Wenn die Vergangenheit klopft, mach nicht die Tür auf

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Wir saßen noch weiter auf dem Boden mit den anderen. Der Boden war kühl, ganz anders als die Temperatur draußen. Die Sonne schien von draußen rein und erleuchtete ungefähr die Hälfte von unserem Kreis. Ich saß mit Jess und Alex auf der "hellen" Seite. Auf der anderen Seite saß ein Mädchen mit einem Typen und Thy lehnte mit einem anderen Typ an der Wand.
Komisch, dachte ich, der ist mir gar nicht aufgefallen.
Ich musterte ihn. Er war größer als Thy, hatte eine normale Körperform und schwarze Haare, die er nach hinten gegelt hatte. Seine Augen waren schwarz umrandet und er hatte mehrere Piercings im Gesicht. Er trug eine schwarze Hose und ein dunkelrotes Shirt mit einer dunklen Jacke drüber. An seinen Händen konnte ich sehen, dass er tätowiert war. Er stand einfach nur so da und spielte mit einem Messer.
Psycho, dachte ich, ließ es mir aber nicht anmerken. In dem Moment hob er seinen Kopf und fixierte mich. Er grinste. Ohne etwas zu sagen verzog er sein Gesicht immer weiter, bis er mich böse anfunkelte, langsam sein Messer sinken ließ und weg schaute.
Sein Grinsen hat er dabei nicht verloren.
Was sollte das denn? fragte ich mich.
,,Also Leute ich geh dann mal" meldete sich plötzlich das Mädchen, das ich noch nicht kannte. Sie stellte ihre leere Flasche auf dem Boden ab, nahm ihre Tasche und verschwand mit den Worten ,,man sieht sich". ,,Warte!" meldete sich der Mann neben ihr. ,,Ich brauche noch Kippen, ich komme mit." Er stand auf und folgte ihr. Von den anderen kamen einige Abschiedsworte, dann wand sich wieder jeder seinem Gespräch zu. Alex saß nun alleine, also begann ich mit ihm zu reden.
,,Wer ist das?" fragte ich gerade heraus und deutete auf den Typ der mich so wütend abgedunkelt hat.
,,Wir nennen ihn Jake, aber genau wissen wir das auch nicht. Er redet nicht viel. Er lässt Taten sprechen."
,,Das habe ich gemerkt. Wie ist er so?"
,,Er ist ein guter Kumpel, der meist mehr zuhört als dass er selber erzählt. Wir wissen fast nichts über ihn. Jess hat den besten Draht zu ihm, sie kennen sich schon länger. Jess hat ihn vor 2 Jahre mitgebracht als wir zusammen zu einem Konzert wollten. Danach war er Teil unserer Gruppe."

,,Warum redet er nicht? " fragte ich.

,,Ah, keine Ahnung. Schwere Vergangenheit oder so, glaub ich."

Ein lautes Klirren riss mich aus dem Gespräch. Ich folgte dem Geräusch mit den Augen und sah Jake, wie er wütend zu uns rüber schaut. Vor ihm ein Haufen Scherben und nebendran Thy, der abwechselnd zu uns und zu ihm blickt, gespannt was jetzt passiert.
,,Zieh deine Psycho Scheiße woanders ab, Alex" zischte er. Alle waren still, sogar Jess blickte ungläubig von ihrem Handy auf.
Nochmals visierte er uns angestrengt und das wütende Funkeln in seinen dunklen Augen wurde immer intensiver. Dann machte er auf den Absatz kehrt und verschwand nach draußen. Jess stand auf und lief ihm stumm hinterher.

,,Ups, was ist denn da los?" fragte Thy amüsiert.
,, Was gibt's da zu lachen, Thy?" gab Alex zurück. ,,Du weißt doch wie wütend er wird, wenn ihm was nicht passt."
,,Ja und? Er hat gerade mein Bier auf den Boden geschmissen. Ich glaube nicht, dass er nochmal einen drauf setzt. Wenn, dann kriegst du noch was ab." Thy lachte wieder.
Ungläubig saß ich dazwischen und beobachtete die zwei nur.
,,Ach fick dich, Thy" lachte Alex und tat beleidigt.
,,Mal was anderes, hast du Lust zum Strand zu gehen?" fragte Thy plötzlich.
,,Klar man, ist eh zu heiß hier" antwortete Alex und stand auf. Er räumte die Sachen zusammen und machte die Musik aus.
,, Kommst du auch mit? " fragte Thy. Erst dann bemerkte ich, dass er direkt vor mir stand.
,, Ich habe keine Badesachen dabei," stammelte ich.
,,Und?" fragte er ironisch und zog die Augenbrauen hoch. Schelmisch schaute er auf meinen Körper.
,,ich glaube nicht, dass uns das stört"
Ich konnte mir ein lächeln nicht unterdrücken. Nach Hause wollte ich sowieso nicht, also warum nicht.
,,Sonst geh ich nicht weit ins Wasser"
,,also kommst du mit? " fragte jetzt auch Alex.
,,Warum nicht. " gab ich zurück.
,,Na dann, komm. " sagte Thy und hielt mir seine Hand hin, damit ich aufstehen konnte. Dankbar nahm ich sie und er half mir auf die Beine. ,,Danke" sagte ich und schaute auf unsere Hände, die immer noch ineinander verschränkt waren.
Auch er bemerkte es und sah mir tief in die Augen. Langsam zog er seine Hand weg und ging zu seinen Sachen, aber nicht ohne mir davor zuzuzwinkern. Wow, dachte ich. Was war das denn? Doch bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, liefen wir schon aus der Tiefgarage. Ich folgte ihnen, nachdem ich meine Tasche geholt hatte. Alex lief voraus, mit zwei Sixer Bier in den Händen und seinem Handtuch über der Schulter. Dahinter Thy, der eine große Tasche trug. Auf dem Weg redeten wir über alles, nur nichts ernstes. Wir redeten über Musik, Freunde und Partys. Nur nicht über die Familie. Das war mir gerade recht. Auch über meinen ex wollte ich nicht reden, doch da klingelte mein Handy. Wenn man vom Teufel spricht.
Alex schaute auf mein Display. ,,ist er das?"
,,ja" sagte ich.
,,Der Penner, der dich geschlagen hat?" fragte Thy.
,,Ja.."
Noch bevor ich schauen konnte, griff er nach meinem Handy, nahm den Anruf entgegen und stellte ihn auf Lautsprecher.
,,Schatz endlich gehst du ran. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Du weißt doch, dass ich das nicht wollte. Wir sind doch perfekt zusammen. Es tut mir so leid...." tönte es aus dem Lautsprecher.
,,Hör mal zu, du Kackratte, wenn ich dich in die Finger bekomme, dann setzt es was. Ich wünsche dir, dass du sie nie wieder auch nur versuchst anzurufen. Du lässt sie in Ruhe, sonst regeln wir das. Hab ich mich deutlich genug ausgedrückt?" Gab Thy wütend zurück.
,,Wer bist du? Du führst dich auf wie ihr neuer" antwortete er schockiert.
,, Vielleicht wäre ich das ja gern. Aber das tut nichts zur Sache. Wir machen uns jetzt einen schönen Tag am Strand und wehe du rufst nochmal an. Bis dann, du Penner" sagte Thy selbstsicher und legte auf, bevor er noch etwas sagen konnte.

,,Danke, wirklich. Ich hätte das selbst nie geschafft." Lächelte ich ihn an.
,,Gern geschehen. Den bist du hoffentlich los"

Bis zum Strand dauerte es noch ca 15 Minuten aber wir füllten den Weg mit Gesprächen und Bier. Natürlich nur, damit Alex nicht so viel tragen muss.
Irgendwann fing ich an zu erzählen, dass wir früher schon oft gestritten haben, er aber nie handgreiflich wurde. Aufmerksam hörten die beiden zu. Nachdem ich fertig war, schaute Alex zu Boden und auch Thy sagte nichts. ,,Hab ich was falsches gesagt?" fragte ich endlich.
,,Nein...nur.. Jakes Vater hat seine Mutter geschlagen. Mehrmals. Sie hat sich nie getrennt. Ich hoffe du bist nicht so. Du bist viel zu gut für sowas" gab Thy zurück.
,,Das wusste ich nicht" sagte ich.
Den restlichen Weg schwiegen wir. Am Strand angekommen legten wir uns erstmal auf unsere Handtücher und tranken noch ein Bier.
,,Es ist so heiß hier" jammerte Alex, doch ich hörte ihn gar nicht. Meine Augen waren auf jemand gerichtet, der hinter uns auftauchte. Jason. Langsam begannen sie zu begreifen und drehten sich um. Jason kam geradewegs auf uns zu und sah ziemlich angepisst aus.
,,oh nein" sagte ich und sah zu Thy. Der hatte aber anderes im Sinn. Er schaute belustigt zu Jason.
,,Lass uns spielen," sagte er, lachte und stand auf.

Wenn sich alte Türen schließen...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt