Kapitel 9 - Doch nicht so verrückt?

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PoV Jackson
Irgendwas an der Sache stimmt nicht. Das am Safaribus vorhin waren mindestens fünf männliche Löwen. So wandern sie normalerweise nie. Ein typisches Rudel besteht aus Weibchen, ihrem Nachwuchs und einem im Höchstfall zwei Männchen. Ich weiß echt nicht, was hier vor sich geht und mir war bewusst, dass wir unter keinen Umständen noch hier draußen sein sollten, wenn es dunkel wird.
Mit zügigen Schritten liefen wir durch das hohe, trockene Savannengras und erreichten einen Abhang. Ich kannte diesen Abhang und den Fluss. Das meiste hatten wir hinter uns. »Da vorne ist ein stufiger Abhang. Dort können wir sicher zum Wasser runter«, informierte ich Chloe, die völlig fertig aussah. Ich konnte es verstehen, aber wir konnten keine Pause machen, denn am sichersten ist es, wenn wir in Bewegung blieben. Sie stimmte dem zu und so liefen wir weiter, bis sie ein Gespräch versuchte anzuzetteln. »Und, sind sie schon lange hier in Afrika?« fragte sie interessiert. »Etwas mehr als zwölf Jahre. Ich komme eigentlich aus Boston.« »Ganz schon weit weg von Boston«, stellte sie verwundert fest, »warum Afrika?« Ich seufzte und musste unweigerlich an meinen Vater denken. »Vermutlich weil es ganz schön weit weg ist.« Kaum hatte ich aufgehört zu sprechen, ertönte in dem hohen Gras wieder das tiefe Brummen der Löwen. Panisch drehten wir uns und ich schob Chloe schützend hinter mich. Die Löwen kamen auf uns zu. Es waren wieder fünf. Fünf Männchen. »Nicht bewegen. Bleiben sie hinter mir«, flüsterte ich leise. Eine einzige hektische Bewegung und sie würden uns angreifen. Ich schob Chloe immer weiter nach hinten. Sie begann vor Angst zu wimmern. »Ich stehe direkt am Abgrund.« Ich nahm ihre Stimme nur weit entfernt war. Einer der Löwen kam direkt auf mich zu. Er schritt langsame und brüllte immer wieder. Er wollte seine Macht demonstrieren. Plötzlich wurde mir anders, als ich das linke Auge des Löwen sah. Es war anders. »Der trotzige Blick«, meinte ich ehrfürchtig. Hatte mein Vater etwa doch recht? Mir blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn der Löwe holte mit seiner Pfote aus.

Ich wollte ausweichen und stieß dabei gegen Chloe, die mich am Arm mit sich in die Tiefe riss

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Ich wollte ausweichen und stieß dabei gegen Chloe, die mich am Arm mit sich in die Tiefe riss. Wir rutschten ab und rollten den erdigen Abhang hinab und landeten unsanft in einer großen Schlammpfütze. Stöhnend raffte ich mich auf und entdeckte Chloe etwas weiter von mir entfernt. Sie rieb sich den Arm. »Hey, alles in Ordnung?« Schnell kämpfte ich mich auf meine Beine und half auch ihr auf. Wir mussten weiter. »Kommen sie.« Wir durchquerten den Fluss und rannten ein paar Meter, bis die Löwen nicht mehr sichtbar waren und kämpften uns den restlichen Weg durch.

« Wir durchquerten den Fluss und rannten ein paar Meter, bis die Löwen nicht mehr sichtbar waren und kämpften uns den restlichen Weg durch

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Die Sonne war bereits untergegangen, als wir Simons Camp erreichten. Ich schwieg die meiste Zeit über. Dieses Auge. Es wollte mich nicht loslassen. Chloe schien es zu bemerken und fragte nach. »Sie denken doch die ganze Zeit über etwas nach?« »Mein Vater«, begann ich, »mein Vater war Wissenschaftler und er hatte ein Haufen Theorien über das Verhalten von Tieren. Manche davon waren ziemlich weit hergeholt.« Sie unterbrach mich. »Weit hergeholt? Was meinen sie damit?« »Zum Beispiel hat er sich gefragt, warum die Tiere ständig in Angst vor ihren Fressfeinden leben, wo sie doch theoretisch in der Lage wären sich zu verbünden und jede sie bedrohende Spezies zu töten. Aber seine Theorien...die sind nie so richtig aufgegangen und das hat ihn fast verrückt gemacht.« Ich stockte und musste schlucken. Nicht nur fast. Schließlich war er deshalb tot. »Es war so, es hat ihn tatsächlich verrückt gemacht.« »Das tut mir Leid.«
Wir stiegen die Stufen zur Veranda der großen Gemeinschaftshütte hoch und ich lief erst einmal in die Küche. Dort angekommen nahm ich zwei saubere Tassen und füllte in beide frisches Wasser. Eine der Tassen reichte ich Chloe und trank dann einen Schluck ehe ich weitererzählte. »Jedenfalls hat mein Vater eine Menge Videos gemacht. Sein Manifest sozusagen. Die hab ich drüben in unserem Camp und manchmal wenn er so vor sich hin doziert redet er über den trotzigen Blick. Dieser trotzige Blick soll der unwiderlegbare Beweis dafür sein, dass seine Theorie stimmen muss.« Ich wollte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden. Aber die Chance bestand tatsächlich, dass er recht hatte. Das was hier heute passiert ist, was seltsam. »Was ist denn dieser trotzige Blick?«, hakte Chloe nach, während sie einen weiteren Schluck nahm. Ich schnaufte. Wenn ich das nur wüsste. Aber irgendwie musste ich es ihr ja erklären. »Das ist es ja gerade. Bis heute dachte ich das wäre nur der Blick eines Studenten aber jetzt glaube ich, dass ich das, was er damit gemeint hat vorhin im linken Auge des Löwen gesehen habe. Kurz bevor wir gestürzt sind. Das heißt mein Vater war vielleicht doch nicht verrückt.« Ich löste mich von der Bar und lief zum Funkgerät. Zum Glück funktionierte es. Ich funkte das Zentrum an. »Botswana Center hier Jackson Oz. Ich bin im Msisimko Safaricamp. Hier werden mehrere Personen vermisst. Wir brauchen sofort ein Such- und Rettungsteam.« Hoffentlich machten die schnell. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Abe noch am Leben war.
Mehrere Minuten später machte ich mich auf in die Küche um uns etwas Warmes zu kochen. Chloe hatte sich in eines der Bäder zurückgezogen um sich etwas den Dreck zu entfernen. Ich durchsuchte die Regale und fand Kaffee. Na wenigstens etwas. In einer großen Metallkanne, die bereits auf dem Herd stand kochte ich etwas davon und ging dann zurück zu der Bar. »Ich hab Kaffee gekocht«, rief ich laut, damit sie es hörte, und schenkte etwas davon in unsere Tassen ein, »Ich hoffe sie trinken ihn gern schwarz und bitter. Was Anderes haben wir hier nicht.« Kurz darauf ertönten ihre Schritte und sie kam zu mir. Ohne den vielen Dreck, sah sie nicht so furchterregend aus und...ich...ich musste an Casey denken. Für einen kurzen Moment kam mir ihr Lächeln in den Sinn. Was sie wohl gerade machte? Oh nein, ich hatte mich gar nicht mehr bei ihr gemeldet. »Danke«, Chloe riss mich aus meinen Gedanken und trank genüsslich ihren Kaffee. Ich wollte auch gerade die Tasse ansetzen, als mich helles Licht blendete und ich Motorengeräusche vernahm. Sofort stellte ich die Tasse hin und eilte, gefolgt von Chloe nach draußen. Drei Wagen der Police kamen angefahren. »Hey!« rief ich und hob meine Hand, damit sie uns sahen. Sie hielten und drei Polizisten stiegen aus. Ein Glück. Endlich war Verstärkung hier. »Jackson Oz?«, fragte der Polizist und lief auf mich zu, »Sie sind verhaftet.« Moment was? »Was? Wieso? Hören sie mal, ich hab sie doch gerufen.« »Störung des rechtmäßigen Jagdbetriebs«, klärte mich der Polizist auf und legte mir die Handschellen an. Da wurde erneut eine Autotür geschlossen und vor mir erschien das selbstgefällige, arrogante Grinsen des Schnösels, dem Abe und ich seine Nashorn Trophäe vermiest hatten. »Oh das kann doch nicht wahr sein! Wollen sie mich verarschen?«, schrie ich den Polizisten vorwurfsvoll an. Ich konnte nicht glauben, dass die in solch einer Situation noch an sowas dachten, statt die anderen Camps zu warnen und die Toten zu bergen. Sie wollten mich zu einem der Wagen ziehen, aber ich musste ihnen klarmachen, wie ernst die Situation war. »Hören sie, hören sie mir zu. Ich muss sofort in mein Camp zurück. Irgendwas stimmt mit den Löwen nicht. Verdammt nochmal wir haben hier ein riesen Problem.« Sie hörten einfach nicht auf mich und bugsierten mich ohne einmal mit der Wimper zu zucken in den Wagen. Entrüstet sah ich noch, wie Chloe, die mit der Situation völlig überfordert schien, ebenfalls in einen Wagen gebracht wurde. Na großartig! Ich weiß nicht, was mich momentan mehr aufregte. Die Dummheit der Polizisten oder das selbstgefällige Grinsen dieses verdammten Schnösels.

Mothercell [1] | j. ozWo Geschichten leben. Entdecke jetzt