Befragungen

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Jetzt konnte es losgehen. Alle hatten ihre Sachen gepackt und standen bei ihren Dienstwagen. Es kamen nicht nur die Detectives der Mordkommission mit, sondern auch ein paar Cops aus dem Streifendienst – unter ihnen auch Frankie. Die recht große Gruppe an Beamten teilte sich in vier kleinere, so konnten sie sich um alle Verdächtigen gleichzeitig kümmern. Beinahe gleichzeitig stieg jeder in seinen Wagen und nacheinander fuhren alle vom Parkplatz.
Jane hatte mit Frost ihren Dienstwagen besetzt und fuhr zu einem Mann namens Darel Menning. Er wohnte mitten der Innenstadt, nur wenige Blocks vom Präsidium entfernt und seine Polizeiakte war komplett leer. Eine blütenweiße Weste. Von ihm erwarteten sie eigentlich auch keine Probleme. Bestimmt hatte er eine plausible Erklärung, wieso er nicht ans Telefon gegangen war.
Anders sah es bei demjenigen aus, dem Korsak und zwei junge Beatme einen Besuch abstatten sollten. Der werte Herr Andrew Skeeters hatte ein Vorstrafenregister, länger als die chinesische Mauer. Lärmbelästigung, Beleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, etc. etc. Von solchen Leuten erwartete man ja schon aus Prinzip, dass sie Dreck am Stecken hatten. Wo war er wohl gewesen, als sie versucht hatten ihn anzurufen? Und wie war er mit so vielen Vorstrafen überhaupt an seinen Job gekommen?
Norman Grey, der von Piers und Frankie besucht wurde, hatte noch keinen Ärger gemacht und ihn kannte man sogar schon, denn er war derjenige, der nach der ganzen Aktion alle darüber aufgeklärt hatte, was im Labor passiert war. Es schien ihnen auch eher unwahrscheinlich, dass er der Täter war, oder dass er überhaupt mit da drin steckte. Andererseits könnte er auch die Leute abgelenkt haben, während seine Kollegen die Beweise geklaut haben. Also war er entweder komplett unschuldig und ahnungslos oder er steckte mittendrin...
Die übrigen Beamten statteten der einzigen Frau des Teams einen Besuch ab. Nancy Coville kam vor kurzem aus Europa, hatte sich dort anscheinend recht gut benommen und verrichtete laut ihrem Chef einen sehr guten Job, war verlässlich und fähig und noch nie negativ aufgefallen. Da konnte ja nicht viel schiefgehen, dachten sich die Beamten.


Sie waren allerdings diejenigen, die nach den Befragungen nicht zur Besprechung auftauchten. Man hatte verabredet sich nach zwei Stunden im Besprechungsraum zu treffen, um sich über die Ergebnisse auszutauschen. Die meisten waren sogar schon früher da.
Jane und Frost waren die ersten gewesen, die sich mit einem Snack und einem kühlen Getränk aus dem Café dort niedergelassen hatten. Nach ihnen waren Piers und Frankie mit Kaffeebechern in der Hand dazu gekommen und kurz vor knapp hatten auch Korsak und die zwei Beamten ihren Weg zum Besprechungsraum gefunden.
Es fehlte nur noch die vierte Gruppe. Die tauchte jedoch nicht auf. Nicht nach zehn Minuten, nicht nach zwanzig und nach einer halben Stunde, als der Kaffee getrunken und die Snacks gegessen waren, rief Korsak die Beamten auf dem Handy an. Jedoch ging auch da nach mehreren Versuchen niemand ran und man sah sich ratlos an.

„Was jetzt?", fragte Frost.
„Vielleicht sind sie noch bei der Befragung. Wir können ja schon mal anfangen und wenn sie dann immer noch nicht da sind fahren wir hin und schauen was los ist", schlug Jane vor.
Sie wollte zumindest ein paar Ergebnisse haben, ehe wieder alle Panik schoben.
„Gut, dann fang ich an", bestimmte Korsak, der sich dieses Theater von der Seele reden wollte.
Bei ihm und seinen Kollegen vom Streifendienst war nämlich so einiges los gewesen: „Es war schon abzusehen, dass es Stress gibt, bei seinem Register, aber dass er so ein Theater macht... Noch bevor wir überhaupt bis zur Haustür gekommen sind at der uns der ein offenes Fenster angebrüllt. Nannte uns Bullenschweine und Mistkerle. Offenbar sahen wir schon Weitem unsympathisch genug aus um mit Klopapierrollen beworfen zu werden und es hat ewig gedauert, bis wir überhaupt mit ihm reden konnten. Ziemlich widerwillig und äußerst beleidigend hat er uns schließlich erzählt, dass er nicht ans Telefon gehen konnte, weil er es letzte Woche auf einen Streifenwagen geworfen hat. Ich hab's überprüft, die Aussage stimmt... Und er hat uns lautstark versichert, dass er nichts geklaut hat und keine Ahnung, weshalb wir überhaupt bei ihm auf der Matte standen. Nicht der beste Umgang, wirkte auf mich aber schon ehrlich."
„Er hat das Telefon auf einen Streifenwagen geworfen?", hakte Frost lachend nach.
„Ja! Unglaublich, oder?"
Ein amüsiertes Lachen ging durch die Runde, zusammen mit einem „gut, dass wir da nicht hin mussten" von Jane.
„Lief es denn bei euch besser?", fragte schließlich einer der Beamten, die mit Korsak unterwegs gewesen waren, in den Raum.
„Also bei uns schon", verkündete Frost, „Wir wurden freundlich begrüßt, hereingebeten und konnten in Ruhe unsere Fragen stellen."
„Genau", stimmte Jane zu, „Er war wirklich nett. Und er sagte, er konnte nicht ans Telefon gehen, weil er unter der Dusche gestanden hatte. Duscht echt lange, der Kerl. Auch er hat uns versichert er wüsste nichts von dem Diebstahl – nur wesentlich höflicher. Ich weiß nicht, ob wir ihm das so einfach glauben können, aber zumindest wirkte er ehrlich und hat einen guten Eindruck gemacht. Das könnte natürlich auch nur eine Masche sein..."
„Klingt doch gut", fand Frankie, „Und so ähnlich lief es bei uns auch. Er war sofort bereit mit uns zu reden, sehr überrascht, als wir den Diebstahl ansprachen und der Grund, weshalb er nicht ans Telefon ging war ein Fußballspiel seines Sohnes, das er zusammen mit seiner Frau besucht hat. Perfektes Alibi."

„Also haben wir keine wirklich neue Spur", stellte Piers fest und tippte mit den Fingern gegen seinen leeren Kaffeebecher.
„Scheint so", seufzte Jane, „Aber unsere Kollegen sind immer noch nicht zurück und jetzt wird es langsam Zeit sie zu suchen."
Um ihr Recht zu geben standen Korsak und Frost auf, danach erhoben sich auch Frankie, Piers und die Beamten.
„Sollen wir alle mitkommen?", wollte Frankie wissen.
„Zwei von uns sollten reichen. Geht ihr lieber wieder eurer Arbeit nach."
Damit verließen alle Polizisten den Raum und nur die Detectives blieben zurück. Immer noch zu viert schauten sie sich gegenseitig an, bis Korsak schließlich verkündete er könne wohl auch im Büro produktiv sein. Jane schloss sich ihm an und Piers meinte, würde lieber mitkommen, „für den Fall". Dann blieb noch Frost, der sowieso geplant hatte dem Soldaten Gesellschaft zu leisten.
Es konnte direkt weiter gehen und eine Minute später war der Konferenzraum leer.


„Ich fahre!", sagten beide gleichzeitig und hielten die Schlüssel ihrer Wagen hoch.
Einen Moment lang sahen sie sich verdutzt an, dann sagte Piers noch einmal: „Ich fahre."
„Wieso du?", fragte Frost lachend.
„Ich bin der beste Fahrer der BSAA!", meinte Piers genauso amüsiert.
„Na, das will ich sehen", witzelte Frost und ging zur Beifahrertür von Piers' Wagen.
Er sah schon beinahe mehr wie ein Panzer aus, als wie ein Auto. Es war ein typischer Militärjeep in hellen sandfarben gehalten. Auf beiden Seiten war groß das Abzeichen der BSAA Abteilung Nordamerika zu sehen und obwohl Frost glaubte, dass der Soldat auf seinen Einsätzen bestimmt schon einige von diesen seltsamen Monstern plattgefahren hatte war der Wagen sowohl innen als auch außen strahlend sauber. Und dennoch passte er so überhaupt nicht in das Stadtbild.

"Ich will ja nichts sagen, aber eure Leiche ist abgehauen."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt