15. Kapitel - Farbbomben, die stinken!

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Mit den Fahrrädern machten wir uns auf den Weg zum Teufelstopf, um den Sieg gebührend zu feiern - und zwar gemeinsam. Mir war klar, dass ich mit Vanessa noch reden müsste, doch das wäre gerade mehr als unangebracht und würde nur die gute Stimmung verderben.
Diese wurde jedoch auf andere Weise gebremst, als wir Maxis Vater, Herrn Maximilian, vor seiner unfreiwillig verschönerten Limousine am Fuße des Hügels vor dem Teufelstopf stehen sahen.
„Papa, was machst du denn hier?", kam es da auch schon von Maxi. „Wir haben gewonnen!"
„Und sie kriegen ihre 5.000 Euro bis auf den letzten Heller zurück, dafür lege ich meine beiden Beine ins Feuer!", fügte Leon freudestrahlend hinzu. Herr Maximilian lächelte nur spöttisch und meinte, er lege Leons Beine dann schon einmal auf den Grill. Jävlar¹, was war den nun schon wieder los? Und was im Namen des Fußballgottes meinte er bitte damit, dass sich der Teufelstopf ein klein wenig verändert habe?
Eine leise Vorahnung beschlich mich und ich schaute schluckend zu Juli. Dieser schien mit einem Mal auch deutlich blasser um die Nase geworden zu sein. Beinah gleichzeitig ließen wir alle neun unsere Räder fallen und stürmten den Hügel hoch. Der Anblick, der sich uns bot, ließ uns das Blut in den Adern gefrieren.
Die Flammenmützen hatten den Fußballplatz eingenommen und begannen nun, mit Farbbomben in Form von mit Farbe gefüllten Luftballons auf uns zu schmeißen. Irgendwie hatten sie es sogar geschafft, Katapulte zu diesem Zwecke in den Teufelstopf zu karren. Nachdem die ersten getroffen worden waren, bemerkte ich, dass das Zeugs zu allem Überfluss auch noch stank. Heilige Artemis, so ein verdammter Drecksmist! Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, rieb uns Maxis Vater noch einmal unter die Nase: „Und ab morgen werdet ihr nur noch Christbaumkugeln bemalen! Dafür hätte ich sogar 20.000 Euro bezahlt! Das ist überhaupt der schönste Tag in meinem Leben!"
Schadenfreudig grinste er breit, stieg in sein Auto und fuhr davon. Sauer starrten wir der ehemals schwarzen Limousine hinterher. In diesem Punkt stimmten wir ihm definitiv und zu einhundert Prozent nicht zu! Natürlich musste er noch lachend den Finger in die Wunde legen: „Und die‚Wilden Kerle gibt es nicht mehr!" Wie zur Hölle hielt Maxi es bloß mit dem zu Hause aus?

Leon drehte sich wieder Richtung Fußballplatz und rief wütend nach dem 'blassen Vampir', welcher auch kurz darauf hinter den Brettern, welche den Teufelstopf umgaben, auftauchte. Er faselte irgendetwas davon, dass Vanessa gewusst habe, dass das hier passieren würde. Die meisten Kerle warfen ihr komische bis wütende Blicke zu und Leon wollte natürlich auch sofort wissen, ob das stimmt; doch ich bewunderte viel mehr ihren Mut. Trotz scheinbar solcher Androhungen, half sie den Kerlen. Das Endergebnis schien sowieso dasselbe zu sein, egal, wie sie sich entschieden hätte; und doch war dieser Sieg auf andere Weise wichtig. Wie heißt es so schön? Wenn, dann ein würdevoller Abgang.
Doch noch gaben wir nicht auf; nicht, wenn wir nicht alles versucht hatten. Und damit begann die Verhandlung.
Laut Gonzo konnten wir den Teufelstopf entweder sofort haben - sofern Vanessa wieder zu ihm zurückkommen würde - oder in einer Woche. Das Dilemma war klar: Das Spiel gegen die Nationalmannschaft war in wenigen Tagen, letzteres fiel also weg. Doch ohne Vanessa spielen? Das hatten wir doch erst heute Morgen gesehen, wohin das führte. Und das war nur gegen den SV 1906, nicht die Nationalmannschaft!
Gonzo wusste natürlich, durch Vanessa, von unserer Situation. Vanessa spielte die Entscheidung Leon zu: „Und was willst du? Willst du das ich bleibe?" Gespannt sahen wir alle zu Leon, der deutlich überfordert aussah. Er steckte in einer Zwickmühle. Er zögerte, bis Vanessa schließlich Richtung Teufelstopf den Hügel, auf dem wir nach wie vor standen, hinunterlief.
Gonzo freute sich natürlich über diese Entwicklung, doch Leon machte Anstalten, ihr hinterherzulaufen. Sein Bruder und Deniz versuchten, ihn daran zu hintern, doch Leon setzte sich durch. Gefühle besiegten die Leidenschaft zum Fußball, alle Achtung! Ich hatte in meiner kurzen Zeit in Deutschland noch nie einen so großen Respekt vor Leon gehabt wie in diesem Augenblick und unwillkürlich fragte ich mich, ob Juli dasselbe für mich getan hätte. Schnell schüttelte ich den Gedanken ab, das war doch albern!
Im letzten Moment konnte der Slalomdribbler das Schauspiel, was sich vor uns zwischen Vanessa und Gonzo bot, aufhalten. Gonzales jedoch startete einen erneuten Versuch: „Wenn du bei mir bleibst, dann kriegen diese Kinder ihren Spielplatz zurück".
„Tut mir leid, Gonzo", Vanessa trat einen Schritt weg von ihm, „aber das ist kein Spielplatz; das ist unser Stadion". Mit diesen Worten drehte sie sich zu uns: „Habt ihr das alle gehört, das ist unser Stadion! Und wir holen es uns zurück!"
Damit entfachte sie einen neuen Kampfgeist in uns. Und auch wenn ich eigentlich nicht zu den Wilden Kerlen gehörte, so sah ich das spätestens seit dem Spiel gegen den SV 1906 ein wenig anders.
Still und heimlich hatte sich das „Die Wilden Kerle" sowohl in meinem Kopf, als auch in meinem Herzen zu einem „Wir Wilde Kerle" gewandelt und ich hatte nicht vor, etwas dagegen zu tun.
Missmutig stapfte Gonzales zurück in den Teufelstopf und die Falmmenmützen verbarrikadierten sich drinnen erneut. Der Krieg hatte begonnen!

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Schwedisch für...
¹ „Verdammt"

Tess und der Beginn ihres wilden Lebens  (DWK FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt