Kapitel 7 - Ellis Diner

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Frisch umgezogen und munter saß ich neben Theo auf dem Beifahrersitz, der begeistert von seinen Vorlesungen und den unglaublichen Fragen der Studenten erzählte. Über die meisten Dinge konnte ich einfach nur lachen und beneidete die Studenten darum, ihn als Professor erleben zu dürfen. Ich kannte ihn und wusste auch von vielen, dass er einer der beliebtesten Professoren an der Universität war, an der auch ich noch vor ein paar Jahren studiert hatte. »Ich bin schon gespannt, was du alles zu erzählen was. Afrika war bestimmt großartig.« Er grinste vor lauter Vorfreude wie ein kleines Vorschulkind und fuhr weiter durch die Stadt. Oh ja, ich hatte definitiv einiges zu erzählen!
Gemütlich schlenderten wir auf das Diner zu und Theo hob mir gentlemen-like die Tür auf. Hastig schlüpfte ich durch. Das Diner war nur mäßig gefüllt, was mir gar nicht so unrecht war. Wir nahmen einen Tisch direkt am Fenster und setzten uns gegenüber auf die beiden Bänke. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und musste feststellen, dass es sich kaum verändert hatte, im letzten halben Jahr. »Na wen haben wir denn da?«, erklang auf einmal eine helle Stimme, die ich viel zu lang nicht mehr gehört hatte. Eine ältere, pummlige Frau kam lächelnd zu uns und sofort erkannte ich sie. »Hallo Casey, Mister Crawford. Euch habe ich ja eine Weile nicht mehr gesehen. Wie lange...ein halbes Jahr?« Entschuldigend lächelte ich und senkte meinen Kopf. Das Reden überließ ich Theo. »Schön sie zu sehen, Ellis. Ja wir hatten einiges um die Ohren und da Casey heute erst wieder zurückgekommen ist, dachte ich mir, dass das Diner der beste Ort wäre um ihre Rückkehr zu feiern.« Sie sah neugierig zu mir. »Du warst weg?« Ich sah erst zu Theo, der mir aufmunternd zu nickte. »Ehm ja, ich war für zwei Wochen in Afrika um ein paar Recherchen zu betreiben.« »Das klingt spannend. Gibt's da überhaupt richtiges Essen? Naja, so dürr wie du bist werde ich euch beiden heute die größten Portionen bringen.« Wir lachten. »So, also was darf ich euch bringen?« Theo nahm mir die Karte ab und verwundert sah ich ihn an. »Wir nehmen Nummer 34, 35 und 68«, meinte er und Ellis lief lachend zurück in die Küche. Fragend schaute ich Theo an. »Was hast du uns bestellt?« »Lass dich überraschen, meine Liebe.« Ich vertraute ihm. Früher waren wir fast jede Woche in dem Diner. Immer dann, wenn Theo mich von der Schule abgeholt hatte, bevor er mich zurück in die Fänge meiner unzumutbaren Mutter übergab. Diese Tage waren immer das Highlight. Je älter ich wurde und je mehr ich in der Schule und der Uni zu tun hatte, desto seltener kamen wir hierher und wenn dann nur für persönliche Anlässe, wie zum Beispiel im Januar für Theos Geburtstag.
»Also«, gespannt lehnte sich Theodore zu mir über den Tisch herüber, »wie war die afrikanische Wildnis« »Es war...schön...sehr schön. Die Landschaft, die Tiere und...die Menschen«, meinte ich und musste unweigerlich grinsen, als ich an Arthur, Abe, Elisabeth und...Jackson dachte. Du meine Güte, ich kannte Jackson noch nicht einmal wirklich und dachte ständig an ihn. Was war nur los mit mir? So kannte ich mich gar nicht. Ich atmete tief durch, versuchte es aber so gut wie möglich vor Theo zu verstecken. Was wohl nicht richtig zu funktionieren schien. Naja, was hatte ich erwartet? Er kannte mich seit 21 Jahren und zwar so gut wie kein anderer. »Die Menschen also? Gibt's da vielleicht was, was ich nicht weiß?« Er zog verschwörerisch die Augenbrauen hoch und grinste. Ich druckste und antwortete ohne auf die Bemerkung einzugehen. »Elisabeth hat mich Arthur vorgestellt. Also Arthur McKenzie. Ein wirklich lebendiger Knabe. Er hat mir einiges seiner Aufzeichnungen mitgegeben. Es ist wirklich unglaublich, wie viel er erlebt hat. Und dann eure Zusammenarbeit mit Robert. Die Evolution und die genetische Veränderung und der trotzige Blick...« Kaum hatte ich es ausgesprochen, spannte sich Theo zunehmend an und versteifte sich. Sein Blick wurde auf eine seltsame Weise kalt. »Was ist los?« fragte ich ihn und legte besorgt meine Hand auf seine, die er zugleich wegzog. Da verstand ich. »Es geht um den trotzigen Blick...was genau steckt dahinter und wieso hast du mir nie davon erzählt, dass du mit Robert Oz gearbeitet hast?« Er seufzte und fuhr sich durch seine kurzen, grauen Haare. »Das ist alles nur ein Hirngespinst und überhaupt nicht von Belangen. Du sollst dich nicht mit solch einem Unsinn beschäftigen, es hat sowieso nie irgendwelche Beweise dafür gegeben, dass unsere Theorie gestimmt hat. Nur Robert, Robert hielt immer fest an dem Ganzen. Und was hat es ihm schlussendlich gebracht? Er hat den Verstand verloren und eine Frau und ein Kind haben ihren Mann und Vater verloren.« Ich kannte ja die Geschichte von Jackson, dennoch berührte sie mich tief. Ich konnte so unheimlich gut nachempfinden, was die Menschen und Robert durchgemacht haben. Traurig sah ich weg und dabei fiel mein Blick auf den großen Flachbildschirm, der an der Wand über dem Tresen prangte. Die Nachrichten liefen, mit einem Thema, das mich wirklich äußerst interessierte. Es ging um die Löwenangriffe. Sofort war meine Trauer wie weggeblasen und ich versuchte etwas zu verstehen, aber die Geräusche im Diner selbst waren einfach zu laut. »Hey Ellis?«, fragte ich die Dame hinter dem Tresen, die augenblicklich aufsah, »kannst du kurz lauter machen?« »Ja klar, Casey. Kein Problem.« »Danke.«
»...und wieder berichten wir von den Löwenangriffen mitten im Zentrum der Innenstadt von L.A., bei denen vor zwei Tagen zwei Männer ums Leben kamen. Mittlerweile kursieren mehrere Gerüchte und Theorien in den sozialen Netzwerken und verunsichern zunehmend die Besucher des Zoos. Bei den Gerüchten handelt es sich laut dem Zoodirektor nur um belanglose Ideen, die rein gar nichts mit den Vorfällen zu tun hätten. Die Theorien beinhalten Vorwürfe gegen viele Großkonzerne in ganz Amerika und Misshandlungsvorwürfen gegen die Zoomitarbeiter...« Kopfschüttelnd saß ich da und verfolgte die Informationen. »Grauenvoll was da passiert ist«, Theo hatte sich ebenfalls zu dem Bildschirm gedreht und verfolgte die Nachrichten. Ich nickte Ellis dankend zu und sie stellte den Fernseh wieder auf die normale Lautstäke. »Ja, vor allem für die Familien der beiden Männer. Was die jetzt wohl alles durchmachen...«
Wir unterhielten uns weiter, bis Ellis uns das Essen brachte und ich begeistert feststellte, dass es sich um Burger und Pommes, mit Salat und Getränken, Chicken Wings und Eis handelte. »Wer soll das denn alles essen?« fragte ich entgeistert. »Ich habe heute noch nichts gegessen, meine Liebe. Außerdem weißt du doch, dass mein Magen riesig ist.« verteidigte er sich und fing an zu essen. Es war wirklich vorzüglich und so gut wie eh und je, aber nach meinem Burger, ein paar Pommes und ein paar Löffel Eis, kam ich mir so voll vor, dass ich dachte ich würde gleich platzen. »Man war das gut«, stellte Theo fest und rieb sich den vollen Bauch. »Ja, aber viel zu viel.« Wir lachten und zahlten und verließen schließlich das Diner.
Ich hatte mich bei Theo eingehakt und nun schlenderten wir ein wenig durch die Stadt und fuhren gegen Abend wieder zurück nach Hause.
»Ziehen wir uns was Bequemes an und machen uns dann noch ein wenig an die Arbeit.« meinte er und lief in sein Schlafzimmer. Zögernd blieb ich im Gang stehen und sah ihm nach. Dann eilte ich schnell in sein Arbeitszimmer und durchwühlte die Notizbücher von Arthur. Schließlich fand ich das, was ich suchte und nahm es an mich. Es war das Buch mit den Notizen über den trotzigen Blick. So wie er vorhin darauf reagiert hatte, war es wohl keine gute Idee, ihn es sehen zu lassen. Schnell eilte ich in mein Zimmer, öffnete eine der großen Schrankschubladen und versteckte es unter meinen Socken. Irgendwann werde ich nochmal die Zeit haben, es zu lesen. Ich schloss die Schublade und verweilte noch kurz vor ihr. »Alles in Ordnung?«, ertönte Theos Stimme plötzlich hinter mir. Rasch drehte ich mich zu ihm und lächelte unschuldig. »Ja ja, keine Sorge. Mir war nur kurz etwas schwindelig«, winkte ich ab und drückte mich an ihm vorbei.

Mothercell [1] | j. ozWo Geschichten leben. Entdecke jetzt