Kapitel 4

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Das erste,  das ich am nächsten Morgen wahrnam war das Hupen eines Taxis.  Verwirrt öffnete ich die Augen und wusste zuerst nicht wo ich mich befand. Aber dann dämmerte mir schlagartig, was gestern geschehen war. Inzwischen war so viel in so kurzer Zeit passiert,  dass mir der Beginn meiner Reise um Jahre zurückversetzt erschien. Gähnend richtete mich auf und fuhr mir durch die zerzausten Haare. Ich erhob mich vom Bettrand und tappte barfuß und verschlafen zur Tür.  Doch auf dem Weg dorthin stieg ich versehentlich auf einen glatten, eckigen Gegenstand. Isabelles Kästchen!  Das hatte ich glatt vergessen. Behutsam hob ich es auf und öffnete den Deckel. Auf der Innenseite klebten unzählige Fotos von uns beiden und  am Boden lag ein Schlüsselanhänger von der Freiheitsstatue,  eine Karte von Manhattan, ein Dartpfeil und ein zusammengefalteter Zettel. Gespannt klappte ich ihn auf und begann zu lesen.

Hi, Sarah!

Na, bist du endlich in der großen weiten Welt angekommen? Wie ist es denn so? Du musst mir unbedingt schreiben oder mich anrufen,  ich warte schon auf einen ausführlichen Bericht! 

Ich lächelte. Niemand außer Isabelle war dazu in der Lage, derartig viel Neugier und Energie in drei Sätzen zu verpacken.

Du sitzt wahrscheinlich gerade auf dem Balkon deiner Tante,  schlürfst Starbucks Coffee und genießt die Aussicht über Manhattan.  Da ist doch bestimmt auch ein bisschen Zeit da,  um mit mir zu quatschen!  ;) Und wenn nicht,  sitzt du vermutlich gerade in der U-Bahn und bist auf dem Weg zum Central Park. Aber, who cares, jedenfalls hast du meinen Brief erhalten. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen! 

Bei diesen Worten musste ich einige Tränen runterschlucken.  Isabelle war gerade so präsentiert,  dass ich ihre Anwesenheit förmlich spüren konnte und mir wurde bewusst,  dass ich sie jetzt schon vermisste. 

Also,  du fragst dich bestimmt auch schon,  warum die anderen Sachen mit drin sind.

Ich warf einen Blick in das Kästchen.  Sie hatte Recht.  Der Schlüsselanhänger und die Karte - okay. Aber wozu der Dartpfeil?

Zumindest wunderst du dich über den Pfeil. 

Sie kannte mich einfach zu gut. 

Dazu komme ich jetzt. Lies dir das drauffolgende gründlich durch und versprich mir,  alles zu erledigen,  was ich dir auftrage.

So langsam wurde ich skeptisch.  Normalerweise benutzt Isabelle so einen Befehlston nur wenn sie was ausgeheckt hat.

Nein,  keine Sorge,  nichts schlimmes!  Du wirst schon sehen :)

10 Dinge,  die du in New York machen solltest:

1. Knipse ein Foto von dir auf der Freiheitsstatue und schenke es einem wildfremden Menschen

(Isabelle und ihre verrückten Ideen)

2. Erzähle diesem Menschen deine Geschichte und lad ihn zum Essen ein

3. Wirf den Dartpfeil auf die Karte und besuche den Ort,  auf dem er landet

4. Spraye ein Graffiti

5. Fahre mit einem Jetski den East River entlang

6. Erkunde die Stadt einen Tag lang ohne Karte

7. Singe mit einem Straßenmusiker dein Lieblingslied

8. Lerne eine Tätigkeit,  die dir Spaß macht

9. Mache jemandem ein Geschenk

10. Finde die Sterne

Isabelle und ihre Einfälle. Ich kannte niemand sonst,  der so lustige und kreative Ideen hatte wie sie, auch wenn mir Punkt 10 etwas schleierhaft vorkame. Aber was soll's. Die Liste meiner besten Freundin hatte die Abenteuerlust in mir geweckt und ich war kurz entschlossen, sofort die ersten Punkte zu erledigen. Trotz meiner Startschwierigkeiten war ich ja immer noch in New York, um Erfahrungen zu sammeln und dabei würde mir die Liste um einiges weiterhelfen.  Vorsichtig legte ich das Kästchen auf die Kommode und machte mich auf den Weg zum Bad. Ich war bereit.  Und New York konnte kommen. 

Next Station: New York City *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt