lesen. Deshalb liebe ich deine Geschichte, du kannst mit Wörtern umgehen, sie zusammensetzen wie ein Mosaik – und uns all die einzelnen Steine zeigen – und am Schluss macht man einen Schritt zurück und denkt – WOW. Deine Art zu schreiben ist etwas Spezielles, ich hätte nie gedacht, dass ich hier auf Wattpad ein Buch wie dieses finden werde. Ich weiß nicht, ob du mich jetzt verstehst oder ob es einfach doof klingt – aber ich musste das unbedingt sagen. Danke!


Mit einer Tasse Bärentraubenblättertee sitzt Cintia vor dem Laptop, liest die Kommentare. Der Name hat eingeschlagen. Ein Grinsen huscht über ihr Gesicht – bis – ‹Lesben Porno›. Wo, weshalb? Wütend stellt sie ihre Tasse auf den Tisch, Tee schwappt über den Rand, eine Lache sammelt sich um die Tasse herum. ‹WESHALB?› schreit sie ihren Laptop still an, wissend, dass es doch irgendwie die Absicht war. Aber Porno? Was soll dies? War das die Erwartung der Leser? SEX? Mehr Sex? Detaillierter Sex? Noch mehr Sex? Wütend hämmert sie auf ihren Tasten los:

‹SEXSEXSEXSEXSEXSEXSEXSEXSEXSEXSEXSEXSEX..... Scheissssse!›

Mit drei Klicks ist der Text wieder gelöscht. Scheiße. Sie hat doch keine Ahnung von Sex. Und Pornos ... Sie war doch kein Junge. Mädchen schauen keine Pornos, Teenies schauen keine Pornos. Das ist doch klar. Aber – vielleicht lesen sie Pornos? Also – die Geschichten – ja, doch, vielleicht. War das Porno? Sie klickt erneut in einige der Geschichten rein, Wattpad spuckt viele Resultate auf Sex aus. «Erwachseneninhalt», «Explizit» - Warnende Worte, die nach Werbung klingen. Das muss gut sein, das klingt so verboten. Verboten ist verlockend. Wer mag keine Locken? Cintia grinst. Trotzdem, Lesbenporno, was für ein beschissenes Wort. Weshalb hatte sie sich überhaupt darauf eingelassen. Sie holt sich eine Schalte Nüsse in der Küche, lässt das Salz zergehen. Sex? Weshalb. Und Xinon hat ihr auch noch nicht geantwortet. Erst sagt er stopp und dann – einfach nichts mehr. Verräter. Dieses mal schafft sie es auch ohne die anderen – ohne Xinon, ohne Tabea, ohne – ohne die Welt. Cintia tippt los, energisch, hämmert auf die Tasten ein, die Welt um sie herum verschwimmt, nur noch der Bildschirm und der blinkende Strich, aus dem Buchstaben um Buchstaben neue Wörter herausquellen.

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«Ich drehte mich um. Lindsey? Woher wusste mein Vater, wie der Engel hieß? Woher? Er streckte ohne mich zu beachten die Hand aus, machte einen Knicks vor ihr. Lindsey gehörte nur mir – was erlaubte sich mein Vater da? Sie war sowieso viel zu jung für ihn! Viel viel viel zu jung! Das konnte ich nicht zulassen, ich fauchte. Lindsey strich mir durchs Haar und gab mir einen Kuss auf die Stirn. ‹Meins, Meins, Meins!›, schoss es mir durch den Kopf. ‹Meins!›. Und dieses mal wollte ich nicht teilen. Nicht sie, nicht jetzt. Ich schaute Papa mit meinem Todesblick an, er grinste nur zurück, lief zur Haustür und winkte uns, ihm zu folgen. Lindsey machte einen ersten Schritt, ich folgte ihr.

Vater breitete Karten aus, ich erkannte die Felder und unser Haus, die Tippis und sah ganz viele seltsame Zeichen. Mit dem Finger deutete Papa auf das eine und begann auf Englisch mit Lindsey zu sprechen. «Stage», «Backstage» – was auch immer, ich verstand nur, dass er nicht mit mir sprechen wollte. Ich war ja auch nur seine Tocher. Seine einzige Tochter. Toll. Lindsey hörte ihm zu, nickte, «Yes, Yes». Mehr verstand ich nicht – aber es war mehr als genug. Ja. Sie war mit meinem Vater einig. Ja, und Ja. Menno. Das ging doch nicht.

Zum Glück fand mein Papa doch noch ein Ende. Endlich, ich war schon – ich war verzweifelt. Seine Augen auf Lindsey – ich meine – nein. Einfach nein. Lindsey war mein Engel, das war doch klar. Sie hat mich zuerst gefunden. Ich brauchte sie und ich brauche sie. Ich sehnte mich schon nach ihr, obwohl sie neben mir stand. Ihre kuschligen Haare, ihre weiche Haut – einfach sie. Ich drückte sie, sobald Papa fertig war. Sie erwiederte die Umarmung, flüsterte mir ein «Hey Honey» ins Ohr. Süß.

Doch Papa wollte uns keine gemeinsame Zeit gönnen und forderte uns erneut auf, ihm zu Folgen. Raus da, er nahm uns auf den Traktor, ein Lamborghini, und wir fuhren auf die Felder. Ich war – ich fühlte mich nicht wie ein Teil, sondern nur wie ein Sack Kartoffeln auf dem Kindersitz. Das Gefühl überrollte mich, fuhr mit Differentialsperre mehrfach über mein Herz, verteilte die letzten Spuren in den tiefen Furchen des Feldes – zurück blieb nur eine Hülle, die nach Ev aussah und langsam die Luft verlor. Immer schrumpliger sackte ich im Stuhl zusammen. Vielleicht wurde ich ja nachher eingepackt und irgendwann im Teich in der Kiesgrube wieder aufgeblasen als ... Pfffffft.

Ich spürte gar nicht, wie Lindsey mich anttippte, sie musste mehrfach «Hey» gesagt haben – der Traktor stand still, Vater schaute mich mit dunkel untermalten Augen an. Er sah müde aus, müde und besorgt. «Ja?», antwortete ich, spürte eine Träne im Augenwinkel und wischte die gleich wieder weg. Luftig leer sprang ich vom Traktor, Vater schaute mir kurz nach bevor er auch kam und erklärte: «Tomorrow the Openair starts here.»

Ich schaute auf das offene Feld hinaus. Hier – ein Openair. So langsam kam die Nachricht bei mir an. Auch wenn niemand kommen wird – morgen beginnt es. Eine warme Welle der Erwartung flutete durch mich. Ich schaute zu Lindsey, welche mir zuzwinkerte und lächelte. Morgen kommt der Himmel definitiv auf der Erde an.

So – bald wird es wieder spannender! Nicht vergessen – Voten und Kommentieren!

xoxo Xindy :)»

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Cintia blickt den Text an. Er gefällt ihr nicht wirklich – aber mehr geht gerade nicht. Erschöpft drückt sie auf ‹Veröffentlichen›. Mulmig, denn es fehlt ihr etwas im Kapitel. Die Energie vielleicht? Oder der Reiz? Oder – etwas, was sie noch nicht benennen kann? Cintia lehnt sich zurück. Wird sie es schaffen, sie sieht die Wand auf sich zukommen, das schwarze Loch der Ungewissheit. Wird sie das schaffen, den Text zu schreiben. Noch lenkt sie die Geschichte ab, kann noch Umwege einbauen, strecken, verlängern – aber was kommen muss, das muss kommen.

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+++ Ich blicke über Cintias Schulter, bin mit ihr in all ihren Notizen dabei. Fühle ihre Verzweiflung, kenne ihre Geschichte aber schon. Ihre Angst – und den Ausgang. Doch obwohl die Geschichte Geschichte ist, drängen immer wieder aktuelle Ereignisse auf das Werk ein. Teilweise lasse ich meine Freiheit walten, um die Spuren zu verwischen und dem Werk eine Eigenständigkeit zu geben. +++

SEX, BAD BOYS, GIER - Sehnen der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt