Kapitel 12 - Hatte er doch recht?

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Jeder noch so unscheinbare Muskel in meinem Körper war angespannt. Ich konnte die Angst und das Adrenalin, die durch meinen Körper schossen förmlich spüren, genauso wie die Nägel der Frau, die sich immer tiefer in meinen Armbohrten. Ich starrte gefesselt nach vorn und musste mit ansehen, wie die Füchse allmählich mein Auto auseinandernahmen. Fassungslos versuchte ich mir diese Situation wissenschaftlich zu erklären, aber ich fand einfach keine passende Erklärung. Das Verhalten der Füchse stimmte mit keinen Erfahrungen oder Berichten aus Lehrbüchern oder dem Internet überein. Außerdem waren sie für gewöhnlich nachtaktiv und kamen nur zum Jagen bereit in der Dämmerung heraus. Für gewöhnlich sah man sie auch nicht in solch großen Gruppen. Kleinere Gruppierungen konnten schon mal zustande kommen, allerdings nicht in solchen Mengen.
Mein Arm fing so langsam an wehzutun. Ich zog scharf die Luft ein. Am liebsten würde ich einfach schreien, aber das würde jetzt irgendwie etwas seltsam kommen. Man! Lange halte ich das aber wirklich nicht mehr aus. Gerade als ich ihren Arm vorsichtig lösen wollte, hörte ich in der Ferne ganz leise eine Sirene. Hoffnungsvoll blickte ich auf. Tatsächlich! Sie kommen! Erleichtert begann ich zu grinsen. »Was ist? Was haben sie?«, fragte die junge Frau neben mir noch immer völlig am Ende ihrer Kräfte. »Hören sie das? Unsere Hilfe kommt.« Wir lauschten nochmal und ja, es wurde immer lauter, bis ein Wagen der Feuerwehr, sowie die Polizei um die Ecke kam. Endlich würde uns jemand helfen. Der Griff der Frau wurde locker und ich zog so schnell wie möglich meinen Arm von ihr weg, sodass sie erst gar nicht mehr auf die Idee kam ihn als Antistressball zu benutzen.
»Sie können jetzt aus dem Wagen aussteigen«, ein junger Polizeibeamter klopfte gegen das Fenster. Sofort öffnete ich die Tür und nahm meinen Mantel und meine Tasche mit. Auch die junge Frau neben mir steig aus und eilte überglücklich auf den Beamten zu und fiel ihm sogleich strahlend um den Hals. »Sie haben uns gerettet. Vielen Dank.« Ich löste mich von diesem Anblick und lief rüber zu den Feuerwehrmännern, die mehrere der Füchse mit Hilfe von Netzten eingefangen hatten. Interessiert näherte ich mich ihnen und betrachtete sie in ihrem Käfig. Jetzt auf einmal war nichts mehr von den wildgewordenen Monstern zu sehen. Sie verhielten sich ganz normal schüchtern und zurückgezogen und fauchten nur ab und zu, wenn man dem Käfig zu nahekam. »Was passiert jetzt mit ihnen? Werden sie irgendwie untersucht?«, fragte ich einen der Männer, der mich leicht verwirrt ansah. »Nun ja, ich denke wir werden die Kerlchen wieder auswildern, aber weiter draußen. Sie haben sich anscheinend bedroht gefühlt und haben deshalb so reagiert. Kein Grund zur Sorge.« Was? Jetzt war wohl ich diejenige die verwirrt war. Diese Viecher hätten uns sicherlich zerfleischt, wenn wir nicht im Auto gewesen wären und sollten jetzt einfach so wieder frei gelassen werden. War das denen ihr Ernst? »Es müssen doch aber Untersuchungen durchgeführt werden, ob vielleicht doch ein Fall von Tollwut vorliegt oder ob die Tiere etwas Anderes haben. Sie können diesen Vorfall doch nicht einfach so in eine Schublade schieben.« Ohne auf meinen kleinen Ausbruch einzugehen, schnappte sich der Mann sein Klemmbrett und verschwand. Mich ließ er einfach stehen. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und sprach den Nächsten an, bis einer der Polizeibeamten auf mich zu kam und mir einreden wollte, dass ich einfach durch den Schock überreagierte. »Ich bin Dr. Casey Morgan und besitze diesen Titel nicht ohne Grund. Ich habe an der Stanford Universität promoviert und kenne mich sehr gut in meinem Gebiet aus und kann ihnen versichern, dass das Verhalten der Füchse keineswegs normal war. Sie müssen doch wenigstens einen einzigen untersuchen lassen.« Der ältere Beamte hörte mir zu und veranlasste dann doch, dass einer der Kerlchen in einen nahegelegenen Zoo kommen sollte um ihn zu untersuchen. »Ich bräuchte noch ihre Daten, damit wir sie in den Bericht aufnehmen können sowie ihren Ausweis.« »Sicher.« Ohne große Widerrede ließ ich die kleine Befragung über mich ergehen und wartete weiterhin auf den Abschleppdienst, der auch ein paar Minuten später um die Ecke bog. Er fuhr das Auto in seine Werkstatt, erklärte mir die Schäden und was, dass alles für mich kosten würde. Dann endlich konnte ich den nächsten Bus nehmen und erreichte schließlich völlig erschöpft die Wohnung. Ein Blick auf die Uhr, während ich meinen Mantel auszog verriet mir, dass es bereits zehn nach neun war. Großartig! Ich hatte mir meinen Abend wirklich anders vorgestellt. Naja jetzt war es ebenso. »Da bist du ja«, Theo kam aus der Küche auf mich zu und nahm mich in den Arm, »ich hab schon angefangen mir Sorgen zu machen, weil du auf keinen meiner Anrufe reagiert hast. Ist alles in Ordnung?« Er deutete auf meine Arm. Ich sah hin und musste feststellen, dass die Acrylschaufeln der jungen Frau einen mächtigen lila Fleck hinterlassen hatten. »Du wirst mir nicht glauben, was passiert ist.« Wir gingen in die Küche, wo mir Theo einen Teller voll Nudeln mit Soße reichte und gespannt meiner Erzählung über das Auto und die Füchse lauschte. »Das waren keine normalen Füchse. Die Art wie sie uns angefaucht haben und das Auto zerlegt haben. So reagieren Füchse nicht, selbst wenn sie sich bedroht fühlen oder an Tollwut leiden. Und dann das Auge des einen...es...es war das Bild, dass mit Arthur gezeigt hat. Der trotzige Blick. Und wenn ich es so im Kopf durchgehe, dann passt alles zu den Beschreibungen, die Robert Oz in seiner Verschwörungstheorie auszählt. Sie wehren sich gegen die Unterdrückung durch uns Menschen auf äußerst aggressive Weise.« »Casey«, unterbrach er mich mitten in meinem Redeschwall und seufzte, »die Theorie von Robert Oz hat keinen wahren Kern. Es wurde nie belegt, was er behauptet hat und war eine reine freie Überlegung der Fantasie eines großartigen Wissenschaftlers, der allmählich dazu neigt seinen Verstand zu verlieren. Da ist nichts Wahres dran, verstehst du? Es gibt zig Möglichkeiten, die das Verhalten der Füchse ebenfalls erklären. Und auch wenn nicht. Es gibt manche Ereignisse, die passieren und die wirklich fürchterlich sind. Aber diese Ereignisse sind einmalig und einfach unerklärlich. Verrenn dich da bitte nicht in unsinnige Sachen. Du bist eine schlaue Frau, also...bleib bitte am Boden und versuch nicht dich an solche Dinge zu klammern, ok« Ich konnte nicht anders und seufzte genervt auf. Wieso hatte ich nicht mit dieser Reaktion gerechnet? Er stand auf, legt mir eine Hand auf die Schulter und wünschte mir eine Gute Nacht. Ich wollte aufgeben und es einfach gut sein lassen, als mir das Foto einfiel. »Warte«, ich rannte zu meiner Tasche und holte mein Handy hervor und zeigte ihm das Bild, dass ich gemacht hatte. Darauf sah man eindeutig die Umrisse des trotzigen Blickes, die konnte er doch nicht einfach so ignorieren oder herunterspielen. Gespannt wartete ich darauf, dass er irgendetwas sagte, aber es kam nichts. Bis auf einen kurzen interessierten Blick war das nichts und er ging weiter in sein Arbeitszimmer. »Theo?!« rief ich ihm vorwurfsvoll nach.
Hastig eilte ich in mein Zimmer, schloss die Tür und ging auf meinen Schrank zu, nur um dann eine Schublade nach der anderen zu öffnen und in ihr herumzuwühlen. Ich welche hatte ich es getan? Ich wühlte in meinen Socken und da! Auf dem Boden war es, das Buch. Schnell zog ich es heraus und ließ mich sofort auf dem Boden nieder. Ich blätterte durch das Buch, bis ich auf die Seite mit der Zeichnung stieß und somit fand, was ich vergeblich gesucht hatte. Fast ehrwürdig strich ich darüber. Wieso wollte er es nicht sehen? Immerhin hat er selbst daran gearbeitet. Ich legte mein Handy mit dem Bild von dem Auge des Fuchses direkt neben die Zeichnung um es noch besser vergleichen zu können. Gut, man konnte es nicht eindeutig sehen, da mein Bild doch ein wenig verschwommen und verwackelt war. Aber definitiv stimmten die Umrisse und Konturen überein und in diesem Moment war ich mir zu hundert Prozent sicher, dass hier etwas vor sich ging, was nicht seien sollte. Ein wenig mulmig wurde mir, bei dem Gedanken daran, dass uns womöglich doch eine riesen Katastrophe bevorstand, von der eigentlich keiner glaubte, dass sie wahr sein konnte. Was wenn Robert Oz die ganze Zeit über Recht hatte und die Tiere wirklich anfangen würden sich zu wehren? Was sollten wir dann machen?
In dieser Nacht machte ich kein Auge zu und auch die nächsten Tage, ließ mich meine Vermutung nicht los. Aber dann schien es doch an Bedeutung zu verlieren und andere Dinge rückten in den Vordergrund meines Lebens. Aber zu diesem Zeitpunkt, hatte ich noch keine Ahnung, was mich erwarten würde, und dass mein Leben sich gewaltig ändern sollte.

Mothercell [1] | j. ozWo Geschichten leben. Entdecke jetzt