Erinnerungen

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Müde schwinge ich meine Beine aus dem Bett und stehe auf. Mein Blick gleitet zum Fenster durch dessen zugezogene Vorhänge nur das schwache Licht der Straßenlaternen dringt. Es ist noch mitten in der Nacht. Naja war ja zu erwarten. Ich gehe ins Wohnzimmer, da ich keine Lust habe noch im Bett zu bleiben. Dort angekommen stelle ich leise meine Musikanlage an und laufe Richtung Couch.

I took the supermarket flowers from the windowsill
I threw the day old tea from the cup
Packed up the photo album Matthew had made
Memories of a life that's been loved

Ich lausche der sanften Stimme von Ed Sheeran, die leise aus den Boxen dringt, während ich auf der Couch sitze und versuche meine Tränen zurückzuhalten. Es ist auf den Tag genau 4 Jahre her seit Papa von uns gegangen ist und noch immer schmerzt es wie am ersten Tag. Ich schaue auf die Uhr, die über der Tür hängt: 5:37 Uhr. Ich seufze, aber ich weiß genau das es nichts bringen würde wieder ins Bett zu gehen und versuchen weiter zu schlafen. Nachher trifft sich die ganze Familie und wir gehen zusammen zu Papas Grab, aber bis dahin muss ich irgendwie die Zeit totschlagen. Ich stütze meine Ellbogen auf meine Knie und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Meine Hände kralle ich in meine Haare und ziehe leicht daran. Vielleicht hilft mir der Schmerz ja etwas, obwohl ich weiß das das absolut nichts bringt. Nichts kommt auch nur annähernd an den Schmerz in meinem Herzen heran.

Took the get well soon cards and stuffed animals
Poured the old ginger beer down the sink
Dad always told me, "Don't you cry when you're down"
But mum, there's a tear every time that I blink

Ich tauche wieder mit meinem Gesicht aus meinen Händen auf und blicke geradeaus. Ein Streifen Licht fällt durch den zugezogenen Vorhang vor dem Fenster und fällt direkt auf ein Buch, das ich schon lange nicht mehr aus dem Regal an der Wand geholt habe. Schwerfällig stehe ich auf und gehe langsam darauf zu. Als ich davor stehe strecke ich meinen Arm aus um das Buch herauszunehmen, doch kurz bevor ich den Einband berühre halte ich inne. Soll ich das wirklich tun? Bin ich bereit dafür? Bin ich stark genug dafür? Gerade jetzt und heute? Ich zögere. Meine Hand zuckt immer wieder auf das Buch zu, doch ich berühre es nicht. Auch wenn ich es noch nicht in der Hand halte schmerzt es trotzdem wenn ich an den Inhalt denke. So oft habe ich mir dieses Buch angeschaut. Ob allein, mit meinem Bruder, Papa oder der ganzen Familie. Bis zu dem Tag als aus den schönen Erinnerungen in diesem Buch schmerzhafte wurden. Plötzlich werde ich durch ein kurzes Vibrieren aus meinen Gedanken gerissen. Ich drehe mich zu meinem Handy um, welches auf dem Wohnzimmertisch liegt. Der Bildschirm ist an und zeigt mir eine Nachricht an. Ich gehe hin, nehme es in die Hand und schaue nach welche arme Seele noch nicht schlafen kann. Und es verwundert mich nicht als ich den Namen meines Bruders lese.

Oh I'm in pieces, it's tearing me up, but I know
A heart that's broke is a heart that's been loved

(A: Andreas; C: Chris)

A: Hey Bruderherz
C: Hey
A: Kannst du auch nicht mehr schlafen?
C: Nein. Wie immer...
A: Wäre es okay wenn ich vorbeikomme?

Kurz denke ich über seine Frage nach. Normalerweise würde ich gerne allein sein, aber da ich weiß das Andy genauso leidet wie ich ist er heute auch der einzige Mensch den ich länger als ein paar Stunden ertragen kann. Die letzten 3 Jahre waren wir beide auch fast den ganzen Tag zusammengesessen, hatten uns Geschichten erzählt, zusammen in Erinnerungen geschwellt und geweint. Also antwortete ich:

C: Klar.
A: Okay bin gleich da.

So I'll sing Hallelujah
You were an angel in the shape of my mum
When I fell down you'd be there holding me up
Spread your wings as you go
And when God takes you back we'll say Hallelujah
You're home

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