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Vorsichtig lugte ich um die Ecke des Klassenzimmers. Kurz zuvor war ich noch in dem großen Pulk aus Klassenkameraden aus dem Raum gestürmt, war dann aber doch nochmal umgekehrt, denn ich musste unbedingt etwas mit meiner Klassenlehrerin besprechen. In dem Klassenzimmer, war zu meinem Glück nur noch Frau Gier, die die Tafel mit italienischen Vokabeln abwischte.  Leise klopfte ich an die noch offene Tür und wartete auf eine Reaktion, doch nichts passierte. Ich räusperte mich und meine Lehrerin drehte sich lächelnd um. Ihre zerzausten Haare hingen ihr durch die Drehung im Gesicht und an ihrer bunten Bluse war ein Fleck von blauem Kreidestaub zu sehen.
»Ach Mariana, was machst du denn noch hier?«, fragte sie und packte den Schwamm in die dafür vorgesehene Ablage. Ihr Lächeln erreichte nun auch ihre blauen Augen, die aufrichtig in meine sahen.
»Ich würde gerne etwas mit Ihnen besprechen Frau Gier«, erwiderte ich und schloss die Tür hinter mir, damit uns niemand belauschte. Hätte ich an Frau Gier's Stelle gestanden, dann hätte ich auf jeden Fall in diesem Moment ein Szene von einem Horrorfilm im Kopf, wie der Mörder sein Opfer mit ihm in einem Raum gefangen hält, ganz von der Außenwelt isoliert, durch lärmschützende Türen. Doch in Frau Gier's Welt gab es kein Böse, geschweige denn, glaubte ich nicht, dass meine alte etwas verschrullte Lehrerin, die eine Vorliebe für Blümchen- und Schmetterlingblusen hatte, Horrorfilme anschaute.
»Worum geht's denn Kleines«, fragte sie und setzte sich auf eine Bank. Sie bezeichnete uns immer als Kleines oder Hase. Die Jungs in meiner Klasse fanden es demütigend so vor der weiblichen Bevölkerung genannt zu werden, während wir uns schon an diese Namen gewöhnt hatten.
»Es geht um die Klassenfahrt. Geplant ist es ja derzeit, dass wir wie jedes Jahr wie die elfte Klasse es nun mal tut, nach Prag fahren oder?«.
Sie nickte nur und wartete darauf, dass ich weiter reden würde. Nervös fing ich an, an meinen Haaren herum zu nesteln und schaute aus dem Fenster.
»Nun ja, mir kam gestern Abend so eine Idee. Wie wäre es, wenn wir statt nach Prag, nach Italien fahren? Nach Neapel. Oder besser gesagt, in einen kleinen Ort in der Nähe der Stadt. Wir alle aus der elften haben doch den Italienisch Kurs gemacht und deshalb, wäre es doch viel sinnvoller, unsere Kenntnisse dabei einmal auszuprobieren oder?«
Die ganze Nacht hatte ich schon nach Gründen gesucht, warum wir nach Italien fahren sollten. Meine persönlichen konnte ich ja schlecht dabei hervorbringen, also musste ich wohl auf schulische zurück greifen.
»Hase die Idee...«.
Ich wartete schon auf eine Abfuhr doch dann strahlte ihr Gesicht auf einmal.
»Hase, diese Idee ist einfach wunderbar. Italien! Da wollte ich schon immer mal mit einer Klasse hin. Von mir aus könnte es sofort los gehen. Wir haben aber leider ein Problem«. Mein kurzer Ansturm an Hochmotivation wurde unterbrochen.
»Woher sollen wir das Geld nehmen? Italien kostet nun doch einiges mehr als Tschechien und wie wird der Schulleiter das überhaupt aufnehmen ? Also sind es sogar zwei Probleme«.
Ich verstand die Lage.
Aber vielleicht hätte ich noch Glück wenn ich das Hotel von meiner Nana hervorbringen würde. Ansonsten könnte ich mir wohl die Klassenfahrt abschminken.
»Naja also wegen dem Preis, darüber ließe sich reden. Meine Oma betreibt zusammen mit meinem Onkel ein Hotel nahe der Küste«, brachte ich schüchtern hervor und fing an mit meinem Fuß auf dem Boden zu kratzen.
»Sie würde uns sicher einen Rabatt geben«.
»Na worauf warten wir noch. Dann müssen wir wohl nur noch mit Herrn Völler darüber reden«, lachte sie und stieß sich von der Bank ab. Manchmal dachte ich, dass meine Lehrerin nie aus dem Kindergarten Alter drüber hinweg gekommen war.
»Und da dieser gewisse Herr nun mal mein Mann ist, sieht die Lage für uns wohl nicht so schlecht aus, Mäuschen.«
Meine Lehrerin konnte manchmal einen echt faszinieren. Sie war in einem Moment schrullig und im anderen Moment fasst sie die Sache sofort am Schopf und konfrontiert meinen Schulleiter mit einer Italien Klassenfahrt.

Zwei Tage später, kam unsere Lehrerin durch den Flur getanzt. Getanzt. Man darf das nicht falsch verstehen, sie ist meine absolute Lieblingslehrerin, vielleicht auch deshalb weil sie Italienisch unterrichtet, aber manchmal hatte ich echt Angst vor ihr. Sie schloss uns die Tür auf.
Beschwingt ging sie vor uns in den Klassenraum und ließ einen ganzen Batzen von Blättern auf ihren Schreibtisch fallen. Der Tisch ächzte unter dem plötzlichen Gewicht, gab danach aber kein Geräusch mehr von sich.
Nachdem es zur Stunde geklingelt hatte, schrieb sie in ganz großen Buchstaben das Wort Klassenfahrt an die Tafel. Sofort herrschte Aufruhr in der Klasse und leicht grinsend beobachtete ich den Tumult, der zwischen den einzelnen herrschte.
Frau Gier schmiss ihre Kreide auf den Tisch und sah uns mit einem riesigen Grinsen an.
»Also ihr Lieben. Ihr wisst alle, die Klassenfahrt in einem Monat, sollte nach Prag gehen, aber durch eine Mitschülerin von euch, die mir eine wirklich gute Idee unterbreitet hat, geht es jetzt woanders hin. Naaaaaaaaaccccccccccchhhhhhhhhh ITALIEN«, schrie sie das letzte Wort, wodurch ich mir instinktiv die Ohren zu hielt. Laut wurde gejohlt und Florian sprang sogar auf den Tisch und machte einen Freudentanz, was bei allen Lachen auslöste. Ein paar Köpfe drehten sich auch zu mir um und schauten einfach mich an.
»Italien wäre eigentlich viel zu teuer für unsere Schule, weshalb wir auf einen Rabatt angewiesen sind. Und diesen gewährleistet uns zu unserem Glück Marianas Oma«.
Wenn es bis eben nur ein paar Köpfe werden waren, die sich zu mir umdrehten, dann musste es jetzt die ganze Klasse sein. Ich würde leicht rot und ließ meine Haare vors Gesicht fallen, doch mein Grinsen verließ dieses nicht.
Ein weiter Ansturm von Begeisterungsrufen war zu hören und der Lehrer der Klasse, die neben uns Unterricht hatte, klopfte zweimal laut gegen die Wand, weil es ihm zu laut war.
»Einen Haken gibt es jedoch schon. Ich weiß ihr habt euch gefreut in eurer Klassengemeinschaft zu fahren, aber wir werden wohl auch die Elfte Klasse von Herrn Völlers zweiter Schule mitnehmen. «
Doch über diese Tatsache konnte meine Klasse an diesem Tag hinweg sehen. Es ging nach Italien. Ins Land der Pizza. Und zu meiner Nana !

Alphas KlassenfahrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt