3. Kapitel - Bitte, einfach nur Tess!

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Die Wilden Kerle verabschiedeten sich dann nach einer Weile. Nur Markus blieb, um mir zum einen zu zeigen, wo das Sekretariat war, und zumbanderen, um mir danach noch das Klassenzimmer zu zeigen.
Als ich von der Sekretärin erfuhr, dass ich in die gleiche Klasse wie mein Bruder gehen würde, war ich ziemlich erleichtert. Ich hätte es grässlich gefunden, in eine Klasse zu gehen, ohne jemanden zu kennen. Noch dazu in einem, für mich doch fremden Land. In einer Sprache, mit der ich doch hin- und wieder noch Probleme hatte. Markus schien sich ebenfalls darüber zu freuen, denn er grinste breit.

Im Klassenzimmer merkte ich, dass Markus nicht der Einzige war, dem ich zumindest schon einmal begegnet bin. Juli und Maxi gingen ebenfalls in unsere Klasse. Als die Lehrerin uns freundlich anlächelte, betete ich bloß, dass sie hoffentlich nicht wollte, dass ich mich der ganzen Klasse vorstellte. Vielleicht reicht es ihr ja, wenn sie mich mit Namen vorstellt und ... Oh nein! Sie wird mich vermutlich mit meinem ganzen Namen vorstellen!
„So liebe Klasse, das ist eure neue Klassenkameradin, Maleficent Maria - Theresia Johansson. Wärst du so freundlich und würdest deinen neuen Mitschülern etwas über dich erzählen?", meinte da auch schon die Klassenlehrerin, die sich mir als Frau Doktor Peters vorgestellt hat. Na ganz toll, jetzt musste ich mich wirklich vor der ganzen Klasse vorstellen! Und meinen ganzen Namen hatte sie auch noch gesagt. Die ersten lachten schon - wer konnte es ihnen ernsthaft verdenken? Doch Markus warf ihnen giftige Blicke zu.
„Hej¹! Ich werde lieber einfach nur 'Tess' genannt und komme aus Stockholm, also Schweden", erzählte ich und hoffte, dass das reicht, weshalb ich zu Fr. Dr. Peters sah. Diese lächelte mich immer noch freundlich an und meinte dann, ich solle mich doch zu Juli setzen. Ich hätte mich zwar lieber zu Markus gesetzt, aber immerhin war er mir nicht komplett unbekannt. Juli schaute mich nur mit einem undefinierbaren Blick an, während ich mich auf den Platz neben ihm setzte.
Allem Anschein nach unterrichtete Fr. Peters, keiner der Schüler nannte sie bei ihrem Doktortitel, Mathematik. Das schloss ich jedenfalls aus den Aufgaben, welche sie verteilte. Die sollten die Schüler über die Ferien lösen sollten.  Ja, ihr habt richtig gelesen! Diese Lehrerin verteilte allen Ernstes Matheaufgaben für die Sommerferien! In Gedanken nahm ich meine innerliche Aussage, dass sie wohl eine freundliche Lehrerin sei, zurück. Nein, es schien eher im Gegenteil zu sein.
Den Rest der Stunde unterhielten wir uns noch über unsere Urlaubsziele. Das heißt, der Rest der Klasse unterhielt sich darüber, während ich nur mäßig interessiert zuhörte. Nach einer gefühlten Ewigkeit klingelte es dann zur Pause.
„Und, was hältst du von der Peters?", fragte mich Maxi im Gang vor dem Klassenzimmer. „Am Anfang fand ich sie nett. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie Aufgaben für die Ferien verteilt hat. Ich meine, hallo, geht's noch? Aufgaben über die Ferien? Har fortfarande alla koppar i garderoben?", sagte ich, was mir bereits die ganze Zeit durch den Kopf geht. „Ha fotfanda was?" Juli sah mich mit einem Ausdruck im Gesicht an, der von fragend bis verständnislos reichte. Es sah eigentlichbziemlich komisch aus, weswegen ich mir ein Lachen verkneifen musste. Anscheinend hatte ich mal wieder schwedisch gesprochen, wie bei bisher allen meinen Ausrufen. „Äh, ist Schwedisch. Ich glaube, der deutsche Ausdruck dafür ist: 'Hat die noch alle Gläser im Schrank?' oder so..." Juli, Maxi und Markus, welcher bisher nur danebengestanden hatte, und ich fingen an zu lachen. „Du meinst Tassen, Tess. Sie hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber das kannst du wohl laut sagen", korrigierte mich mein Bruder.

Der restliche Schultag war dann eher unspektakulär. Natürlich machte keiner der anderen Lehrer noch irgendwie normalen Unterricht, und es kam auch kein anderer auf die glorreiche Idee, Ferienaufgaben aufzugeben. Mit Maxi und Juli verstand ich mich von Fach zu Fach besser. Trotz allem war ich froh, als wir endlich nach Hause fahren konnten. Schule war schließlich immernoch Schule.
Als wir bei den Fahrradständern ankamen, stand Leon dort und schien auf uns zu warten. „Hey Tess, Markus hat erzählt, dass du Fußball spielst. Stimmt das?" „Ja, das stimmt", bejahte ich. „Dann komm doch heute Nachmittag mit Markus in den Teufelstopf" Und mit diesen Worten schwang Leon sich auf sein Fahrrad und fuhr zusammen mit Marlon, der inzwischen ebenfalls bei uns angekommen war, weg. Teufelstopf? Was sollte denn das wieder sein? Vielleicht war es eine Schlucht oder soetwas, überlegte ich, während auch wir nach Hause fuhren.

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Schwedisch für…
¹ „Hallo“

Tess und der Beginn ihres wilden Lebens  (DWK FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt