12.

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Die erste Frage die sich in meinem Kopf bildete, war nicht, was ist ein Sensitiver? Nein, es war zwar die zweite, aber die erste Frage war, wie jemand Groger heißen konnte. Natürlich stellte ich diese Frage nicht, ich wollte diesen Mann nicht unnötig beleidigen, vor allem nicht, wenn ich nicht wusste, was er überhaupt war.
Meine Frage wurde mir von Alex abgenommen.
»Was ist ein Sensitiver.« Neugierig schauten wir beide uns den Mann genauer an, doch konnten keine ungewöhnlichen Merkmale an ihm feststellen. Außer die Sachen die er trug. Sie sahen aus als wären sie aus den Achtziger Jahren und damals schon aus der Mode gewesen.
»Ein Sensitiver, ist eine Art Hellseher. Jemand, der in die Zukunft gucken kann.« Ich zog meine Augenbrauen hoch.
»Und das sollen wir Ihnen wirklich abkaufen«.
»Sollen müsst ihr nichts, ihr könnt es mir abkaufen«. Dümmlich grinste er vor sich hin und lehnte seinen Kopf an die Topfpflanze, die auf der breiten Rückenlehne stand.
»Beweisen sie es!«, forderte ich, denn ich war irgendwie doch schon neugierig geworden. Alex sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
»Der Kellner zum Beispiel, wird in zehn Sekunden sein Tablett fallen lassen«. Gespannt folgten unsere Augen den Kellner und der Sensitive sollte recht behalten. Ein lautes Scheppern erklang und eine Glasscherbe flog bis zu meinen Fuß. Ich hob sie auf und packte sie auf den Tisch, damit niemand sonst dort rein trat.
»Nehmen wir mal an, wir glauben ihnen. Bis wohin könnten sie dann in die Zukunft schauen«.
Das mit dem Tablett konnte ja auch einfach nur Zufall gewesen sein. Ein verdammt schlechter Zufall.
»Nur bis zu einer Minute im Voraus. Weiter habe ich mich nicht getraut. Ich will in die Zukunft nicht eingreifen, aber durch das Wissen über die, wird meist schon etwas verändert.«
»Also ist die Zukunft gefährlich«.
Groger nickte und stand auf.
»Es tut mir Leid ihr beiden, aber ich muss los. Die Pflicht ruft«, sagte er und verschwand in der Flügeltür.

Zum Glück wurde der Tag besser. Keine seltsamen Begegnungen mit Zukunftsgurus mehr und auch keine Diebe die einem in der Nacht einen halben Herzinfarkt bescherten. Nachdem sich unsere Truppe wieder zusammen gerafft hatte,-Alex und ich mussten ganze zwei Stunden warten bis sich die ersten von uns runter gequält hatten-gingen wir wieder zum Strand. Nur ohne das eine Mädchen vom Vortag, dessen Name ich noch immer nicht kannte. Sie meinte sie würde sich nicht gut fühlen und würde im Zimmer bleiben. Frau Gier hatte nichts dagegen gesagt, auch wenn sie wusste, dass es dem Mädchen eigentlich gut ging. Sie wollte nur nichts mit uns zu tun haben. Wir spielten wieder Volleyball, nur dieses Mal auf dem Strand, weil ich vor meiner Schicht nicht unbedingt nass werden wollte. Kurz vor zehn, verschwand ich zur Strandbar, die zwanzig Meter weiter entfernt stand. Gerade als ich ankam, schloss mein Cousin die Brettertür auf. Er hatte eine Tüte in der Hand. Ich gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und drängelte mich als erstes in den Raum. Es war stickig warm in der kleinen Bretterbude und schnell riss ich die Rollläden hoch, die nur zur Nacht zugemacht wurden. Der frische Wind, der immer blies, kühlte einen kurz ab.
»Machst du noch den Ventilator an?«, fragte Florentino und kramte aus einem kleinen Schrank unter der Theke einen Mixer hervor. Aus der Tüte, in der Lebensmittel verstaut worden waren, holte er eine Blume raus und steckte sie mir in die Haare.
»Hab die auf dem Weg gefunden. Meine Mitarbeiterin soll ja auch mal nicht so ungeschickt und elegant neben mir wirken«, lachte er und ich boxte ihm einmal gegen den Arm.
»Das war nicht lustig«, murmelte ich finster und machte mich daran, dass Obst und Gemüse in ein Gefrierfach zu legen und neue Eiswürfel zu machen. Als die ersten Kunden kamen, bediente Florentino noch alleine und reichte so manchem kleinen Kind auch ein Eis raus, was hier auch verkauft wurde. Während er also vorne an der Theke stand und die Bestellungen aufnahm, räumte ich den Laden ein bisschen auf. Mein Cousin könnte vielleicht gut mit Menschen umgehen oder Sachen an den Mann bringen, aber aufräumen gehörte ganz gewiss nicht zu seinen Stärken. Umso näher der Nachmittag kam, umso voller wurde es. Manche von den Leuten verschwanden nachdem sie das bekommen hatten was sie wollten gleich wieder, andere setzten sich auf die am Boden befestigten Barhocker oder in die naheliegender Strandkörbe. Nun stand auch ich hinter der Theke und nahm Bestellungen entgegen. Auch Alex und die anderen ließen sich bei uns mal blicken. Doch lange erzählen konnte ich nicht mit Ihnen. Gegen 1 machte Florentino eine kurze Pause und ging zu einer kleinen Gruppe von älteren Mädchen, an die er sich sofort ran machte. Augenverdrehend sah ich ihm dabei zu, während ich die Kunden abarbeitete. Eine halbe Stunde später kam er mit einem säuerlichen Gesicht zurück.
»Eingebildeten Schnepfen«, murmelte er und stürzte sich wieder auf die Arbeit. Bald darauf mähte ich Schluss für den Tag und ging zu meinen Freunden.
Annabeth, Hannah, Jason und Damion schwammen im Wasser und bespritzten sich gegenseitig, doch Alex und Cam waren nirgends zu entdecken. Ich hatte Angst, dass sie sich wenn ich nicht dabei bin an die Gurgel springen würden. Gehetzt schaute ich mich um und konnte sie auf der hohen Sanddüne, wo schon lange Gräser anfingen zu wachsen, nebeneinander sitzen sehen. Sie schienen sich ganz normal zu unterhalten und doch wollten sie anscheinend nicht bei der Unterhaltung, worüber die auch immer war, nicht gestört werden.  Aber auch schon aus dem Grund, dass sie sich nicht ankeiften, machte es mich neugierig worüber sie sich unterhielten. Im Schutz der Sandkörbe schlich ich mich näher an die beiden heran, bis einzelne Wortfetzen vom Wind zu mir drüber getragen wurden.
Und was ich dort hörte, verschlug mir die Sprache. Niemals hätte ich gedacht, dass das passieren würde.

Alphas KlassenfahrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt