7.

1.3K 131 34
                                    

Sie hatte lange, glatte, dunkel schimmernde Haare gehabt, ein hübsches und leicht gebräuntes Gesicht, dunkle Murmelaugen und süße Grübchen in den Wangen. Jeder, der behauptet hätte, sie wäre nicht schön, wäre ein Lügner oder ein Neider gewesen. Und sie hatte mich angeguckt. Mich, einen absoluten Niemand!

Gesehen hatte ich sie zuvor noch nie, was bei der Größe unserer Schule und meiner ständigen Verpeiltheit aber auch nicht viel zu sagen hatte. Wenn es stimmte und sie mir das Zettelchen ins Schließfach geworfen hatte, dann war das heute mein absoluter Glückstag! Unser Blickkontakt hatte zwar nicht solche Funken gesprüht, wie der zwischen Mik und mir vor einer Woche und in meinem Körper kribbelte es nicht vor Verliebtheit, sondern vor Aufregung und Freude, aber eines wusste ich trotzdem sicher: Ich wollte sie Morgen wiedersehen! Ihr mein seltenes Lächeln schenken, auch wenn vielleicht nicht sie danach gefragt hatte. Ich wollte wissen, wie sich ihre Stimme anhörte und wie sie klang, wenn sie lachte. Sie war etwas besonderes und wenn sie durch so einen Zufall plötzlich in mein Leben purzelte, wollte ich sie gerne näher kennenlernen!

Meine unendliche Neugier beflügelte mich noch über den ganzen Tag, ließ mich rastlos in meinem Zimmer umhertigern und mich zum ersten Mal auf den nächsten Schultag freuen. Um meine aufgestaute Energie irgendwie loszuwerden, räumte ich schließlich auf, saugte die Wohnung, sogar mit dem Staubwedel rannte ich durch die Zimmer und das, obwohl mir sämtliche Formen des Putzens eigentlich zuwider waren. Das merkte meine Mom auch sofort, als sie von der Arbeit heimkam und den blitzsauberen Flur sah. "Dennis mein Junge, du wirst doch nicht schon wieder krank, oder?", fragte sie erschrocken und wirkte nur noch verdatterter und besorgter, als ich an ihr vorbei joggte, glücklich den Kopf schüttelte und meine Arbeit pfeifend an anderer Stelle fortsetzte. Und als ich ihr dann noch beim Abendessen zubereiten half, war eh alles zu spät. "Irgendwas ist doch mit dir! Hast du etwa jemanden nettes kennengelernt?"

Ich nickte und sie klatsche freudig in die Hände: "Und, wer ist es? Ein Mädchen oder ein Junge? Und wie heißt er oder sie?"

"Weiß ich nicht", gab ich ehrlich zu, "es könnte ein Mädchen aus einer Klasse unter meiner sein, aber ich bin mir nicht sicher." Jetzt war es wirklich endgültig vorbei und meine Mutter verstand rein gar nichts mehr. "O-okay..?", dann wandte sie sich wieder dem Gemüse zu und schaute mich nur noch ab und zu etwas schief von der Seite an. Und auch ich wurde mir unsicher, was ich ihr alles erzählen konnte, ohne naiv oder dumm zu wirken. Schließlich vertraute ich hier nur auf einen kleinen Zettel und einen einzigen Blick.

Bevor ich mich davon aber runterziehen lassen konnte, erinnerte ich mich wieder an ihre weichen, warmen Augen und mein Vorhaben für Morgen. Es half und beinahe sofort war ich wieder gut drauf! Ich würde mich das eine Mal zusammenreißen und mit ihr reden, wenn sie mir die Chance dazu gab. Ich würde das schon hinkriegen, irgendwie.


Beinahe rannte ich die Gänge entlang zu meinem Spind in der Hoffnung, dass ich wieder einen Zettel vorfinden würde. Ausnahmsweise stolperte ich nicht einmal und prallte auch mit niemandem zusammen, als breitete ein Schutzengel für heute seine Hand über mich aus, um mir Sicherheit und genug Selbstvertrauen zu verleihen! Und das beste: Ich lächelte dabei von ganz alleine. Ihren Gefallen erfüllte ich ihr also damit auch noch!

Während ich noch um die letzte Ecke schlitterte, sah ich sie bereits. Mit Kopfhörern in den Ohren und ihren Haare zu einem einfachen Pferdeschwanz gebunden lehnte sie gegen die lange Wand aus Schließfächern und tippte auf ihrem Handy. Meinen Sprint schien sie sogar aus den Augenwinkeln wahrgenommen zu haben, denn als ich etwas erschrocken ihr genau gegenüber stoppte, mit höchstens zwanzig Schritten Platz zwischen uns, hob sie ihren Kopf und schaute mich an. Leicht keuchend zupfte ich nochmal schnell an meinem Oberteil herum und lief dann betont langsamer auf sie zu, dabei schenkte ich ihr ein nervöses, aber ehrliches Lächeln. Und sie lächelte zurück, so unschuldig, dass man hätte dahinschmelzen können.

Bevor ich sie jedoch erreicht hatte, wendete sie sich plötzlich ab und ging. Wie vor den Kopf gestoßen blieb ich stehen. W-was? Warum lief sie jetzt davon? Hatte sie wirklich nur ein kurzes Grinsen von mir gewollt? Und selbst wenn, ich wollte Gewissheit!

Also zwängte ich mir entschlossen meinen Weg durch die Schülermassen, bis ich knapp vor mir ihren Haarschopf ausmachen konnte. Vorsichtig legte ich ihr meine Hand auf die Schulter: "Hey, wer bist du?"

Sie blieb stehen, drehte sich um, nahm die Ohrstecker aus und lächelte wieder liebenswürdig. "Anna", meinte sie schlicht und mir wurde sofort bewusst, dass sie von alleine nicht mehr über sich preisgeben würde. Also hakte ich weiter nach: "Hast du mir den Brief in mein Schließfach geworden?"

"Ja."

Sie war es! Zufrieden lächelte ich, aber sie wirkte trotzdem nicht wirklich glücklich. Eher ein wenig ungeduldig und unangenehm berührt, weshalb ich sie nach kurzem Zögern auch losließ. Etwas stimmte hier nicht! Und sie schien meinen Blick zu lesen wie ein offenes Buch: "Aber geschrieben hab ich ihn nicht. Ich bin nur der Bote. Bye bye Kostas, ich muss jetzt zum Unterricht!" Kokett zwinkernd winkte sie mir noch, dann stand ich wieder alleine da und war noch sehr viel ratloser als gestern.

Mir fehlt der Mut (#Kostory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt