11.

1.2K 110 60
                                    

Es tut mir leid Kostas, aber
ich bin zurzeit noch nicht
bereit, alleine mit dir in die
Stadt zu gehen, und leider
auch nirgendwo anders hin.
Bitte verstehe das. Es liegt
nicht an dir!
Du sahst gestern wahnsinnig
glücklich aus. Hoffentlich
bist du das noch ganz oft
und ich kann dein Lächeln
sehen!

Das hatte also dahintergesteckt... Ach was, halb so schlimm, das war okay. Wenn es nicht meine Schusseligkeit gewesen war, die mir diese Möglichkeit verbaut hatte und Myriam bloß Zeit brauchte, wollte ich ihr die gerne geben! Wir kannten uns ja direkt auch erst seit zwei Tagen! Es wäre echt ein Wunder, wenn wir uns nach so kurzer Zeit bereits so nahe sein würden. Hauptsache nur, die Verbindung zwischen uns zerbrach nicht aufgrund eines dummen Fehlers. Dann hätte ich die Verbindung zu meinen neuen Freunden ebenfalls verloren. Denn wenn Myriam mir keine Briefe mehr schickte, stünde Anna auch nicht mehr jeden Morgen neben meinem Spind, um auf meine Reaktion zu warten und eventuelle Antworten zu überbringen. Wenn ihr Kontakt abriss, konnte ich zu ihnen allen nicht mehr zurückkehren. So etwas kostbares wollte ich nicht sofort wieder in den Sand setzen!

"Warte bitte kurz Anna!", murmelte ich in ihre Richtung, riss einen Fetzen aus meinem Block und kritzelte hastig eine Antwort:

Das ist okay, so wie gestern
zusammen mit den anderen
reicht mir auch! Ich will dich
zu nichts drängen. Und du
warst auch hübsch, wenn du
gelächelt hast!

Hoffentlich war das in Ordnung und nicht völlig übertrieben! Mit knallroten Wangen faltete ich das Stückchen Blatt zusammen und übergab es Anna, die damit sofort umdrehte und verschwinden wollte. Zwei Schritte später drehte sie sich aber noch einmal um und schenkte mir ein Lächeln. Automatisch erwiderte ich, schulterte meinen Rucksack und prallte durch meinen langsamen Weg rückwärts mit jemandem zusammen. Zeitgleich wirbelten wir herum und mein Herz sank ängstlich pochend ganz tief in meinen Körper. Die Zwölftklässlergruppe. Die Angesagten. Zu denen Mik gehörte. Und da stand er auch bei ihnen und derjenige, in den ich geprallt war, starrte mich erst ausdruckslos an, bevor er jedoch beinahe gönnerhaft einen Mundwinkel zu einem Schmunzeln hob. Urgh, es musste natürlich der größte von ihnen sein, der mit mir auf einer Augenhöhe war, aber selbst wenn er einen Kopf kleiner gewesen wäre, hätte ich Schiss bekommen! "S-sorry!", piepste ich und rannte im nächsten Augenblick auch schon um mein Leben. Noch hatte ich nicht vergessen, dass sie mich vor nicht allzu vielen Tagen noch auf Mariks Befehl hin hatten verprügeln wollen. Und so dumm um zu bleiben und zu schauen, ob sie sich daran noch erinnerten, wollte ich auch eher ungerne sein!

Auf Umwegen gelangte ich schließlich völlig außer Atem zu meinem Klassenraum und plumpste entkräftet auf meinen Platz. Marik war noch nicht hier, aber er ließ nicht lange auf sich warten. Beinahe rechnete ich damit, dass er sein Vorhaben jetzt umsetzen würde, wenn noch kein Lehrer im Raum war, der ihn hätte verwarnen oder aufhalten können, aber nichts passierte. Er schlug mich nicht zusammen, obwohl er die beste Gelegenheit dazu hatte. Aber wer wusste schon, wie lange er noch abwarten würde. Irgendwann war ich sicherlich dran. Und der einzige für mich denkbare Grund war doch nur, dass ich ich und nicht jemand anderes war...


"Danke übrigens, Myriam", ich versuchte, unseren Blickkontakt dabei zu halten und nicht ganz so nervös herumzuzappeln, wie ich eigentlich momentan war. Aber das Bedürfnis, mich bei ihr dafür zu bedanken, dass sie mir aus meinem Gefühlstief geholfen hatte, war in meinem Herzen immer weiter gekeimt. Eigentlich war es schon längst überfällig gewesen, ihr zu zeigen, wie sehr ich sie schätzte, und nachdem heute früh ihr Zettelchen ausgeblieben war, dachte ich, dass sie sich ab jetzt eher den Kontakt von Person zu Person wünschte. Vielleicht wollte Anna auch nicht weiter den Bringdienst spielen, aber auch das nahm ich ihr nicht übel, wenn es stimmte. Sie schaute heute auf jeden Fall ein wenig pikierter als sonst drein. Auch jetzt, als ich Myriam wieder ein kleines Stück beiseite geführt hatte, nicht zu weit, wie sie es von mir gewünscht hatte, aber auch nicht zu nahe an den anderen, weil ich mich vor ihnen vielleicht doch zu sehr geschämt hätte. Das Mädchen grinste: "Kein Problem, aber wofür genau?"

"Für deine Briefe! Ich hatte schon beinahe aufgegeben, dass ich hier jemals Freunde finden würde!"

Myriam biss sich auf die Unterlippe. "Briefe? Meinst du die, die Anna dir jeden Morgen ins Schließfach wirft?"

"Ja, genau die!" Mein Herz begann noch stärker zu pochen. Irgendetwas war hier mächtig faul! Oh bitte, bitte sag mir, dass ich mich täuschte! "Die sind aber nicht von mir. Sorry Kostas, aber du hast die Falsche herausgesucht..."

Ich taumelte einen Schritt rückwärts. Nein, nein... wieso? Ich war mir so sicher gewesen! Myriam war neben Anna die einzige, die schwarze Haare hatte! Es hatte alles gepasst, aber-, aber- "...du bist es wirklich nicht? Wer dann?"

"Ich weiß es nicht. Anna wollte es mir nicht verraten", sie verschränkte ihre Arme und schaute mich mitleidig an, doch während für sie soeben vielleicht nur falsche Hoffnungen verschwanden, zersplitterte in mir etwas größeres. Etwas, das mich die letzten Tage unendlich glücklich gemacht und selbst dann getröstet hatte, wenn eine kurzzeitige Downphase eingetreten war. Eine kleine Trugwelt, in der alles ausnahmsweise normal gewesen war.

"Kostas? Alles gut?", ihre Stimme rauschte in meinen Ohren und ich zwang mich zu einem Nicken und einem kurzen Lächeln, das jedoch furchtbar gequält aussehen musste, wie ich mich auch fühlte. "Passt schon... sind wir dann trotzdem weiter Freunde? Oder können welche werden...?", wollte ich noch bittend wissen und wurde durch ihr "Aber natürlich!" erlöst. Wenigstens das. Dann war alles gut. Erleichtert fuhr ich mir mit meinen Händen durch mein Gesicht, legte den Kopf in den Nacken, atmete durch, ließ meine Arme wieder sinken und schaute direkt in ein mehrere Meter entfernt befindliches Augenpaar. Stechend blau. Marik. Ich schluckte schweren Herzens, verabschiedete mich hastig von Myriam und wollte wieder fliehen, als Anna mich plötzlich skeptisch aufhielt. "Wohin willst du denn immer so schnell?"

Vorsichtig versuchte ich sie irgendwie auf Mik aufmerksam zu machen, ohne allzu offensichtlich auf ihn zu deuten: "Der Typ da, der kann mich nicht leiden! Ich glaub, er will mich verprügeln, lässt du mich bitte gehen?" Hibbelig und nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Anna runzelte die Stirn. "Das stimmt doch gar nicht. Er sieht nicht einmal wie ein Schläger aus!"

Doch mittlerweile schaute die gesamte Truppe von ihm wieder zu mir hinüber. Wenn nicht er, dann würden sie die Scheißarbeit für ihn übernehmen! Ich riss mich von Anna los und die Angst ließ meine Gedanken nicht mehr richtig funktionieren. Daher knurrte ich sie auch ungewollt an: "Du hast davon doch keine Ahnung! Du kennst ihn ja noch nicht einmal! Er ist schrecklich!"

Bevor noch etwas schlimmeres passieren konnte, nahm ich die Beine in die Hand und flüchtete. Es tat mir leid, dass ich Anna so angepampt hatte, aber es stimmte doch! Sie konnte überhaupt gar nicht wissen, wie sich Mobbing und Ausgrenzung anfühlten! Nicht mit ihrem Aussehen und den Freunden, die sie um sich hatte! Sie hatte alles, ich hatte nichts. Auch wir waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht.

Mein Dauerlauf endete schließlich in den Jungstoiletten und zitternd schloss ich mich in einer der Kabinen ein. Wenn Myriam es nicht war, wer dann? Von wem könnten die Briefchen dann stammen? Wer würde außer ihr noch etwas mit mir zutun haben wollen...?

_______________________

Guess who's back! :D

Ab heute gibts tägliche Uploads! Ich hab die Story fertig und endlich auch einen annehmbaren Klappentext! Die Geschichte bleibt aber auch vergleichbar kurz, 23 Kapitel plus einen Zusatz um genau zu sein :S

Mir fehlt der Mut (#Kostory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt