Wolf at the door

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Am nächsten Tag ging es mir nicht besser, ich hatte wieder furchtbar geschlafen und dem entsprechend sah ich auch aus. Die Ringe unter meinen verquollenen Augen waren so gut wie schwarz und meine dunkelblonden Haare lagen vom vielen hin und her wälzten Kreuz und quer auf meinem Kopf. Müde blickte mich mein Spiegelbild aus dem von schwarzem Holz umrahmten Spiegel an. Ein Notizzettel der an der ovalen Scheibe klebte, erinnerte mich daran das ich mich noch bei dem Café bewerben musste. Aber so konnte ich auf keinen Fall rausgehen. Ich kämmte mir also meine Löwenmähne und trimmte sie mittels Haarbürste zu einem Pferdeschwanz. Ich wankte ins Bad und putzte meine Zähne, um den eckigen Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben. Nachdem ich mein Gesicht gewaschen hatte klatschte ich Concealer und ordentlich Puder auf meine Visage. Ich betrachtete mein Werk. Das sah zwar überhaupt nicht nach mir aus, ich schminkte mich so gut wie nie, es war gegen meine Prinzipien meine Gesicht so zuzumalen das man nichts mehr von der ursprünglichen Person erkannte. Egal, immerhin sah man jetzt die schwarzen Ringe unter meinen Augen nicht mehr. Gut. Jetzt noch ein bisschen Mascara. Hups, jetzt hätte ich mir beinahe das Auge ausgestochen. So, fertig. Ich drückte noch kurz meine Bewerbung aus und machte mich dann auf den Weg.

Beim Café angekommen atmete ich noch einmal tief durch und öffnete dann die Tür. Sofort würde ich von einem angenehmen Duft eingehüllt und meine Fantasie trug mich zurück in die Küche meiner Oma. Es roch fabelhaft nach frisch gebackenen Keksen und gerösteten Kaffeebohnen. Ich schlängelte mich zwischen den bunten Tischchen und Sofas hindurch. Keines der Möbel glich dem anderen in irgendeiner Weise, aber irgendwie passten sie trotzdem zusammen. Ich steuerte auf den Tresen zu. Er war mit Comicseiten beklebt, sodass man die ursprüngliche Farbe garnicht mehr sah. Darüber hing ein Bild aus dem mich ein grauer Wolf mit gebleckten Zähnen aus anstarrte. Unter der Zeichnung stand Wolf at the door. Das war wohl der Name dieser Einrichtung. Neben der Theke stand eine grosse Glasvitrine aus der mich verschiedene Kuchen und Tartes verführerisch anlächelten. Schnell wand ich den Blick ab und liess ihn umherschweifen. Der Raum war leer. Eine Bahnhofsuhr die über dem Ladentisch angebracht war verriet mir, das es erst neun Uhr war. Die meisten Leute schliefen entweder noch oder waren am arbeiten. Ich konnte zwar nirgends eine Bedienung erkennen, aber ich hörte lautes Lachen aus einem Nebenraum und jemand sang wunderschön zu Dawid Bowies 'Heroes'. Auf der Theke stand eine Kuhglocke. Ich hob sie hoch und schüttelte sie einmal kräftig. Die Türe hinter der Glasvitrine öffnete sich und eine hübsche Afro-amerikanerin lächelte mich an. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln, es brachte ihr gesamtes Gesicht zum strahlen. ,,Hi, how are you?"
,,Hi," lächelte ich zurück. ,,I'm fine,"
,,How can i help you darling?" Auf englisch erklärte ich ihr, das ich mich bei der freien Stelle bewerben wollte. ,,Oh, i'm sorry, my boss isn't here, but he'll come in a half hour." Entschuldigend sah sie mich an. Ich winkte ab. ,,Ah, that's no problem, i'll wate here."
Sie nickte und lud mich prompt auf einen Kaffee ein. Ehrlich gesagt hasse ich Kaffee, ich wollte aber nicht unhöflich sein. Da sie momentan gerade keine Kundschaft hatte setzten wir uns an einen kleinen Tisch. Sie war mir von Anfang an sympathisch, weil sie so spontan und direkt war. Ihre lebensfrohe Ausstrahlung und ihr Lachen hatte mich sofort angesteckt und ihre volle Stimme hatte mich in ihren Bann gezogen. Wahrscheinlich war sie es die vorhin gesungen hatte. Sie hiess übrigens Eden und hatte grosse, dunkle Augen, die an schwarze Schokolade erinnerten. Sie hatte sie mit pinkem Lidschatten unterstrichen. Bei mir hätte das wahrscheinlich schrecklich ausgesehen, doch ihr stand es super.
Inzwischen hatten sich eine weitere Bedienstete zu uns gesellt. Eine grosse Frau mit dem Namen Maja. Sie hatte ihre braunen Haare zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt und ihr knochiges Gesicht war weitgehend ungeschminkt. Ihre Haut hatte einen hellen Bronzeton und war von lauter kleinen Sommersprossen gesprenkelt. Ihre rauchige Stimme passte wunderbar zu ihrem sarkastischen Humor, den sie oft zur Geltung brachte.
Meine anfängliche Anspannung war mittlerweile von mir abgefallen, trotz meinem schlechten Englisch verstand ich mich prächtig mit den beiden jungen Frauen. Sowieso herrschte hier eine total angenehme Atmosphäre. Die Bediensteten lachten und scherzten miteinander und man kannte sich untereinander, sie unternahmen laut Eden oft Sachen miteinander.
Nach exakt einer halben Stunde betrat ein junger Mann das Café. Er hatte helles, beinahe weisses Haar und lächelte mich mit diesem typischen Zahnpastawerbung-Smile an.
,,Hi girls," rief er laut in den Raum. Er hatte trotz seinem Alter eine helle, jugendhafte Stimme, die er wahrscheinlich versuchte mit seinem Aussehen wettzumachen. Er hatte breite, durchtrainierte Schultern und ziemlich aufgeblasene Muskeln von der Bodybuilder Sorte. Wahrscheinlich ging er regelmässig Pumpen, manchen Frauen mochte das ja gefallen, aber ich fand es einfach nur ekelhaft.
,,Hi Henry," kam die Antwort von den zwei Mädels neben mir wie aus einem Munde. ,,Hi, im Luna." Ich stand auf und hielt ihm meine Hand hin. ,,Henry," er ergriff sie und zerquetschte sie fast. Er hielt Maja und Eden seine Einkäufe hin und die zwei machten sich daran sie zu versorgen. Unterdessen hatte er sich an meinen Tisch gesetzt und hatte sich meine Bewerbungsmappe angeschaut. ,,Oh, you are from Switzerland?"
,,Yes," ,,Das steht ja in meiner Mappe du Idiot!" Dachte ich und verdrehte innerlich die Augen, versuchte aber mir gegen aussen nichts anzumerken zu lassen. Der Typ bemerkte das wahrscheinlich eh' nicht, er schien von meinem Ausschnitt geradezu hypnotisiert zu sein. Er schwieg. Ich räusperte mich und seine Augen schnellten zum Glück nach oben.
,,Dann kannst du bestimmt deutsch reden oder?" ,,Ja,"sagte ich überrascht.
,,Du ja anscheinend auch!"
Er nickte und erklärte mir, das er in Deutschland bei seinen Grosseltern aufgewachsen war, während seine Eltern hierhin L.A. das Café eröffnet hatten um Geld zu verdienen, da sie damals sehr arm gewesen waren. Dabei sah er mich aus seinen blauen Augen Mitleid heischend an. Ich stieg voll drauf ein und sagte ihm wie arm er doch wäre und wie sehr leid er mir doch täte. Eine Stunde später verliess ich das Café mit einem unterschrieben Vertag in dem stand das ich jeweils montags bis freitags arbeitete. Ich
musste 40 Stunden innerhalb von meinen fünf Arbeitstagen arbeiten, konnte mir aber selbst einteilen wann ich das tat.

Als ich wieder zuhause war setzte ich mich an den Küchentisch und überlegte, wie ich mir die Arbeitsstunden einteilen wollte. Am Schluss hatte ich mich darauf geeinigt, die ersten vier Wochentage von acht bis um 17 Uhr zu arbeiten, (von 12 bis 13Uhr rechnete ich mir eine Mittagspause ein). Am Freitag wollte ich von zehn Uhr bis um 19Uhr, dafür aber die Mittagspause eine Stunde nach hinten verlegen. Ich schrieb Henry eine SMS. Eine Sekunde später kam schon die Antwort:
Super Süsse, das passt.
Hatte der mich gerade ernsthaft Süsse genannt?! Ich meine ok, Eden nannte mich Honey oder Sweety, aber das war etwas anderes. Sie war meine Freundin (das hatte sie mir im Café auf ihre direkte, aufrichtige Art mitgeteilt) und eine Frau, aber Henry war zweifellos ein Mann und er war weder schwul noch war er mein bester Freund oder Freund. Er war mein Chef und weiter nichts.
Hast du Lust heute mit mir feiern zu gehen?
Was sollte das denn? Ich meine erstens mal war es Montag, da ging man nicht einfach so ohne Grund feiern und schon garnicht mit seinem Boss. Schon im 'Wolf Art the door' hatte er heftigstens mit mir geflirtet und jetzt hatte ich nicht mal zuhause Ruhe vor ihm. Ganz klar nein. Nur wie konnte ich dieses 'Nein' höflich verpacken ohne das es nach einer Abfuhr klang? Ich hatte eine Idee.
Tut mit leid, ich hatte vor zwei Wochen eine ziemlich heftige Lungenentzündung, ich darf zwar schon wieder arbeiten, muss mich aber noch schonen.
So, jetzt hatte ich meinen Kopf aus der Schlinge gezogen. Zumindest vorerst.
Seine Antwort kam keine Sekunde später.
Oh du arme, ich wünsche dir gute Besserung :*. Hat man aber gar nicht gemerkt, du sahst voll fit aus.

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So, finish. Übrigens, in Amerika und so ist das in Geschäften üblich how are you zu fragen und seine Kunden (überwiegend die weiblichen) Honey, Sweetie, Darling oder auch Sugar oder so zu nennen.
Gibt nichts mehr zu sagen,
Bye,
Lou⚓️🎀💭

Friendshit (Tom Kaulitz ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt