10.

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"Darf ich Myriam eigentlich auch Zettel zurücksenden, Anna?"

"Hm?" Sie zog sich den zweiten Ohrstöpsel nun auch noch raus und schaute mich entschuldigend an. "Ob ich auch Zettel zurückschicken darf. Kannst du ihr den hier geben?" Mit ganz leicht bebenden Fingern hielt ich Anna mein Briefchen hin. Ich wollte Myriam fragen, ob wir nach der Schule mal zusammen was unternehmen wollten, um uns besser kennenzulernen. Gestern hatte ich sie leider nicht noch einmal gesehen, um sie persönlich zu fragen, aber immerhin hatte sie mir wieder eine Nachricht geschickt, also konnte ich ja guten Gewissens versuchen, ihr auf diesem Weg auch etwas zu senden und selbst ein wenig die Initiative zu ergreifen, wie es sich eigentlich für den Jungen gehörte.

Mein Gegenüber zögerte kurz, dann nahm sie mir den Zettel ab und steckte ihn in ihre Hosentasche ein. "Okay, mach ich!" Und schon war sie wieder gegangen und in den Schülermengen verschwunden. Doch als ich heute nach den ersten zwei überstandenen Schulstunden wieder in der Hofpause zu ihnen ging, wirkte Myriam nicht so, als hätte sie den Zettel bereits bekommen. Sie verhielt sich so zurückhaltend wie gestern und ich musste schließlich einsehen, dass es jetzt wohl an der Zeit war, die Sache selbst in die Hand zu nehmen!

"Myriam? Kann ich kurz alleine mit dir sprechen?" Sie nickte zögernd, während ihre Freundinnen zu kichern begannen und schon wild diskutierten, was ich wohl mit ihr nur unter vier Augen besprechen wollte. Aber mein Herzrasen machte mich taub gegen ihr lieb gemeintes Gewitzel. Da waren plötzlich nur noch sie und ich und meine Aufregung, die meinen Kopf leer fegte und meine Hände beben ließ. Herrje, ich musste doch wirken wie ein Trottel! Und auf ihrer Stirn entstand auch schon eine beunruhigende Falte. "Kostas?"

"Ich-, also, w-was sagst du?"

Sie war sichtlich irritiert. "Sorry, wozu sage ich was?"

"Na, zu-zu meiner Nachricht. Hat Anna sie dir schon gegeben?"

"Nein", sie schüttelte ratlos den Kopf, "hat sie nicht. Was wolltest du mir denn sagen?"

Okay, sie hörte mir zu. Jetzt kein Idiot sein! Ich konnte das schaffen, es war doch eigentlich ganz leicht. Sie einfach nur fragen, ob sie mit mir mal nach der Schule in die Stadt gehen wollte. Nervös huschten mein Blick zwischen ihren dunklen Augen hin und her und dann bekam ich endlich meinen Mund auf: "Ich wollte dich fragen, ob wir vielleicht zusammen gehen wollen!"

Sie hob skeptisch eine Augenbraue. M-moment, was redete ich da eigentlich?! "I-in die Stadt meine ich! Also-, nach der Schule mal... damit wir uns k-kennen lernen könnten, wenn du möchtest..."

Nach dieser Blamage von mir wollte sie das garantiert nicht mehr. Selbst wenn sie mich beobachtet hatte und von meiner Schüchternheit und Tollpatschigkeit wusste, so ein dämliches Gestotter konnte man ja wohl nur mit einem Korb beantworten. Und wie ich es mir dachte, Myriam wurde rot und fing plötzlich an, prustend zu kichern. Betreten lächelte ich geknickt und hohl, mein Blick klebte dabei an meinen Fußspitzen. Und für einen Augenblick hatte ich wirklich geglaubt, ich hätte eine Chance darauf, das Mädchen meine Freundin nennen zu können. Gute, nicht feste natürlich. Das konnte noch lange dauern...

"Du bist echt niedlich, Kostas! Natürlich können wir mal durch die Stadt laufen! Kein Problem!" Komplett verdattert ruckte mein Kopf wieder nach oben und ich rang nach Worten. Sie hatte mich nicht ausgelacht? Und ich hatte es mir nicht vergeigt bei ihr? Ein riesiger Stein fiel von meinem Herzen! "Dankeschön Myriam! D-das bedeutet mir viel!"

Ihr glückliches, geschmeicheltes Lächeln war fast zu viel für mich. Wie in einem Rausch gefangen strahlte ich bis über beide Ohren vor mich hin und bekam kaum noch mit, wie die anderen Mädchen uns neckten und aufzogen für unser kleines Privatgespräch. Bitte, konnte dieser Tag möglichst so perfekt bleiben, wie er gerade war? Das wäre wunderbar! Vielleicht ging es nach der jahrelang andauernden Pechsträhne endlich mal wieder bergauf mit mir und meinem Leben!

Ich freute mich sogar so sehr, dass es mich kaum störte, als wir noch am selben Nachmittag mit der gesamten Gruppe loszogen, obwohl ich mir eher gewünscht hatte, nur mit ihr alleine zu sein. Aber das war schon irgendwie okay, schätzte ich. Schon in Ordnung. Ich würde hoffentlich noch bald eine nächste Chance auf ein Treffen nur mit ihr kriegen!

Mir fehlt der Mut (#Kostory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt