Kapitel 12

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Miras Sicht *eine Woche später*

Langsam öffnete ich meine Augen und drehte meinen Kopf zur Seite. Es war acht Uhr. Ich streckte mich. Nur leider hatte ich dabei nicht bedacht, wie weit ich mich dabei rolle. Unsanft landete ich auf dem Boden. Ich richtete mich auf und und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Danach trottete ich die Treppen hienunter in die Küche und machte mir Frühstück. Es war nur noch das Zeug für Rührei da und den Rest hatte ich schon wieder aufgegessen. Gähnend schob ich mein Essen von der Pfanne auf meinen Teller und ließ mich auf einen Stuhl am Küchentisch fallen. Verschlafen stocherte ich in meinem essen herum und nahm mein handy in die Hand. Auf dem Bildschirm war eine Nachricht zu erkennen. Dad: [Alles Gute zum Geburtstag mein Schatz!]
Stimmt. Das war ja heute. Ein Wunder, dass er daran gedacht hatte. Ich verdrehte die Augen und legte mein Telefon auf den Tisch. Nachdem ich meinen Teller abgespült hatte, zog ich mir normale Kleidung an und sezte mich auch die Couch und schaltete den Fernseher an. Es liefen wie immer ein paar Reality-shows, Kinderserien und irgendwelche langweiligen Dokus. Egal welcher Sender eingeschaltet war, es war lästig oder zum Einschlafen. Dann geh ich halt einkaufen. Es gab ja sonst nichts zu tun. Bevor ich letztendlich das Haus verließ, zog ich mir meine Lederjacke über meine Kapuzenjacke an und steckte einen Schlüssel ein.

Das Wetter war wie immer. Kalt und windig. Trotzdem waren Massen von Leuten unterwegs. Missmutig zog ich mir meine Kapuze ins Gesicht und ging in die Richtung des nahegelegenen Landens. Mit Kopfhörern in den Ohren huschte ich durch die Straßen bis ich bei dem Geschäft angekommen war. Der Laden war zu meinem Glück fast leer. Also schlenderte ich durch die Gänge und nahm mir ein paar Waren aus den Regalen. Gerade stand ich vor der Kühltheke als ich aus dem Augenwinkel sah wie mich ein Mädchen von der Seite anstarrte. Sie wahr etwas jünger als ich. Ihre himmerblauen Augen musterten mich scheu. Etwas skeptisch und verwirrt nahm ich mir was ich brauchte und ging mit schnellen Schritten zur Kasse. Ich zahlte und ging den Weg wieder zurück.

Die grauen Wolken waren immer noch genau so dicht wie vorher. Ich drehte meine Musik etwas lauter und lief den Weg wieder zurück. Das Lied wurde aber unterbrochen von dem Klingelton meines Handys. Wer wollte den jetzt was von mir? Also zog ich mein Telefon aus meiner Hosentasche und sah auf das Display. Es blinkte der Name meiner großen Schwester Sofia auf.

(M=Mira S=Sofia)

M: Hey Sofia.

S: Alles Gute!!! Meine kleine Schwester ist 15. Du bist ja schon so groß.

M: Danke. Wie gehts dir?

S: Mir geht es gut. Es ist eigentlich alles wie immer. Wie kommst du zurecht in Russland?

M: So weit so gut. Ich bin halt die meiste Zeit allein. Papa ist viel im Büro. Aber die letzte Woche war... naja... Ausergewöhnlich.

S: Das kann ich mir denken, Tigress. *lach*

M: Tigress? Was meinst du? Du machst mir Angst.

S: Scheiße mein boss ist da. Ich ruf dich nachher nochmal an.

*klick*

Aufgelegt. Das war komisch. Warum nannte sie mich Tigress? Aber vermutlich wahr dabei sowieso nichts dahinter. Sie redet sehr viel wirres Zeug. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Kopfschüttelnd steckte ich mein Handy in die Jackentasche und lief weiter. Nach einer Weile merkte ich Geflüster hinter mir. Großteils ignorierte ich es aber es hörte nicht auf. Verschiedene Leute sahen mir hinterher und immer wieder hörte ich das gleiche Wort. Tigress. Ich beschleunigte meine Schritte und versuchte so wenig wie möglich vom Boden auf zu sehen. Doch irgendwann erkannte ich aus dem Augenwinkel ein Mädchen, dass scheu von der Seite zu mir blickte und auf mich zulief als ich in ihrer Nähe war. Sie stand direkt vor mir. Skeptisch sah ich sie an. Sie lächelte zurückhaltend und kaute auf ihrer Lippe herum. "Ähmm... Könnte ich vielleicht... ähm.." stotterte sie und sah auf den Boden, "ein Autogramm haben?" Skeptisch legte ich meinen Kopf schief. "Bitte was?" fragte ich entgeistert und zog eine Augenbraue hoch. Der Blick des Mädchens war verwundert und sie zog ihr Handy raus um es mir anschließend ins Gesicht zu halten. "Das bist doch du?" fragte sie und zeigte auf ihr Display. Dort lief ein Video von einem Mädchen, dass eislief. Und es zeigte wirklich mich. Es war die Choreografie von Plisetsky, die ich in Japan gelaufen bin. Aber wer hat das aufgenommen? Und warum war es im Internet!? Als ich auf den Titel sah wurde mir einiges klar. Black Tigress. Das Mädchen unterbrach meine Gedanken und drückte mir einen Stift in die Hand. Außerdem streckte sie mir ein Paar Schlittschuhe entgegen und teilte mir mit, ich solle darauf unterschreiben. Perplex kritzelte ich "Black Tigress" in einer aufwendigen Schrift darauf und reichte sie ihr wieder. Überglücklich umarmte sie mich, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Jeder Muskel in meinem Körper verkrampfte sich und ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Ich will hier weg. Als sie endlich losließ murmelte ich ein "Tschüss" und rannte.

Solange bis ich zuhause angekommen war. Ich sperrte die Tür auf und lief in den Gang. Dort lehnte ich mich gegen die Wand um durch zu atmen. Nach ein paar Minuten richtete mich auf und ging in die Küche. Sofort plazierte ich meinen Laptop auf dem Tisch und gab in Rekordzeit das Passwort ein. Ich suchte auf allen Social Media Platformen nach "Black Tigress". Das Video wurde gefühlte tausend mal reposted und es dauerte eine Ewigkeit den ursprünglichen Post zu finden. Aber dank meines Talents zu recherchieren, wurde ich letztendlich dann doch fündig. Das Video wurde auf der Seite des Eisrings in Hasetsu veröffentlicht und es wurde wahrscheinlich aufgrund des Yuri vs. Yuuri Wettbewerbs mehrmals angeklickt und reposted. In diesem Moment schoss mir wieder eine Erinnerung in den Kopf. Als ich damals das Agape Programm tanzte und danach den Ring verließ, sprangen die drei kleinen Kinder der Besitzer der Eishalle total aufgeregt durch die Gegend. Und wenn ich mich recht erinnere, fuchtelten sie wie wild mit einer Kamera durch die Gegend.

"Das kann doch nicht wahr sein!! Diese verdammten Gören!" schrie ich durch das ganze Haus und sprang auf. Mein Stuhl fiel mit einem lauten Krachen zu Boden. Wütend trat ich nochmal dagegen und das Möbelstück schliderte bis an das andere Ende des Raumes. Schwer atmend stand ich da und starrte auf das Display des Laptops bis ich das Gerät zusammen klappte und in Richtung Tür lief. Ich brauche frische Luft. Ich stürmte aus der Haustür, riss meine Jacke von der Gaderobe und rannte einfach in irgendeine Richtung.

Es hatte angefangen zu regnen und der Wind war stärker als vorher. Aber trotzdem hörte ich nicht auf zu rennen. Weg. Weg von allem. Den Menschen. Dem Internet. Oder generell der Gesellschaft. Das Alles unterstützte nur meine Gründe, warum ich so verschlossen war. Hätte ich damals nur die Tür zugeschlagen wäre das alles nicht passiert. Wütend biss ich mir auf die Zähne und verlangsamte meine Geschwindigkeit, bis ich zum Stehen kam. Erschöpft legte ich meinen Kopf ins Genick und sah nach oben. Die Wolkendecke hatte sich gelockert und die Wassertropfen wurden weniger. Ich sah mich um. In diesem Stadtteil war ich noch nie gewesen. Kein Wunder. Schön war es hier offensichtlich nicht. Viele der Häuser waren nahezu Ruinen oder baufällig. Da ich nicht den Wunsch hatte hier länger zu bleiben, drehte ich wieder um. Durch das Laufen baute ich oft meine Wut ab. Ohne das wäre ich nur noch agressiv und würde höchstwahrscheinlich auf Leute losgehen. Warum war ich so. Das fragte ich mich nahezu jeden Tag. Mit schnellen Schritten lief ich die Straßen wieder zurück. Neben mir war immer wieder das Geräusch von verbei fahrenden Autos zu hören. Missmutig steckte ich meine Hände in die Jackentaschen und sah weiter auf den Boden. Aus irgendeinem Grund kam genau jetzt diese eine Erinnerung wieder hoch. Den einen Spruch den meine Mutter immer sagte. "Sein nicht traurig. Nach dem Regen ist immer ein Regenbogen zu sehen." Was ist daran den bitte gut. Es muss ja erstmal regnen und ich seh nicht wirklich das Gute darin. Und wenn schon. Wo bleibt dann mein verdammter Regenbogen. Ich ballte meine Fäuste und fing an zu rennen, bis ich zuhause angelangt war.

Wütend schmiss ich meine Jacke auf den Boden und schmiss den Schlüssel hinterher. Seufzend schleppte ich mich auf die Couch und ließ mich nach vorne fallen. Langsam drehte ich mich um und starrte an die Decke.

Nach kurzer Zeit schlief ich ein. Ich will doch einfach nur meine Ruhe.


Little miss perfect (Yuri Plisetsky)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt