4: Birthday

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"Bist du endlich fertig?", rief Liam genervt. Er steht draußen vor meiner Tür und scheint nicht gerade erfreut zu sein.
Ich lebe inzwischen in einer kleinen "Wohnung" im Keller des MI6. Gleich neben dem Müllraum und der Abstellkammer. Ich weiß, es ist eine Ehre. Es ist eigentlich auch gar keine richtige Wohnung, sie besteht aus zwei Zimmern. Und die sind auch nicht gerade groß. Ich vermute ja insgeheim, dass es eine umgebaute Abstellkammer ist.
Auf jeden Fall bin ich gerade im Badezimmer und versuche die Proteste außerhalb des Raumes zu überhören. Nach ein paar weiteren Sekunden reiße ich dann aber doch die Tür auf. Heute ist mein 17. Geburtstag und Liam will unbedingt mit mir ausgehen. Nach mindestens fünf verdrehten Augen und acht Seufzern meinerseits stehe ich nun doch vor ihm. Ich habe meine braunen Haare in lose Locken gewickelt und trage nur Mascara um meine grauen Augen. Außerdem habe ich mich in ein schwarzes Kleid gezwängt und trage Schmerzfabriken, auch bekannt als High Heels.
Ich bin zwar immerhin 1,71m groß, aber selbst in solchen Schuhen bin ich immer noch kleiner als Liam.
"Na geht doch!", grinst er mich an. Mir entgeht allerdings auch nicht wie er meine Figur anstarrt. Ich lege den Kopf schief und deute mir mit meine Zeige und Mittelfinger auf die Augen.
"Meine Augen sind hier oben.", grinse ich nun auch. Liam scheint aus seiner Starre zu erwachen, denn er zuckt zusammen und läuft tomtenrot an.
"Komm schon.", sage ich und gehe mit einem kleinem Kichern an ihm vorbei zur Tür.
Wir sind nun schon seit zwei Jahren befreundet und solche Scherze gehören eigentlich zum Alltag.
Liam selbst trägt ein etwas aufgeknöpftes schwarzes Hemd, schwarze Hose und elegante Schuhe.
"Das nächste Mal starre ich dir auf die Kronjuwelen.", lache ich nun doch lauthals.
Er brummt nur irgendetwas unverständliches und schiebt sich an mir vorbei aus der Tür. Immer noch lachend folge ich ihm aus dem Gebäude.

**2 Stunden später**
"Ich geh was zum Trinken holen!", brüllt Liam über die tanzende Menge drüber zu mir. Ich heiße seinen Alkoholdrang gut und so versucht er unter Einsatz seines Lebens zur Bar zu gelangen. Ich bleibe noch ein bisschen zwischen den betrunkenen, schwitzenden, tanzenden Menschen um mich und kippe mir dabei noch schnell den Rest meines Bieres in den Hals. Uh, ist schon das dritte und langsam scheint mir meine Nüchternheit zu entgleiten. Pfh, egal. Da mein Bier jetzt leer ist, brauche ich natürlich Nachschub. Leicht schwankend mache ich mich auf den Weg zu Liam. Bald kann ich ihn auch an der Bar erkennen, doch er scheint mit einem Mädchen zu flirten. Ich muss zugeben, sie ist hübsch. Dunkelblonde Haare, hübsches Lächeln und ordentlich Holz vor der Hütte. Eben jenes Holz quillt geradezu aus ihrem Ausschnitt raus. Irgendwie versetzt es mir einen Stich, dass Liam mit anderen Mädchen flirtet. Und... warte. Was? Kopfschüttelnd schiebe ich meine seltsamen Gedanken auf den Alkohol. Na gut, nach nur drei Bieren fängt man eigentlich nicht an gleich so zu denken un... Es ist der Alkohol und damit Punkt!
Möglichst lässig schlendernd gehe ich auf die Bar zu und setzte mich mit unglaublicher Eleganz auf einen der Stühle neben der beiden.
"Hast du schon was bestellt?", frage ich sobald ich meinen Hintern niedergelassen hatte. Liam sieht mich aus den Augenwinkeln heraus etwas schräg an und schiebt mir einen Tequila vor die Nase. Mit einem Fake Lächeln nehme ich einen tiefen Schluck während mich das andere Mädchen etwas mürrisch mustert.
"Du musst Livia sein.", sagt sie schließlich und scheint nicht gerade erfreut über meine Anwesenheit zu sein. "Ja.", sage ich etwas knapp und nehme einen weiteren Schluck. Wenn das hier so weiter geht werde ich noch etwas hochprozentigeres brauchen.
Liam sieht immer wieder von mir zu ihr und scheint die ganze Sache regelrecht zu genießen.
"Also bist du mit ihm hier?", fragt sie erneut. Es war mehr eine Feststellung und ich bekam fast schon Angst dass ihre Brüste gleich rauskullern würden so weit wie sie sich vorlehnt.
"Ja", sage ich ein zweites Mal und komme mir dabei reichlich dämlich vor. Wieder mustert sie mich. Langsam wird mir die ganze Geschichte wirklich unangenehm, aber Liam sitzt immer noch gelassen auf seinem Hocker und betrachtet offensichtlich amüsiert das Treiben um ihn herum.
"Und warum bist du hier?", fragt sie. Jetzt ist die Zeit für mich gekommen die Flucht zu ergreifen und das tue ich auch. Ich packe Liam am Arm, stürze meinen Tequila runter, keuche kurz etwas unschön auf als der Alkohol brennend meinen Hals runterfloß, knalle das leere Glas wieder auf den Tisch und mache dass ich fortkomme. Als wir einen gewissen Sicherheitsabstand haben, fängt Liam auch schon zu quängeln an.
"Was war das denn?"
"Will nur Party wechseln.", weiche ich gekonnt aus und schiebe ihn weiter Richtung Ausgang. Zum Einen habe ich das anscheinend doch nicht so gekonnt gemacht. Zum Zweiten kann ich ihn nicht einmal zwei Zentimeter weit schieben, da er grob geschätzt 2 Tonnen wiegt.
"Oder dich hat es gestört dass ich mit einem Mädchen gefiltert habe.", grinst er triumphierend während ich immer noch versuche herauszufinden warum zum Teufel ich ihn nicht von der Stelle bekomme.
Mit meinen beiden Armen in seinen Rücken gestemmt knurre ich:" Hättest wohl gerne!"
Jetzt lacht er laut und ich muss sagen, auch das hebt meine Laune nicht gerade.
"Na gut na gut wir gehen.", schafft er es endlich einen vollständigen Satz herauszubekommen unter seinem Gelächter.
Ich reiße ihm sein Glas aus der Hand, drücke es irgendeinem seltsamen Typen in der Ecke in die Hand und deute Liam etwas penetrant zum Ausgang.
"Hey, vielleicht wollt ich das noch trinken?!"
"Ich kauf dir n'neues.", grinse ich und gehe zum Ausgang während Liam mir folgt.

**2:00 nachts**
"Vielleicht hättest du die letzten zwei Shots auslassen sollen.", teilt mir Liam mit und schleift mich auch die letzten paar Meter des Ganges entlang. "Ich bin total nüchtern!"

"Ja, klar! Du hast zweimal beinahe einen Table Dance hingelegt!"

Naja, ich hatte es wohl ein bisschen übertrieben. Auf jeden Fall ist mir kotzübel und irgendwie schaffe ich es kaum noch den Schlüssel ins Schloss zu bekommen.

"Ich helf dir.", höre ich von hinten.
"Nein, ik kann des allein!", lalle ich und schaffe es dann doch noch zu treffen und aufzusperren. Kaum habe ich die Tür aufgestoßen, schon wandert mein Darminhalt auf den Boden.

"Livia!", quietscht Liam wie ein Mädchen und springt mit einem Hechtsprung außer Reichweite. 

"Sei nicht so ne Pussy... .", grummle ich und versuche den ekelhaften Geschmack in meinem Mund zu ignorieren. 
Etwas benebelt stoße ich die Tür mit meinem Fuß auf und gehe hinein. Irgendwo muss ich doch noch was zum Aufwischen haben.
Liam vor meiner Tür scheint beinahe selbst zu kotzen.
"Kann es sein dass du heute mittag etwas mit Mais gegessen hast?", höre ich von draußen. Das habe ich tatsächlich.
"So genau will das niemand wissen!", erwidere ich und komme mit dem Putzzeug wieder raus.
Tjaaa, spätestens nach meinem drittem Versuch ohne hinzufallen auf Bodenlevel anzukommen, nimmt Liam mir diese Aufgabe ab während ich mir die Zähne putzen gehe.
Fünf Minuten später, jetzt mit frischem Atem, trete ich wieder vor die Tür, wo Liam mir auch schon benutztes Putzzeug in die Hand drückt.
"Das wirst du wohl morgen irgendwie noch entsorgen müssen.", sagt er und wirft einen leicht angewiderten Blick in den Eimer. Sieht wirklich nicht schön aus.
"Vielleicht war das doch keine so schlechte Idee mit dem Ausgehen.", grinse ich ihn nun doch an.
"Wann hatte ich schon mal schlechte Ideen?", scherzt er.
"Dazu würden mir einige Geschichten einfallen!", lache ich und irgendwie in diesem Moment scheint die Welt so in Ordnung zu sein. Und das war sie eigentlich nie.
"Ich muss los Livia, wir haben in exakt 4 Stunden Training!", lächelt er noch. Das enttäuscht mich jetzt aber ein bisschen. Das lasse ich mir aber nicht ansehen und stimme ihm nur zu.
Ich will einen Schritt zurück in meine Wohnung machen aber dabei stürze ich beinahe. Ufff, na gut mit dem Trinken hatte ich es tatsächlich ein wenig übertrieben. Doch bevor ich am Boden aufschlagen kann, spüre ich die zwei vertrauten Hände um meine Hüften.
"Das wird langsam zur Angewohnheit!", lächelt mich Liam wieder an. Und ich habe keine Ahnung woher mein plötzliches Selbstbewusstsein kommt, aber dann küsse ich ihn. Ja, es war ein richtiger Kuss. Mein erster Kuss. Und er erwidert ihn. In diesen paar Sekunden fühle ich zum ersten Mal Schmetterlinge in meinem Bauch. Aber plötzlich hört er auf. Ich öffne meine Augen wieder. Er starrt mich an mit geschockten Augen und lässt mich los.
Ohne ein weiteres Wort dreht er sich ab und verschwindet den Korridor entlang.
Und ich?
Ich stehe da und sehe ihm nach, als ob ich auf ein Wunder warten würde, das nie eintrifft.

Just A Joke ♤Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt