Kapitel 5:

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„Schließt du dein Zimmer ab?"
„Manchmal.", antwortete ich. Ich tat so als suchte ich den Schlüssel in meiner Hose.
„Mist. Der Schlüssel ist weg."
„Sollen wir deine Mutter fragen ob wir die Tür aufbrechen dürfen?", meinte er freundlich. Ich musste wirklich grinsen.
„Das würde sie nie wollen. Warte kurz hier. Ich hole nur schnell etwas. Dann kommen wir rein.", sagte ich schnell und sprang die Treppe runter. Dann ging ich den Flur entlang und holte ein paar kleine Werkzeuge aus einer Tasche unter dem Fenstersims.

Der Flur im Haus war mein eigentlicher Wohnraum oder mein Zimmer, wie es alle immer sagten. Nur das jeder, dem es gerade passte, durch mein Zimmer gehen konnte. Meine meisten Klamotten hingen bei Mara im Kleiderschrank. Sonst schlief ich auf dem Sofa, solange mein Stiefvater nicht da war. Wenn er es besetzte, dann übernachtete ich auf dem Boden oder auf einer Decke. Das mochte sich schlimm anhören, aber mit der Zeit gewöhnte man sich an diesen Zustand. Für mich war es schon fast normal geworden auf unserem Parkett zu schlafen.

Mit den Utensilien kam ich nach oben gerannt.
„So jetzt kommen wir rein.", erklärte ich ihm und kniete mich vor meine verschlossene Zimmertür.
„Du knackst das Schloss? Hast du das schon öfters gemacht?"
„Ja... aber nicht, weil ich irgendwo einbrechen wollte oder so...", erklärte ich schnell. Dann war das Schloss offen. Ich stieß die Tür auf. Neugierig wie mein Zimmer jetzt aussah.

Etwas verdattert stand ich erst einmal im Türrahmen und starrte in mein kleines Ex-Reich.

Überall standen Kartons in meinem alten Zimmer herum. Meine ganzen Poster hingen noch an der Wand. Meine Schränke waren noch an Ort und Stelle. Genauso wie mein Bett. Aber die ganzen Kartons die jetzt hier drinstanden. Was suchten die hier?

„Hast du immer Kartons in deinem Zimmer?", fragte Robin und ging zu einem der Kartons.
„... ich räume gerade um.", antwortete ich etwas verspätete.
„Kannst du in dem Bett überhaupt noch schlafen?" Er schaute auf mein altes Bett, was vor lauter Kartons kaum noch zu sehen war. Er öffnete einen der Kartons. Sie waren unverschlossen. Bevor er den Inhalt besser in Augenschein nehmen konnte klappte ich den Deckel schnell wieder zu.

„Ja, morgen ist wieder alles weg, dann geht das wieder. Die Kartons müssen nur in den Müllkontainer, dann ist alles wieder frei."
„Du möchtest deine ganzen Erinnerungen wegwerfen?"
„Ja.", sagte ich. Ich hatte keine Ahnung was sich in den Kartons befand. Während Robin zu einem der Fenster ging, öffnete ich einen und schaute rein.

Fotos von meinem Vater blickten mich an. Ich sah mich neben ihm auf dem Tisch sitzen. Wir waren an dem Tag im Zoo gewesen. Ich konnte mich noch gut daran erinnern. Er war 33 Jahre alt geworden und wollte mit der ganzen Familie feiern. Ich war zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt gewesen und Mara vierzehn. Sie hatte sich strikt geweigert mit uns in den Zoo zugehen und hatte meine Mutter dazu überreden können mit ihr einkaufen zu gehen, während ich mit meinem Vater im Zoo war.

Es war einer der schönsten Tage mit ihm gewesen.

Ich nahm das Bild aus dem Karton raus und steckte es in meine Hosentasche, ehe ich den Karton wieder verschloss.

„Wir sollten gehen.", sagte ich an Robin gewandt.

Robin schaute sich noch einmal in meinem Zimmer um und verlies schließlich den Raum.

„Die Kartons stehen da aber schon länger.", stellte er fest. An seinen Fingern war Staub.
„Kommt vor. Solange es nicht stört."

„Jane, kommst du! Die Polizei bitte auch. Damit sie wieder gehen kann.", unterbrach uns das Geschrei meiner Mutter.

„Sorry, aber da sollten wir lieber kommen.", sagte ich und lies die Tür ins Schloss fallen und verschloss sie somit wieder.

„Warum schließt du dein Zimmer wieder zu?", fragte Robin. Keine Antwort von mir. Ich lief die Treppe wieder runter. Robin folgte mir.

Es war eine schlechte Idee gewesen, die Treppe zu benutzen. An den Wänden hingen Bilder von drei der Familienmitglieder und kein einziges von mir. Das würde ihm bestimmt auffallen. Ich ärgerte mich über meinen Leichtsinn.

Endlich waren wir wieder unten und die Polizisten gegangen. Sie hatte mir noch ihre Visitenkarten dagelassen. Meine Mutter hatte es zum Glück nicht bemerkt.

Von dem Küchenfenster aus sah ich wie sie wegfuhren. Ich schämte mich in diesem Augenblick für meine eigene Feigheit.

Jetzt hätte ich etwas sagen können, aber habe geschwiegen. Wie lange würde ich das noch aushalten?

Wenn ein paar Tage deine Welt verändern (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt