Das Biest

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Nun standen Jane, Frost und Piers nebeneinander vor allen anderen.
„Wird Zeit dem Ganzen ein Ende zu bereiten!", meinte Piers.
„Wie denn?", fragten Jane und Frost gleichzeitig.
„Kommt mit", war die Antwort und der Jüngere lief los.
Durch eine nahe Nebenstraße kamen sie dem Biest näher, standen jetzt seitlich neben ihm und stoppten wieder.
„In seinem Nacken, seht ihr das?", Piers deutete auf die Stelle.
Als es sich gerade zur anderen Seite drehte konnten die Detectives es auch sehen: Eine rötliche tiefe, aber kleine Narbe saß genau über den Halswirbeln.
„Das ist unsere Chance. Wir müssen nur irgendwie drankommen", erklärte der Scharfschütze.
Er hatte die Schwachstelle bereits entdeckt, als die B.O.W mit dem Rücken zu ihnen an der Fassade entlang geklettert war, aber da hatte sie auch schon angegriffen.
Jane lief los: „Ich sag den Cops Bescheid und hol uns eine Waffe!"
„Warte...!", Frost und dann auch Piers liefen ihr hinterher.


Eigentlich wäre Jane am liebsten direkt ins Gebäude gelaufen, aber an der B.O.W kam sie unmöglich vorbei. Diese trat immer noch wütend lauter Löcher in den Boden. Jane stoppte mitten auf der Straße und stolperte einen Schritt zurück, als das Biest neben ihr auftrat.
Es hatte sich ihr zugewandt und starrte nun finster auf sie herunter. Jane erstarrte und es hob die Fäuste.
„Weg da!", rief Piers.
Frost sprintete auf seine Partnerin zu, packte sie an der Schulter und riss sie mit sich, nur einen Augenblick bevor die übergroße Faust auf den Asphalt donnert – genau auf die Stelle, an welche Jane zuvor noch gestanden hatte.
Noch während die zwei Detectives sich wieder aufrappelten sprintete der Soldat an ihnen vorbei und auf die Bestie zu.
„Was zum Teufel tust du da?!", rief Frost ihm hinterher, als er seiner Partnerin hoch half.
Eine Antwort bekam er nicht. Aber dafür konnten die beiden Detectives, alle umstehenden Cops und die wenigen noch an den Fenstern stehenden Schaulustigen genau beobachten, was Piers nun tat.
Er machte einen Satz auf die Bestie zu, trat auf die große Faust, die noch im Asphalt feststeckte und nahm den Schwung mit für einen Sprung auf den gebeugten Rücken der B.O.W. Wenn er Glück hatte war die lang genug damit beschäftigt ihre Faust aus dem Boden zu ziehen; dann könnte er sich die Schwachstelle zu Nutze machen. Er hielt eines der Taschenmesser in der linken Hand, aufgeklappt, und mit der Rechten versuchte er sich an dem tobenden Fleischberg festzuhalten. Zwei Mal schaffte er es auf die Narbe, die von Nahem doch größer war als gedacht, einzustechen, dann warf die B.O.W ihn ab, wie ein wütender Stier beim Rodeo.
Nur war das Biest noch größer. Und aggressiver. Und stärker.


Der Soldat landete keuchend auf dem harten Asphalt. Das kleine Messer fiel ihm aus der Hand und rutschte noch ein Stück weiter über den Boden. An der schmalen Klinge, aber auch am Griff klebte das dunkle Blut der B.O.W, die gerade versuchte mit ihren viel zu muskulösen Armen an ihren Nacken zu kommen und dabei laut brüllte. Bei dem Versuch taumelte sie rückwärts gegen eins der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Erneut schepperten Glasscherben auf den Bürgersteig.
Und der Weg zum Gebäude des RPD war frei!
„Frost, komm jetzt! Das ist unsere Chance!", rief Jane und rannte erneut los.
Dieses Mal schafften die zwei Detectives es die Eingangstür zu erreichen ohne von dem Biest aufgehalten zu werden. Während Jane schon die Tür aufzog und Richtung Treppenhaus lief drehte Frost sich noch einmal um und warf einen kurzen Blick zurück.
Piers war noch nicht wieder aufgestanden...
Aber am besten konnten sie ihm helfen, wenn sie das Biest erledigen würden. Außerdem standen doch draußen noch genug Cops, die ihm aufhelfen konnte, oder nicht?
Es sei denn die trauten sich nicht näher heran... Aber darüber konnte Frost sich jetzt keine Gedanken machen.
Er rannte hinter seiner Partnerin die Treppen hoch bis nach oben ins Büro. Dort sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Die offene Wand, verteilte Trümmer und Scherben, drei kaputte Schreibtische...
„Da, deine Pistole!", Frost zeigte auf die Überreste eines Schreibtisches.
Direkt daneben war sein eigener, der wie durch ein Wunder noch fast unversehrt dastand. Schnell zog er die Schublade auf und nahm seine Pistole heraus. Im selben Moment hatte Jane ihre aufgehoben.
Einen Moment lang schauten sie durch das Loch hinunter auf die Straße. Von hier konnte man die B.O.W, die Cops und auch weiter abseits die Verletzten und Maura gut sehen.
Frost entdeckte auch Piers: „Jane, er ist immer noch nicht aufgestanden...!"
Und es hatte sich tatsächlich noch kein einziger anderer Cop näher herangetraut.
„Dann müssen wir wohl seinen Job übernehmen", befand Jane, „Er hat die Schwachstelle ja sehr gut markiert."
Frost schmunzelte: „Glaubst du, wir treffen von hier aus?"
„Klar, so klein ist das Vieh ja nicht. Na los, Feuer frei!"


Die B.O.W brüllte laut und schmerzerfüllt. Sie ward die Arme wild durch die Luft und taumelte hin und her in der Hoffnung irgendetwas zu erwischen. Ihre Klauen erwischten jedoch nichts als die Luft und letztendlich fiel sie nach hinten und landete mit lautem Krachen auf dem Rücken.
„Volltreffer!", rief Jane erfreut und lud ihre Waffe nach.
Sie hatte ihr Magazin komplett leer geschossen und beinahe jede Kugel hatte getroffen.
Frost war es ähnlich ergangen, auch wenn er öfter den Hinterkopf anstelle der Narbe getroffen hatte.
Für einen Moment starrten die Detectives wortlos auf die Straße.
Auch dort unten rührte sich nichts. Die Polizisten, wie auch alle anderen vor Ort wartete gespannt, ob die B.O.W sich noch wieder rührte.
Für den Moment schien der Kampf gewonnen, die Bestie besiegt. Aber war dem auch wirklich so?

Die erste, die sich wieder rührte, war Maura. Sie hielt es nun für sicher genug um wieder auf die Straße zu gehen. In der Nähe konnte sie endlich die Sirenen der Krankenwagen hören, die sie für die Verletzten herbeordert hatte. Sie wollte den Sanitätern schnell zeigen bei wem welche Verletzungen zu finden waren und da es für den Moment sicher zu sein schien musste sie auch dringend dem Soldaten helfen, der auf der Straße lag.
Die Sanitäter erreichte die Verletzten und konnten ihnen mit Mauras Anweisungen schnell und effektiv helfen. Es gab einige Platzwunden und auch Kopfverletzungen bis hin zu ein paar wenigen Knochenbrüchen, aber alles in allem waren die Leute sehr glimpflich davongekommen, wenn man bedachte, was gerade alles passiert war. Es hätte alles viel schlimmer kommen können, es hätte sogar zig Tote geben können, hätte das Monster eines der Wohnhäuser eingerissen oder Trümmer in die falsche Richtung geworden. Dennoch war es dazu nicht gekommen und es glich einem Wunder, dass bis jetzt niemand lebensgefährlich verletzt worden war.
Oder doch?
Sobald den Verletzten geholfen wurde lief Maura los bis mitten auf die Straße. Sie musste unbedingt nach Piers sehen. Für ihren Geschmack hatte sie auch schon viel zu lange gewartet, aber es ging nun einmal nicht anders. Bei dem Soldaten angekommen hockte sie sich neben ihn. Auch wenn er direkt den Kopf ein wenig bewegte fühlte sie noch nach seinem Puls.
„Hey, kannst du mich hören?", fragte sie im gleichen Moment.
Piers öffnete kurz darauf die Augen, versuchte auch direkt sich aufzusetzen: „Ja. Ja, alles gut..."
Ganz danach, als ob alles gut wäre, klang er zwar noch nicht, aber zumindest saß er wenig später halbwegs aufrecht vor Maura.

Er hielt sich die rechte Hand an den Kopf und seufzte. Die B.O.W hatte ihn abgeworfen und anstatt sich abzurollen war er wie ein Sack Kartoffeln auf den Boden gefallen. Diese Nachlässigkeit wurde ihm nun mit Kopfschmerzen gedankt. Abgesehen davon tat ihm auch die Schulter weh, aber das war nichts was mehr als einen großen blauen Fleck hinterließ.
Mit Mauras Hilfe stand er schließlich auf.
Sein Blick glitt herüber zu der nun regungslosen B.O.W und er fragte: „Was hab' ich denn verpasst?"
„Wir haben deinen Job erledigt", sagte Jane, die mit ihrem Partner im Schlepptau gerade das Gebäude verließ und auf die zwei zu kam, „Geht es dir gut?"
„Mehr oder minder, aber es reicht. Gute Arbeit."
Sie alle warfen noch einen Blick herüber.
„Und ihr seid mit zwei Pistolen ausgekommen?", fragte Piers dann ohne den Blick abzuwenden.
„Scheinbar. Aber es waren auch zwei ganze Magazine, die wir dem Biest in den Nacken gejagt haben", berichtete Frost.
Ein leichtes Lächeln zog sich auf Piers' Lippen: „Nur zwei?"
„Was heißt hier nur?", fragte Jane überrascht.
„Das war 'ne ganze Menge!", stimmte Frost ihr zu.
„Wir haben schon wesentlich mehr in solche Biester gejagt...", meinte Piers.
Jetzt wurde er doch etwas nachdenklich. Hatten die zwei Magazine tatsächlich ausgereicht? Sie hatten ja auf die Schwachstelle geschossen. Aber es erschien ihm doch zu wenig-
„Hat es sich gerade bewegt?!", die Pathologin war erschrocken.
Alle schauten genauer hin. Ein Moment angespannter Stille.
„Nein, da tut sich nichts mehr...", befand Frost schließlich.
„Na gut", murmelte Maura, „Wie geht es denn jetzt weiter?"
Die Blicke wanderten herüber zum Soldaten.
Der seufzte: „Sofern es jetzt nicht zu Asche zerfällt oder sich in Wohlgefallen auflöst müssen wir ein Team zum Aufräumen schicken. Abgesehen davon solltet ihr die Versicherung oder einen Zuständigen benachrichtigen, wegen den Schäden an der Straße und den Gebäuden."
„Es gibt eine Versicherung für von mutierten Monstern verursachte Schäden?", scherzte Frost.
Piers lachte: „Kommt darauf an, bei welcher Versicherung du den Vertrag unterschreibst."
Bevor nun jemand mit Vorträgen über die Wahl der richtigen Versicherung beginnen konnte kamen die Polizisten näher, die zuvor drum herumgestanden hatten. Ihnen brannten so einige Fragen auf den Zungen und der einzige, der sie beantworten konnte, war wohl Piers, der noch mit Kopfschmerzen zwischen seinen Kollegen stand. Aber wirklich Lust darauf hatte er auch nicht. Am liebsten wäre ihm jetzt ein gemütliches Bett mit weichen Kissen, nur leider kam er aus dem sich um ihn bildenden Getümmel nicht mehr heraus.

"Ich will ja nichts sagen, aber eure Leiche ist abgehauen."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt