Nach einem ausgedehnten Frühstück verbrachte ich den Morgen damit, Belinda unser Anwesen zu zeigen. Zuletzt flohen wir vor der Hitze auf die schattige Terrasse hinter dem Salon. Belinda drapierte sich auf einer Liege und hörte mit dem iPod Musik. Ich schwamm ein paar Runden im Pool, sank erschöpft auf die Liege neben ihr und fiel über die erfrischend bittere limonada her, die unsere Köchin Mercedes aus ungeschälten Nektarinen gepresst hatte.
Belinda griff nach der Kanne und schenkte sich nach. Mercedes hatte sogar an eine Schüssel voller Nektarinenscheiben gedacht, damit wir unsere Gläser wie Cocktails dekorieren konnten.
»Schmeckt besser als die Kinderbowle gestern Abend«, kommentierte Belinda. Vor dem Dinner hatte Dulce, eins der Hausmädchen, meinen Eltern wie üblich Martinis serviert. Wir beide hatten je ein Glas alkoholfreie Bowle bekommen. »Sind deine Eltern wirklich so streng, was Alkohol angeht?«
Ich seufzte. »Sie haben Angst, dass ich wie Baron werde.«
Belinda schnaubte, dabei kannte sie meinen Bruder nur aus Erzählungen. Ich sah eine Gelegenheit und nutzte sie. »Willst du dich heute Abend mit einem Glas Rotwein in der Bar trösten?«
»Nein, danke. Davon bin ich geheilt!« Sie schüttelte sich.
Ich war enttäuscht. Bevor ich etwas sagen konnte, redete sie weiter: »Und steht heute nicht dieses Willkommensdinner mit deinem Onkel auf dem Programm?«
Mist, das hatte ich völlig vergessen! Aber ich wollte – ich musste – Chase wiedersehen.
»Wir können vorher auf einen Sprung in die Bar gucken.« Tagsüber wäre es sogar einfacher, von hier wegzukommen, ohne dass Mom und Dad Verdacht schöpften.
»Klar, warum nicht?«, erwiderte Belinda zu meiner Erleichterung. Sie nippte an ihrer Limonade. Beiläufig fuhr sie fort: »Und wirst du Jasper von dem Jungen in der Bar erzählen?«
Bloß nicht!, schrie mein Bauchgefühl. Ich wich Belindas Blick aus. »Nein, wieso denn?«
Ihr Schweigen wirkte plötzlich wie eine Anklage.
»Es ist nichts passiert. Und es wird auch nichts passieren. Wir haben nur geredet.«
Wieder sagte sie nichts. Die Stille zwischen uns wurde lang, mit jedem Herzschlag wuchs mein Unbehagen. Jasper und Belinda waren seit Jahren eng befreundet. Natürlich wollte sie nicht, dass ich ihn hinterging.
Was ich ja auch nicht tat.
»Chase kennt nicht mal meinen richtigen Namen«, betonte ich. »Es ist bloß ein Spiel, eine Rolle. Du sagst immer, ich soll öfter mal aus meiner Haut schlüpfen.« Belindas Name bedeutete »bezaubernde Schlange«, das hatte sie mir gleich zu Beginn unserer Freundschaft stolz erzählt. Sie liebte die Herausforderung, im Drama-Club ihr wahres Ich abzustreifen und für die Dauer der Probe oder Vorstellung jemand anderer zu werden.
Ich schnappte mir die Schüssel und wählte sorgfältig Nektarinenscheiben aus, nur um Belinda nicht in die Augen sehen zu müssen. Endlich seufzte sie. »Na schön. Ich erzähle Jasper nichts, bis du es tust. Aber dafür will ich bei der Hochzeit eure Brautjungfer sein.«
In unseren Kreisen galt eine Heirat gleich nach der Highschool als ganz normal, auch wenn mir Mom schon vorsorglich geraten hatte, mit dem Kinderkriegen bis nach dem College zu warten. Und Jasper Montfort war eine gute Partie.
»Klar«, versprach ich Belinda, froh über den Themenwechsel. »Du und Jaspers Schwester, ihr steht fix auf meiner Liste. Du kannst den ganzen Abend mit Baron tanzen.«
Sie verzog das Gesicht. »Vielen Dank auch.«
»Hey, warte ab, bis du ihm begegnest. Im Frack könnte man ihn für einen jungen Johnny Depp halten.« Ich machte eine bedeutsame Pause. »Sag mir die Wahrheit: Hast du damals im Planet Hollywood wirklich Johnny Depp gesehen?«
Wie gehofft lachte sie. »Ja. Nein. Vielleicht. Keine Ahnung?« Sie lächelte mysteriös, und ich gratulierte mir im Stillen dazu, dass sie Jasper und vor allem Chase fürs Erste vergessen hatte.
***
Das Willkommensdinner war für acht Uhr angesetzt. Kurz nach fünf brausten wir in Belindas Cabrio davon. Ich trug mein kariertes Gingham-Kleid und dachte mit einem unbehaglichen Gefühl an Dodges Blick gestern. Auch Chase musste glauben, ich hätte mir Belindas – Fayes – Klamotten geliehen! Aber ich besaß nun mal kein Kleid, das auch nur annähernd nach armer Stipendiatin aussah.
Der Parkplatz der Desert Bar war fast leer. Das Gebäude wirkte bei Tageslicht genauso schäbig wie in der Nacht, und der Bartender trug wieder sein WHATEVER-DUDE-T-Shirt, jetzt mit dunklen Schweißflecken unter den Achseln. Er grinste erwartungsvoll und schien umso enttäuschter, als wir bloß Cola bestellten. Keine von uns wollte dem Rotwein eine zweite Chance geben.
Chase war nicht da.
Meine Hoffnung schwand mit jeder Sekunde. Vorn im Lokal saßen wieder alte Leute. Nur einer der Pooltische war besetzt, zwei Jungs – nicht Chase und Dodge – spielten dort. Es war auch noch sehr früh, nicht mal dunkel. Musste Chase in den Ferien arbeiten? Ich hatte ihn nicht gefragt.
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Cowboyküsse
RomanceAmerican Summer Romance - Romeo & Julia in der Wüste von Arizona: fantastisch, gefühlvoll und bezaubernd! Nach drei Jahren kehrt die 17-jährige Faye für einen Sommer in die flirrende Hitze Arizonas zurück. Hier, inmitten von Kakteen, herrscht seit G...