Kapitel 10: Heilung

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Das erste, was ich nach dem Erwachen spüre, sind furchtbare Schmerzen. Blaue Flecke und Prellung sind auf meinem ganzen Körper verteilt und der steinerne Grund verschlimmert es nur noch. Ich versuche mich aufzustützen, doch kaum dass meine Hand den Boden berührt durchzuckt mich ein stechender Schmerz und ich schreie erschrocken auf. Meine Hand ist bläulich angelaufen, geschwollen und pulsiert. Jede Bewegung lässt mich scharf die Luft einziehen, doch ich schaffe es dennoch aufzustehen und mich umzusehen. "Yuno?" Für einen kurzen Moment glaube ich Überraschung aus Lucys Stimme zu hören, während sie aus einem weiterführenden Gang tritt. Ängstlich drücke ich mich an die Wand, an ihrer Hand, die einen Plastikbeutel mit Brötchen trägt, kleben Blutspritzer. Sie ist immer noch ein Monster, ein gewissenlose Ungeheuer. Sie tötet nicht einfach um zu überleben, sondern aus purem Spaß am Morden. Doch ich entspanne mich langsam, während mein Blick über ihren wohlgeformten Körper wandert, ihr edles, gefühlsloses Gesicht, ihre wallenden Haare... "Wir gehen heute ins Krankenhaus.", teilt Lucy mir mit, ihre Stimme klingt kalt wie immer, doch irgendwas hat sich verändert. War das ein besorgter Unterton? Ich nicke vorsichtig und greife nach einem der Backwerke. Wir sitzen schweigend gegenüber und vertilgten unser Frühstück, zwischen uns ist mehr als ein Meter Abstand. Doch ich weiß, das es nicht ausreichen würde, um der unsichtbaren Kraft zu entkommen. Ich bin ihr vollkommen hilflos ausgeliefert.

"Wer ist dieser John Bacchus?", unterbricht Lucy plötzlich die Stille und ich brauche einen Moment, um mich von meinem Schreck zu erholen und über ihre Frage nachzudenken. "Ich glaube, das ist der Bürgermeister.", antworte ich nachdenklich und beobachte ihre Reaktion. Ein zufriedenes Lächeln huscht über ihre Lippen und ich fühle mich seltsam stolz, ihr eine wichtige Information gegeben zu haben. "Dann werde ich ihn wohl als nächstes töten", sagt sie scheinbar emotionslos. Diese kühle Fassade, wie gern würde ich sie durchbrechen und ihr Lachen hören.

Nach dem Essen hatten wir den Wald verlassen und befinden uns nun in der belebten Innenstadt, auf dem Weg ins Krankenhaus. Seit das alte Haus zu großen Teilen von Minene weggesprengt wurde, hatte man die meisten Patienten auf die Hospitals auf dem Festland verteilt und eine behelfsmäßige Notstation eingerichtet. Ich folge Lucy durch das Häusermeer und schon nach kurzer Zeit erreichen wir das ehemals verlassene Wohnhaus, in dem nun Ärzte hin und her hasten. Ich gebe ihr ein kurzes Zeichen und ohne zu zögern betritt sie das Gebäude, läuft sich aufmerksam umsehend durch die Gänge und öffnet eine Tür, die zu einem kleinen Behandlungsraum führt. Abgesehen von einem jungen Arzt, der scheinbar gerade etwas auf seinem Computer betrachtet, ist niemand hier.

"Kann ich ihnen helfen?", er dreht sich herum und schenkt uns ein professionelles, strahlendes Lächeln, doch im nächsten Augenblick zeichnet sich Überraschung auf seinem Gesicht ab, die sich schnell in einen handfesten Schock verwandelt. Seine Hände tasten durch die Luft, doch sie greifen ins Leere. Lucys Kräfte wirken wohl nur wo sie es will. "W-was...", versucht der Mann einen Satz zu formulieren, doch Lucys eiskalte Stimme unterbricht ihn: "Du wirst ihr", dabei wandert ihr Blick kurz zu mir, "sofort helfen. Wenn du schreist oder versuchst zu flüchten, töte ich dich. Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, wirst du dir wünschen zu sterben." Nach einigen Sekunden nickt der Arzt hastig und ich lächle Lucy glücklich an, doch ihr Gesicht zeigt keine Regung. In mir macht sich Enttäuschung breit und ich setze mich auf die Untersuchungsliege, woraufhin der Arzt vorsichtig meine Hand untersucht. Obwohl seine Arme vor Angst zittern, versucht er den Eindruck eines professionellen Doktors aufrecht zu erhalten und stellt mir Fragen, die ich einsilbig beantworte, während Lucy uns misstrauisch beobachtet. "Ich bin übrigens Nakamura Takashi.", sagte der junge Mann nach einer Weile und zaubert mir damit unwillkürlich ein Lächeln aufs Gesicht. Es fühlt sich so normal an, wie in der Zeit bevor das alles passiert. Meine Eltern, Yukki, die Tagebücher, Yukki... Mein Gesichtsausdruck verfinstert sich und im nächsten Moment lässt auch der Arzt meine fertig verbundene Hand los. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich nun diese Mörderin liebe, das Monster welches Yukki getötet hat. Ich hasse sie und liebe sie zugleich. "Bitte, lassen sie mich jetzt gehen.", sagt er flehentlich und ich versuche zu erraten was Lucy denkt. "Kein Wort zu niemanden.", erwidert sie schließlich harsch, "Vielleicht brauchen wir ihn noch." Wir wollen gerade gehen, als Takashi noch etwas unbeholfen hinterher ruft: "Die Polizei war gestern hier. Sie sind die Frau auf dem Foto, nach der sie suchen, oder? Man hat mir gesagt sie sind weg gelaufen, aber was ist es wirklich?" Auch ich sehe sie interessiert an, doch sie greift nach meiner gesunden Hand und zieht mich mit schnellen Schritten aus dem Krankenhaus. Die weiche Berührung lässt mein Herz schneller schlagen und ich vergesse die Frage fürs erste.
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Es gab ein paar Komplikationen, deshalb musste ich es nochmal neu hochladen

Yandere Love Is Bloody (GirlxGirl, Girlslove, Yuri)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt