Kapitel 30:

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„Wir helfen dir dabei. Dann klappt das.", sagte Phil ruhig zu mir.
Ich war mir da jetzt, wo ich länger darüber nachgedacht hatte, nicht mehr so sicher die paar Meter zu schaffen. Trotzdem nickte ich.

„Das wird schon... du packst das...“, flüsterte ich leise vor mich hin.

„Ich kann sie auch einfach rübertragen.", bot sich Ben an.

„Wenn das für dich in Ordnung ist, Jane?", meinte Franco und lehnte mich behutsam zurück an die Glaswand.
Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich seitlich von der Bank gekippt. Er ließ seine Hand auf meiner Schulter liegen.

„Ist wohl die beste Lösung.", murmelte ich und schloss wieder die Augen.
Meine Motivation erneut aufzustehen, näherte sich stetig dem Nullpunkt. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Niemals würde ich auf ihnen die paar Schritte gehen können.

„Gut machen wir es so.", hörte ich Franco sagen und dann hob mich Ben schon vorsichtig hoch.
Einen Arm unter meinen Beinen und einen Arm hinter meinem Rücken.
An der Trage angekommen legte er mich darauf ab. Die anderen Sanitäter schlossen die Haltegürte über meinen Beinen und meinem Oberkörper.
Jetzt konnte ich nicht mehr runterfallen, aber auch nicht mehr aufstehen.
Die optimale Sicherheit.

Sie schoben mich über das holprige Pflaster und schließlich in den Krankenwagen.
Erneut konnte ich diesen unangenehmen Geruch ausmachen. Er kribbelte in meiner Nase und brachte mich zum Niesen.

„Gesundheit.", ertönte es von allen Seiten.

„Danke.", antwortete ich. Den störenden Geruch, der mich immer an den schlimmen Unfall mit meinem Vater erinnerte, konnte ich jetzt nicht mehr wahrnehmen.
Erleichtert machte ich es mir so bequem wie möglich auf der Trage.

„Kann ich kurz mit ihr reden?", hörte ich Stephans Stimme leise. Wahrscheinlich war er außerhalb des Wagens.

„Ja, aber nur kurz. Sie sollte schnell zurück ins Krankenhaus kommen.", erlaubte es Phil und ich konnte spüren, wie jemand sich neben die Trage stellte.
Es kam mir immer anstrengender vor die Augen zu öffnen. Als ich sie letzten Endes offen hatte stand, wie vermutet, Stephan neben mir.

„Weißt du... weißt du wer der Erziehungsberechtigte ist?", fragte ich ihn angespannt.
Ich drückte krampfhaft mit beiden Händen die Daumen. Bitte war alles nur ein Missverständnis und ich kam nicht zu meinem Stiefvater.

„Ja."

„Nicht mein Stiefvater, oder?", hakte ich nach und schluckte kräftig.

„Nein, nicht dein Stiefvater."

„Puuhh.", machte ich erleichtert und grinste leicht. Dann war ich jetzt für immer von ihnen befreit. Besser ging es nicht mehr. Die ganze Familie war weg. Sie konnten mir nichts mehr antun.

„Du wurdest adoptiert...", fing Stephan an.

„Adoptiert?", fragte ich und wollte mich erschrocken, mit dem Oberkörper, aufrichten. Die Haltegürte ließen mir noch einen minimalen Spielraum, den ich dabei ausnutzte. Doch sofort drückte mich Franco wieder auf die Trage.

„Liegen bleiben!", befahl er streng und ich schaute ihn entschuldigend an, ehe ich mich wieder Stephan zuwandte.  

„Was wenn ich das aber nicht möchte? Ich kenne die Person nicht. Muss ich nicht auch damit einverstanden sein, dass ich zu dem Typen komme?", fragte ich Stephan aufgebracht.
Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Da liegt man mal eine Weile flach und dann wird man einfach an den nächst Besten weitergereicht.

„Nicht aufregen, Jane. Du kennst die Person schon und du musst dir keine Sorgen machen. Wenn du es nicht möchtest, dann musst du auch nicht zu ihm ziehen."

„Wer ist es jetzt?", fragte ich ungeduldig. Musste mich Stephan so auf die Folter spannen?

„Robin hat dich adoptiert.", brach es schließlich aus Stephan heraus.

„Robin Sturm?", fragte ich verwundert nach. Damit hatte ich jetzt in keinem Fall gerechnet.

„Ja, genau dieser Robin.", sagte Stephan noch, als er von Phil aus den Krankenwagen verlassen musste. Der Notarzt wollte nämlich endlich losfahren.

„Warum um Himmels willen macht er das?", fragte ich in die Runde. Phil und Franco standen um mich herum und schauten zu mir herunter.

„Du bist ihm ans Herz gewachsen.", erklärte mir Franco. „Er hat sich schreckliche Sorgen um dich gemacht."

„Da wäre er der erste seit Jahren.", murmelte ich und schloss die Augen. Nach dieser Überraschung fühlte ich mich noch erschöpfter, als ich es vornherein schon war.

„Der Puls ist viel zu niedrig.", hörte ich leise die Stimme von Phil. Ich spürte wie er mir wieder etwas in den Zugang spritze.

„Jane, machst du bitte die Augen auf?"

Ich ließ gegen meinen Willen die Augen geschlossen, weil ich die Lider einfach nicht mehr heben konnte.

„Kannst du kurz meine Hand drücken, wenn du mich hörst?"

Ich drückte Phils Hand, die in meiner lag.

„Okay, gut. Wir legen dir einen weiteren Zugang, es wir kurz pieken.", bereitete mich Phil auf den nächsten Schritt vor. Ich spürte den Einstich an meinem Handrücken kaum. Dann gaben sie mir noch einige weiter Medikamente, bis Phil mit meinem Zustand einverstanden war.

„Gut wir können jetzt los.", sagte Phil zu dem Sanitäter, der schon auf den Fahrersitz saß. In diesem Moment ging die Tür auf.

„Könnt ihr noch Robin mitnehmen? Er möchte unbedingt wissen wie es Jane geht.", fragte Stephan nach.

„Ja, er soll sich vorne auf den Beifahrersitz setzten, damit wir jetzt wirklich losfahren können.", erklang Phils Stimme.
Ich wehrte mich währenddessen nicht mehr gegen die Müdigkeit. Ich entspannte mich und lies meinen Körper langsam in den wohlersehnten Schlaf fallen.

„Das wird alles wieder.", hörte ich noch die Stimme von Robin, bevor ich weg war.

Wenn ein paar Tage deine Welt verändern (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt